„Wir müssen es irgendwie schaffen, aus der Mediokrität rauszukommen“

Schäßburger Forum will nach 12 Jahren wieder in den Stadtrat einziehen

Rudolf-Joachim Poledna hat in Schäßburg die Joseph-Haltrich-Schule besucht und seinen Abschluss am Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium gemacht. Im Anschluss hat er in Klausenburg Maschinenbau studiert und ist danach als einer der wenigen seiner Kommilitonen in seinen Heimatort zurückgekehrt. Fotos: Demokratisches Forum der Deutschen in Schäßburg

Für das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien kandidieren in Schäßburg insgesamt sieben Personen: Petru Suciu, Yvonne Varvara-Baier, Aurelian Varvara, Rudolf-Joachim Poledna, Tiberiu Bartalus, Andrea-Bettina Rost, Hans Bruno Roth (v.l.n.r.).

Im Jahr 2004 gewann das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) bei der Kommunalwahl in Schäßburg mit 14,2 Prozent der abgegebenen Stimmen (2071) insgesamt drei Mandate im Stadtrat. Vier Jahre später reichten 384 Stimmen (3,4 Prozent) zu keinem einzigen Mandat mehr. Seither ist das Forum in der Stadt auch nicht mehr zu Kommunalwahlen angetreten. Erst in diesem Jahr haben die Mitglieder wieder eine Liste aufgestellt und hoffen auf mindestens zwei Mandate. In den Stadtrat einziehen will Rudolf-Joachim Poledna. Mit dem 34-jährigen Kopf der Liste sprach ADZ-Redakteur Michael Mundt.

Herr Poledna, warum ist das Forum in Schäßburg ab 2012 nicht mehr zu Wahlen angetreten, stellt nun allerdings wieder eine Liste für den Stadtrat?
Das Schäßburger Forum war ziemlich demobilisiert aufgrund der letzten drei Stadträte, die es gestellt hat, und wollte danach eigentlich nicht mehr politisch aktiv werden. Bisher hat es an Mitgliedern gefehlt, die sich ein erneut politisch engagiertes Forum wünschten. Es gab zwar auch 2016 schon die Überlegung anzutreten, aber erst jetzt haben wir die bürokratischen Hürden überwunden und eine Mannschaft zusammen, welche die zusätzliche administrative Arbeit leisten will. Es war einfach der richtige Moment gekommen, um wieder anzutreten.

Was war denn das Problem mit den letzten drei Stadträten des Forums?
Sie waren von 2004 bis 2008 im Stadtrat und sind dort eine Allianz mit der PSD (Anm. d. Red. Sozialdemokratische Partei) eingegangen und praktisch alle Fehlentscheidungen wurden dann dem Forum angelastet. Wir haben sehr wenige eigene Wähler, also Siebenbürger Sachsen oder Deutsche, die uns wählen, und sehr viele Rumänen, die enttäuscht wurden. Die Werte, für die sich die deutsche Minderheit immer eingesetzt hat, die wurden von unseren Stadträten nicht verfolgt. Bei dem Dracula-Park-Projekt haben sie keine klare Position eingenommen und auch viele andere Fehler begangen. Das wird uns immer noch nachgetragen.

Und warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um wieder bei der Kommunalwahl anzutreten?
Neben unserem eigenen Willen, wieder aktiv zu werden, hat die deutsche Minderheit einen guten Ruf in der rumänischen Gesellschaft, während die Konkurrenz ein schlechtes Image hat. Und es fehlt in Schäßburg auch eine politische Alternative. Es ist eine PSD-Stadt. Seit 20 Jahren regiert die PSD und das sieht man auch.

Eine „PSD-Stadt“?
Man merkt es einfach an der Stadtverwaltung. Sie hat einfach keine Vision. Sie steckt Ende der 90er Jahre fest. Da entwickelt sich nichts mehr. Ich habe in Hermannstadt und Klausenburg gelebt und dort miterlebt, wie die Städte aufgebaut wurden. Schäßburg hat es nicht geschafft, sich zu modernisieren, insbesondere mit Blick auf die Stadtverwaltung. Sie hat es nicht geschafft, europäische Gelder zu beantragen. Erst in der letzten Zeit hat sie dies überhaupt versucht. Auch die Burg hat sich komplett falsch entwickelt. Statt auf einen hochwertigen Tourismus zu setzen, gibt es dort nur Massentourismus. Die Menschen kommen für ein paar Stunden, kaufen billige Souvenirs und essen Fastfood, aber bleiben nicht in der Stadt.

Wie würden Sie Schäßburg darüber hinaus beschreiben?
Schäßburg ist die typische Kleinstadt in Rumänien, aus der die meisten jungen Leute ausgewandert sind. Ein Großteil der Bevölkerung lebt auch nicht vom Tourismus, sondern von der Industrie. Wir haben eine vielseitige kleine Industrie aus Maschinenbau, Kabelfertigung und Textilien. Aber es ist eine überalterte Stadt und die Eltern tun das Beste, damit die Kinder eine Chance außerhalb Schäßburgs haben.

Das sind keine guten Aussichten.
Schäßburg ist eine Stadt mit viel Potenzial, das aber nicht ausgenutzt wird. Es gibt auch eine komplette Blockade von der Stadtverwaltung. Die will von der Gesellschaft fast nichts mehr hören. Schäßburg ist wie viele Städte in Rumänien ein Opfer der Kleinstadt, aber es hat ziemlich viel Potenzial und die Leute spüren das auch. Ich würde sagen, wenn die richtigen Leute Entscheidungen treffen könnten, dann kann Schäßburg viel mehr aus sich herausholen.

