WORT ZUM SONNTAG: Im Geiste des Dienens

Uns Menschen sind zwei Triebfedern eingeboren, die uns zum Handeln antreiben: Der Geltungstrieb und der Konkurrenzstachel. Jeder Mensch will die Talente, die in ihm schlummern, erwecken und zur Geltung bringen. Wenn wir das alles in geordneter Weise tun, entsteht ein reichhaltiges und erbauendes Kulturleben. Leider überschätzen sich viele Leute und meinen, ihre Talente seien besser und wertvoller als die anderer Menschen. Stellt sich aber das Gegenteil heraus, greifen sie zu unlauteren Mitteln. Im Sport suchen solche, durch Doping ihre Leistung zu steigern, um die anderen Sportler zu überflügeln. Es gibt doch viele Dopingskandale. Manche wollen sich in den Wissenschaften hervortun, ohne das nötige Wissen dazu zu besitzen. So greifen sie zu Plagiaten, schmücken sich mit „fremden Federn“, um den begehrten Doktortitel zu erlangen. Manche Philosophen meinen, sie hätten im Suchen nach der Wahrheit das „Ei des Kolumbus“ entdeckt und sprechen mit Verachtung über die Systeme der anderen Wahrheitssucher. Die Selbstüberschätzung vieler Menschen schafft viele schwer lösbare Probleme.

Es heißt: „Die Konkurrenz belebt das Geschäft!“ Diese Belebung ist nur dann gut, wenn dadurch das Allgemeinwohl gefördert wird. Ein fairer Wettkampf, wo jeder seine Fähigkeiten für das Allgemeinwohl einsetzt, ist zu begrüßen. Leider geschieht das selten. Viele Wirtschaftsunternehmen greifen im Konkurrenzkampf zu verwerflichen Mitteln, um den Konkurrenten auszuschalten. Es setzt sich das Dschungelgesetz durch: Der Stärkere frisst den Schwächeren auf! Oft kommt es zu Wirtschaftskriegen. Es gab schon Kohlen- und Ölkriege. Jetzt gibt es den Raketenkrieg. Leicht können unbegrenztes politisches und wirtschaftliches Konkurrenzstreben zu militärischen Kriegen ausarten. Es gab schon zwei Weltkriege, soll es zu einem dritten kommen?

Für jede Krankheit gibt es eine Arznei. Auch gegen den ungezähmten Geltungstrieb und den Konkurrenzkampf gibt es eine Arznei. Diese verschreibt uns Christus im Markusevangelium. Als ein Rangstreit unter seinen Jüngern ausgebrochen war, belehrte er sie: „Wer unter euch der Größte sein will, soll euer Diener sein, und wer unter euch der Erste sein will, soll der Diener aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele!“
Der Gottessohn sah seine Aufgabe im Dienen, nicht im Herrschen. Dem Vorbild Christi folgend, sollen wir unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten in den Dienst unserer Mitmenschen stellen. Nur wenn wir im Geiste des Dienens unsere Begabungen einsetzen, können wir eine bessere Zukunft gestalten.

Wie handelt ein solcher Mensch? Der große Astronom James Bradley (1693 - 1762), der Entdecker der Aberration des Lichtes, war der Direktor der Königlichen Sternwarte zu Greenwich. Bei einem Besuch der Königin im Observatorium erfuhr sie, wie niedrig sein Gehalt war, und versprach eine substanzielle Erhöhung. Doch Bradley bat: „Möchten Eure Majestät diesen Vorsatz lieber nicht ausführen. Denn wenn diese Stelle ein hohes Gehalt einbringt, werden es nicht mehr Astronomen sein, die sie erhalten!“

Leider ist es so: Die hochbezahlten Stellen werden selten von den fähigsten Köpfen eingenommen. Das Gehalt in unserem Parlament ist verhältnismäßig hoch, doch die wenigsten Parlamentarier sind wirkliche Politiker. Wenn die bestbezahlten Stellen nur durch Protektion oder Parteizugehörigkeit vergeben werden, wie soll dann das Allgemeinwohl gefördert werden? Egoisten und Postenjäger sind dazu total ungeeignet. Nur verantwortungsbewusste Leute wie Bradley, die das Allgemeinwohl über das Eigenwohl stellen, sind fähig, eine bessere Zukunft zu erbauen. Schon Demosthenes (384 – 322 v. Chr.) gab den Athenern den Rat: „Ihr werdet in Frieden leben, wenn ihr genügsam bleibt und keiner mehr sein will als sein Nächster!“

Christus muntert uns zum Dienen auf. Die Früchte dieses Geistes sind nur gute: Friede, Einigkeit, Hilfsbereitschaft und positiver Fortschritt auf allen Gebieten.