„Zukunftsperspektiven für die siebenbürgische Kirchenburgenlandschaft“

Botschaftsveranstaltung in Berlin mit Bischof Reinhart Guib

Philipp Harfmann, Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien bei der Eröffnung. Die Stiftung Kirchenburgen wurde 2015 auf der Basis des rumänischen Stiftungsrechts gegründet und hat ihren Sitz in Hermannstadt/Sibiu. Mit einer Vielzahl von Projekten engagiert sie sich für Pflege und Erhalt des Kulturerbes der Evangelischen Kirche A.B., insbesondere der rund 165 Kirchenburgen in Siebenbürgen. Schirmherren sind der rumänische Staatspräsident Klaus Werner Johannis und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Der Geschäftsführer des Nationalen Instituts für Denkmalpflege, Dr. Ștefan Bâlici, bei seinem Impulsvortrag. Anhand von Videoaufnahmen veranschaulichte der Architekt und Philologe die erfolgreiche Rettung von Kirchenburgen.

Der Moderator Robert Schwartz (2.v.l.), Deutsche Welle, bei der Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd Fabritius, Ehrenpräsident des Verbandes Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident des Bundes der Vertriebenen (l.) sowie mit Ilse Welther, Vorsitzende des Verbandes der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften, und mit dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Kirchenburgen, Friedrich Gunesch (r.). Konsens der Runde, dass die Regierungen Deutschlands und Rumäniens mehr ihrer Verantwortung für Erhalt und Pflege des siebenbürgischen Kulturerbes nachkommen müssen. Auch die EU sei gefordert, verstärkt Programme zur Förderung von Kultur- und Bildungsprojekten der Ethnien in der Kirchenburgenlandschaft aufzulegen. | Fotos: der Verfasser

Ganz im Zeichen des 30. Jubiläums der Unterzeichnung des Freundschafts- und Partnerschaftsvertrags zwischen Rumänien und Deutschland fand an der rumänischen Botschaft in Berlin am 17. Mai 2022 die Veranstaltung „Zukunftsperspektiven für die Siebenbürgische Kirchenburgenlandschaft“ mit dem Bischof der Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien, Reinhart Guib, und weiteren Persönlichkeiten aus Kultur und Politik statt.

Eingeladen zu dieser hochkarätig besetzten Veranstaltung mit der integrierten Podiumsdiskussion einer Expertenrunde hatte die Botschafterin von Rumänien in der Bundesrepublik Deutschland, Adriana Stănescu, die Nachfolgerin seit September 2021 des Botschafters Emil Hurezeanu, der auf den Botschafterposten in Wien wechselte. Die Botschafterin würdigte in ihrer Begrüßungsansprache den 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschafts- und Partnerschaftsvertrages zwischen Rumänien und Deutschland als eine Erfolgsstory beider Länder bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zwischenmenschlicher Beziehungen auf der Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes. Sie zeigte sich erfreut, dass solche Veranstaltungen mit Podiumsdiskussionen zur Thematik der Bewahrung der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft als Kulturerbe bereits zu einer schönen Tradition geworden seien. Bedingt durch die Corona-Problematik fand eine solche Veranstaltung letztmalig 2020 in der Botschaft statt, wie alle in enger Kooperation mit der Stiftung Kirchenburgen.Philipp Harfmann, Geschäftsführer der 2015 gegründeten Stiftung Kirchenburgen, bedankte sich im Namen seines Teams für das stetige Engagement der Botschaft für die Stiftung. Diese böte der Stiftung eine besondere Plattform, in der Bundeshauptstadt Politiker und Kulturschaffende mit der Diaspora zusammenzubringen, Wege zu Zukunftsperspektiven der Siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft zu diskutieren.

Bischof Reinhart Guib betonte in seinem Grußwort im festlich gestalteten Atrium der Botschaft, dass die Botschaftsveranstaltungen mit den integrierten Podiumsdiskussionen im Themenkreis des Erhalts sächsischer Kirchenburgen und der Einbindung der Dorfbewohner aller Ethnien in Projekte, aber auch Überlegungen zu Nutzungserweiterungen von Kirchenburgen, zu einer „Institution“ geworden seien, deren Weiterführung er von Herzen begrüße.