Vor welchen Aufgaben steht die Stadt in den nächsten Jahren?
Schäßburg muss nicht nur die zwanzig Jahre nachholen, in denen fast nichts geleistet wurde, sondern auch wieder attraktiv werden für die Bevölkerung. Erst einmal, damit die Leute nicht mehr wegziehen und zweitens, damit wieder Leute in die Stadt kommen. Gewöhnlich muss da etwas in der Wirtschaft passieren.
Und auch die Lebensqualität muss wieder steigen. Durch die Stadt führt die E60. Normalerweise durchfährt man Schäßburg in unter zehn Minuten, aber bei viel Verkehr dauert es manchmal eine halbe Stunde. Dann gibt es das Problem mit unserer Mülldeponie. Die wurde zum wiederholten Mal angezündet. Eigentlich sollte es eine Grube sein, aber tatsächlich ist es ein Berg. Unbedingt muss dort etwas geschehen. Die Stadtverwaltung hat da keine Lösungen. Dort heißt es nur, dass andere dafür verantwortlich sind. Das ist sehr frustrierend. Wir müssen es irgendwie schaffen, aus der Mediokrität rauszukommen.

In welche Richtung sollte sich Schäßburg denn entwickeln?
Wir wissen, dass wir nicht alles ändern können im Stadtrat, aber es gibt gewisse Punkte oder eine gewisse Linie, unter die wir nicht mehr fallen wollen als Stadt. Wir wollen etwas Langfristiges Aufbauen. Nicht nur für die nächsten vier Jahre, sondern für die nächsten 12 oder 16 Jahre. Und wir wollen das kontinuierlich machen, damit auch die nächste Generation Interesse an Politik hat, am Stadtrat, an Stadtverwaltung und bei uns offene Türen findet.
Wir wollen die Politik ein bisschen ändern. Wir brauchen keine neuen Ideen in den Stadtrat bringen, denn Ideen gab es genug, nur keine wurde umgesetzt. Wir wollen die anderen Parteien dazu bewegen, ein bisschen mehr zusammenzuarbeiten und die verschiedenen Stiftungen, Vereine und die Gesellschaft einfach wieder anzuhören. Wir sind keine Spezialisten in Bezug auf die Stadtverwaltung, Ökologie oder Straßenbau, aber wir haben kein Problem damit, die richtigen Leute zu fragen. Und ich denke, das fehlt auch in Schäßburg, dass die Entscheidungsträger die richtigen Leute anhören.

Von welcher Linie sprechen Sie?
Seitdem Klaus Johannis 2014 das erste Mal bei den Wahlen um das Präsidentenamt angetreten ist, gab es auch in Schäßburg, welches eine sehr tolerante Stadt ist, in der Rumänen, Sachsen und Magyaren problemlos zusammengelebt haben, unerwartete Angriffe der PSD auf das Forum. Da waren wir ziemlich überrascht, denn das Forum hat zwischen 2004 und 2008 mit der PSD die Mehrheit im Stadtrat gebildet und sich danach komplett zurückgezogen aus dem politischen Leben.
Von den anderen Parteien gab es auch keine Reaktion, das war sehr enttäuschend für uns als Forum. Es wurde so ziemlich klar, dass die Interessen der deutschen Minderheit in Schäßburg von keinem anderen verteidigt werden. Das ist auch ein Grund, warum wir jetzt antreten. Es gibt gewisse Sachen, die man nicht macht. Man kann nicht einfach eine Minderheit diskriminieren.

Warum ist Ihnen nicht einmal die UDMR zur Seite gesprungen?
Die UDMR hat eine sehr feige Stellung eingenommen. Sie unterstützen zwar die PSD im Stadtrat, aber haben keine separate Meinung und sprechen nie von Prinzipien. Sie sind sehr fokussiert auf ihre eigene Minderheit, sorgen für ihre Vereine und Initiativen, aber darüber hinaus rühren sie eigentlich keinen Finger.

Sie haben ziemlich häufig die Stadtverwaltung kritisiert. Woran mangelt es dort?
Das Problem ist auch die Führung. Es gibt keine klare Richtung. Das sieht man dann auch an den Angestellten, die nicht wissen, was sie machen sollen oder wie sie es machen sollen. Früher gab es das Problem, dass die Löhne nicht hoch genug waren. Jetzt gibt es gute Löhne, aber es sind immer noch dieselben Leute, die wenig leisten. Die Stadtverwaltung ist nicht richtig besetzt, aber am meisten fehlt eine Führung, die genau sagt, was sie haben will. Schäßburg verlässt sich immer noch viel zu viel auf die eigene Verwaltung. Alle anderen Ortschaften in der Gegend stellen auch mal Beraterfirmen ein, wenn sie sich nicht auskennen, und dann schaffen sie es, Projekte zu schreiben. In Schäßburg ist die Verwaltung mit ihrem Niveau zufrieden, die wollen auch nicht mehr. Es gab nie eine bessere oder eine schlechtere Verwaltung, sondern immer nur dieselbe. Ihr Niveau ist so durchschnittlich wie das Niveau der ganzen Stadt.

Gibt es denn keinen Druck von Seiten der Presse?
Die Presse in Schäßburg fehlt fast vollständig. Es gibt einen Radiosender, aber der übernimmt einfach nur Presseerklärungen. Die Presse ist fast komplett ausgestorben. Dabei war sie sehr wichtig in früheren Jahren. Die Presse hat einen großen Teil des Widerstands gegen den Dracula-Park geleitet. Und auch die Verurteilung des vorherigen Bürgermeisters ist durch Recherchen der Presse zustande gekommen.
Heute gibt es keine gedruckte Lokalzeitung mehr und der einzige Journalist, der noch hin und wieder etwas schrieb, der ist jetzt Kandidat bei der Uniunea Independentă pentru Sighișoara.

Vielen Dank für das Gespräch!