WORT ZUM SONNTAG: Gott allein genügt

Im Wettlauf des Lebens gibt es einen ständigen Kampf um die ersten Plätze. Sportler trainieren unermüdlich, aber nur die drei ersten Plätze bringen Ehre und Medaillen ein. Den vierten Platz nennt man den „undankbaren Platz“. Im Wirtschaftsleben entbrennt der Konkurrenzkampf um die Absatzmärkte. In den Wissenschaften wollen die Experten den Nobelpreis erringen. In der Politik geht es um Machtpositionen. Auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit will jeder vorne sein, denn „den letzten beißen die Hunde“. Nur wenige Stellenjäger haben das Zeug dazu, die ersten Plätze einzunehmen. Deshalb greifen viele Streber zu unlauteren Mitteln. Im Sport wird „gedopt“, in der Wirtschaft übervorteilt, manche Wissenschaftler werden Plagiatoren, Politiker wechseln die Parteien, um eine einflussreichere Position zu ergattern.

So wird das Leben, das für alle friedlich verlaufen sollte, zum „Kampf um das Dasein“. Kann man diesem Gegeneinander nicht einen Riegel vorschieben? Es gibt ein Mittel dazu, das sogar das Gegeneinander in ein Miteinander umwandeln kann. Die Lösung gibt uns Christus: „Setze dich auf den letzten Platz!“ Alle übrigen Plätze werden heftig umkämpft, aber den letzten Platz kann man konkurrenzlos einnehmen. Das hat uns Christus nicht nur vorgesagt, er hat es auch vorgelebt. Er, der allein von sich sagen konnte: „Mir ist alle Gewalt gegeben“ hat sich hier, auf Erden, nicht die Stelle eines Königs, eines Feldherrn oder Oberpriesters erwählt, sondern die Rolle des einflusslosen lehrenden Rabbis. Er übte keine Gewalt über andere Menschen aus, sondern übernahm die schwerste Rolle des Gewaltlosen bis zum Kreuzestod.

Es ist eine schwere Lebenskunst, sich mit dem letzten Platz zufriedenzugeben. Das „Ich“ muss überwunden werden. Das gelingt nur solchen Menschen, die ihr Ich einer höheren Macht, nämlich Gott, unterordnen. Solche Menschen werden nicht vom erfolgshungrigen Ich angestachelt, um andere Menschen zu überflügeln. Sie erwarten ihre Lebenserfüllung nicht von hohen Posten dieser Welt, sondern vom Eintritt in das ewige Reich Gottes. Deshalb stimmen sie der Kirchenlehrerin Teresa von Avila (1515 – 1582) zu. „Solo Dios  basta – Gott allein genügt!“ Nur mit Gott innig verbundene Menschen unterordnen ihr Ich ganz Gott. Das macht sie fähig, die schwerste aller Künste auszuüben, das Gegeneinander in ein Miteinander umzuwandeln. Das ungezügelte Ich bringt Kampf und Streit hervor, das gezügelte Ich macht „friedensfähig“.

Das bringen nicht nur Heilige fertig, das hat in unserer Zeit auch ein großer Politiker fertiggebracht, Robert Schuman (1886 – 1963). Er entfloh aus einem Konzentrationslager nur mit dem Neuen Testament in der Tasche. In Frankreich war er kein Postenjäger, wurde aber 1947 Ministerpräsident. Als er das Regierungsgebäude betreten wollte, wies ihn der Pförtner, der ihn nicht kannte, ab und sagte: „Durch diese Pforte darf nur der Ministerpräsident eintreten!“ Schuman kehrte um und benützte die Angestelltenpforte. Nur ein Mensch, der das Ich im Zaume hält, war fähig, den Grundstein für die Union Europas zu legen. Sowohl als Ministerpräsident wie auch als Außenminister setzte er sich für die Einigung Europas ein. Er brachte die konkurrierenden Stahlwerke Frankreichs und Deutschlands aus der Konkurrenz zu einer Union. So legte er den Grundstein für die Europäische Union. Aus dem Gegeneinander wurde ein Miteinander.

Diese Union wird nur dann fortbestehen, wenn die Ich-Sucht der Nationen im Zaume gehalten wird. Das gelingt nur, wenn sich die Nationen, genau wie die Einzelmenschen, Gott unterordnen. Kann es ein „gottloses Miteinander“ geben? Ohne Gottesglauben wird das Miteinander zum Gegeneinander. Das Miteinander fordert Bescheidenheit, Rücksicht, fairen Wettkampf, Zurückstecken eigener Wünsche, mit einem Wort, eine geistige Kraft, die das Ich nicht geben kann, sondern nur Gott. Deshalb gilt für uns alle: „Solo Dios  basta – Gott allein genügt!“