Zugebissen: Das perfekte Durcheinander

Wie würde ein makelloses Durcheinander aussehen? Solch eine Steigerung ist bereits an und für sich ein Widerspruch. Es setzt ja schon eine gewisse Ordnung im Chaos voraus. Wenn niemand nichts durchblicken kann, dann ist man diesem Zustand wahrscheinlich näher gekommen.

Wer Nachrichten hört über tausende Personen, die sich angeblich dieselbe Anschrift teilen, merkt sofort, dass so etwas nicht stimmen kann. Aber das gibt es hierzulande in verschiedenen Varianten und aus ganz unterschiedlichen Gründen. Das weiß man auch bei den Behörden, zum Beispiel bei der Polizei, bei der Post, beim Wohnungsamt. Es ist also kein Geheimnis. 

Auf den Wahllisten erscheinen tausende Namen mit derselben Anschrift. Beim Austeilen der Bescheinigung für vom Staat subventionierte Heizkosten wohnen an derselben Adresse zig Familien, so dass nicht klar ist, wer tatsächlich berechtigt ist, diese Hilfe zu erhalten. In Bukarest und anderen Großstädten lassen sich die Eltern unter neuen Anschriften anmelden, damit sie ihre Kinder in eine bessere Schule einschreiben können. Zeitweilige Anmeldungen an einem Wohnort in der Stadt sind ein Thema für sich, wie auch die Tatsache, dass nicht alle Besitzer von Wohnungen bereit sind, einen Mietvertrag anzumelden. So kommt es, dass deren Mieter irgendwie „illegal“ wohnen und ihre Adresse auf dem Personalausweis nicht mehr den Tatsachen entspricht.

Viele von jenen, die im Ausland seit Jahren leben und arbeiten, sind an ihrem rumänischen Wohnort nicht abgemeldet. Am Land gibt es Ortschaften mit Wohnungen die nicht einer bestimmten Adresse zugeordnet werden können, weil es z.B. keinen Straßennamen gibt. Und so wird es einfacher, viele unter ein und derselben Anschrift zu führen. Denn eine Anschrift muss auf dem Personalausweis vermerkt sein. Ohne Anschrift kein Ausweis, ohne Ausweis kein Arbeitsplatz, keine Rechte. Das müssten am besten die Obdachlosen wissen, oder die Roma, unter denen viele ohne gültige Identitätskarte leben, wie auch jene, deren Kinder die keine Geburtsscheine haben und die es somit offiziell nicht einmal gibt.

Die Behörden scheinen überfordert zu sein. So ist es leider nicht verwunderlich, dass Fragezeichen in Zusammenhang mit den Ergebnissen der Volkszählung in der Luft schweben. Gab es nicht auch eine Sonderzählung zum Thema Wohnung und Wohnraum? Die Datenbanken von Institutionen wie Rentenkasse, Arbeitsamt oder Stromwerk scheinen unvollständig oder im besten Fall nicht aktualisiert zu sein. Umsonst stehen die Computer in den Büros, wenn sie nicht zum Einsatz kommen, umsonst spricht man von Digitalisierung und „Smart Cities“, wenn die Übersicht verloren gegangen ist. Wenn vor Ort etwas überprüft werden soll, begnügt man sich zunächst mit den Angaben der Dorfpolizei oder man vertraut dem Postboten, der ja wissen sollte, wer wo wohnt. Wer aber weiß, wie es heute um die Post und den Postvertrieb steht, vor allem am Lande, ist sich bewusst, dass die Lösung nicht auf diesem Weg zu finden ist.

Nun werden bereits neue elektronische Identitätsweise ausgestellt, gemäß den EU-Richtlinien. Auf ihnen müssen Daten wie Geburtsort oder Wohnort nicht unbedingt sichtbar eingetragen, sondern nur auf einem Chip gespeichert werden. Das schlägt auch die USR vor. Alles werde dadurch einfacher. Ohne gültigen Pass wird man nur mit der kleinen neuen Identitätskarte (in der Größe einer Kreditkarte) EU-weit problemlos reisen können. Der neue Ausweis gilt dann auch als Karte für die Krankenkasse. Alles klingt sehr schön. Vor Fälschungen und Missbrauch soll man besser geschützt sein. Alles wird besser vernetzt.

Werden modernste technische Möglichkeiten oder neue Ausweise auch das Problem der fiktiven Wohnanschriften lösen? Oder wird das Durcheinander noch undurchschaubarer?