Zeitzeugen der Deportation in die Sowjetunion (1945 - 1949)

Fotoausstellung in der hellen Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt bringt Licht in Erinnerungsdunkel

„Die Qualen, die wir überwunden haben, machen uns größer“, stellte Hans Klein (links) zur Eröffnung der Fotoausstellung von Marc Schroeder (rechts) zum Thema Deportation in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt fest. Foto: der Verfasser

Vier unterschiedlichen Sparten können die etwa 40 großen Bilddrucke der Ausstellung „Immer war diese Hoffnung. Ehemalige Russlanddeportierte erinnern sich / Speranța moare ultima. Foști deportați în Rusia Sovietică îți aduc aminte“ mit Fotos des Luxemburgers Marc Schroeder in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt/Sibiu zugeordnet werden. Glücklicherweise wurde die Renovierung des Fußbodens und der Innenfassade des ebenerdigen Teilraumes der symbolträchtigen Immobilie am Huetplatz/Piața Huet kürzlich beendet. Die bis einschließlich Freitag, den 7. Juni, andauernde Ausstellung mit Aufnahmen des freiberuflichen Fotografen Marc Schroeder eröffnet folglich den Reigen öffentlich möglicher Ereignisse in der aktuell für den Publikumsverkehr fast ganz geschlossenen evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadts. Aller Voraussicht nach wird der Chorraum desselben Gotteshauses noch vor Beginn der Sommerzeit ebenfalls für gemeindeeigene, kulturelle und touristische Verwendungszwecke freigestellt werden können.

Marc Schroeder lernte Rumänien 2010 als Reisender kennen, nachdem er zufällig von der örtlichen Existenz einer deutschen Minderheit erfahren hatte. Seiner ersten Stippvisite im Land des Karpatenbogens folgten bald weitere Erkundungsfahrten in regelmäßigen Zeitabständen, eine langfristige Recherche einiger Teilepochen der Geschichte und Kultur der deutschen Minderheit Rumäniens und persönliche Begegnungen mit Zeitzeugen jener Generation, über deren Geist und Körper der historisch schwerwiegende Karren namens Russland-Deportation gerollt war. Zig hochbetagte Zivilisten ethnisch deutscher Abstammung, die den überharten Lebensbedingungen der sowjetischen Zwangsarbeitslager nicht zum Opfer gefallen waren, hat Marc Schroeder in den Jahren 2012 und 2013 besucht. Auf seinen zahlreichen Bahnfahrten von Temeswar bis Suceava und weniger bekannten Ortschaften, wie beispielsweise Tiream, Beltiug (Kreis Sathmar) bis nach Bukarest hat er das Land näher schätzen gelernt und aus fahrenden Zugabteilen heraus gestalterisch vollkommene Landschaftsfotos aufgenommen, die trotz und wegen ihrer bildlichen Verwischung ein authentisches Porträt Rumäniens zeichnen. Drei weitere Bildkategorien der Ausstellung sind alte Schwarzweißfotos in Postkartengröße aus den Privatarchiven der Zeitzeugen der Deportation sowie von Marc Schroeder selbst geschossene Farbaufnahmen der Hauptdarsteller inmitten ihrer Wohnzimmer und aus nächster Nähe direkt während der Interviews aufgenommene Schwarzweißporträts, die das von der Erinnerung gezeichnete Gesicht eines jeden ehemals deportierten Menschen feinfühlig zum Sprechen bringen.

Die Fotodrucke in Hochauflösung hängen in durchschnittlicher Kopfhöhe an Innenwänden und Mittelsäule der Sakristei der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche zur Besichtigung bereit und sind, mit Ausnahme der erwähnten Landschaftsbilder, nummeriert. Anhand einer am Eingang aufliegenden Liste mit Namen der von Marc Schroeder befragten Zeitzeugen der Russland-Deportation ist eine genaue Identitätszuordnung der Aufnahmen möglich. Der bis 2008 im Bankwesen tätige Berufsfotograf und seither weltweit vielgereiste Autor der Ausstellung hält derzeit nach Finanzierungsangeboten für das von Designer Rob van Hoesel und ihm selbst fertiggestellte Fotobuch „Order 7161“ (Stalins Befehl vom 16. Dezember 1944) Ausschau, das Ergebnisse der beschriebenen Fotodokumentation vereint und noch vor Jahresende 2019 in deutscher und englischer Sprache auf den Markt gelangen soll. Über die auf der Homepage www.marcpschroeder.com leicht findbare E-Mail-Kontaktadresse marc.p.schroeder@gmail.com können Interessenten sich bereits vorab ein oder mehrere Exem-plare des Bildbandes sichern.


Marc Schroeders Fotoausstellung in der Sakristei der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt genießt die öffentliche Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) und des Departements der Regierung Rumäniens für Interethnische Beziehungen. Zum Auftakt der Vernissage führten Stadtpfarrer Kilian Dörr und dessen Amtsvorgänger Hans Klein, Alttestamentler und ehemaliger DFDH-Vorsitzender, in geistliche und sozialgeschichtliche Hintergründe der Zeitgeschichte und Rezeption der Russland-Deportation ein.