Beispiele erfolgreicher Projekte

Der Geschäftsführer des Nationalen Instituts für Denkmalpflege, Dr. Ștefan Bâlici, lieferte mit seinem Impulsvortrag mit Videoeinblendungen einen hochinteressanten Geschichtsabriss in komprimierter Form von den Anfängen der Besiedlung Siebenbürgens durch die Sachsen und dem Bau der Kirchenburgen bis hin zu Tragödien wie die 1945 erfolgte Deportation von 70.000 Rumäniendeutschen in die Sowjetunion infolge von Stalins berüchtigtem Befehl „Order 7161“. Sichtlich mit Freude und Temperament berichtete Bâlici über ansehnliche Erfolge beim Erhalt sächsischer Kirchenburgen als kulturelles Erbe. Er ließ den Funken seiner Begeisterung für die erfolgreiche Arbeit des Vereins „Ambulanța pentru Monumente - Kulturerbe Kirchenburgen“ auf das Auditorium der Veranstaltung überspringen. Der Verein engagiert sich im Bündnis mit jungen Experten verschiedener Gewerke, etwa Steinarbeiten und Dachdeckerarbeiten, um die Erhaltung historischer Baudenkmäler, indem relevantes Kulturerbe gesichert wird, das sich in fortgeschrittenem Stadium des Verfalls befindet oder dem gar der totale Zusammenbruch droht. Beispiel für die Rettung sächsischen Kulturerbes durch Akteure des Vereins „Ambulanța pentru Monumente“: die Kirche in Schmiegen/Șmig, wo Dank des Dächerprogramms der Stiftung Kirchenburgen die Arbeiten zur Dachsanierung im Sommer 2021 erfolgreich abgeschlossen wurden. Das Team leistete zudem auch schon diverse Notinterventionen bei fast erfolgtem Zusammenbruch, etwa die Notreparatur des teilweise eingestürzten Daches der Kirche in Wölz / Vel] in der Zwischenkokel-talregion.Ilse Welther, Vorsitzende des Verbandes der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften, ergänzte mit einem weiteren markanten Beispiel erfolgreicher Projekte zur Bewahrung sächsischen Kulturerbes, sogar auf internationaler Ebene: die Unterstützung seitens der Organisation „European Heritage Volunteers“, etwa bei der Sanierung eines geschädigten Nebengebäudes auf dem Pfarrhof in Holzmengen/ Hosman und der Ringmauer der Kirchenburgen Hundertbücheln/Movile. Junge Fachleute, Freiwillige aus Europa und Übersee, Experten in den Bereichen Restaurierung und Handwerk sowie Architektur und Kunstgeschichte, sanierten das zwischen Pfarrhaus und Kirchenburg gelegene Wirtschaftsgebäude, das direkt an die Wehrmauer anschließt, von Grund auf. Das Headquarter der Organisation „European Heritage Volunteers“ befindet sich in Weimar.

Fragen der Nutzungserweiterung

Unter der eloquenten Moderation von Robert Schwartz, Deutsche Welle, mit drei Diskutanten im Podium ging es vor allem um Fragen der Verantwortung der Vertragspartner Deutschland und Rumänien für die Bewahrung von Kulturerbe sowie um Möglichkeiten der Nutzungserweiterung von Kirchenburgen mit der Einbindung aller Ethnien der Dorfbevölkerung. Leidenschaftlich plädierte Prof. Dr. Bernd Fabritius, Ehrenpräsident des Verbandes Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident des Bundes der Vertriebenen, dafür, dass die Regierungen Deutschlands und Rumäniens verstärkt ihrer Verantwortung beim Erhalt des sächsischen Kulturerbes nachkommen mögen und man nachhaltigen Krach vor den Türen der EU schlagen solle, damit mehr Programme für Bildungs- und Kulturprojekte zur Förderung der Ethnien und für Erhalt und Pflege des sächsischen Kulturerbes zeitnah aufgelegt werden. In dieser Frage herrschte Konsens bei allen Teilnehmern der Podiumsdiskussion. Der zweite Schwerpunkt der Podiumsdiskussion lag auf der Frage, wie man Co-Finanzierungen seitens der siebenbürgisch-sächsischen Heimatsortsgemeinschaften zum Erhalt der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft sowie für Kultur- und Sozialprojekte bewerkstelligen könne. Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kirchenburgen, Friedrich Gunesch, verdeutlichte, dass es objektiv nicht möglich sei, alle der zahlreichen sanierungswürdigen Kirchenburgen in der 165 Kirchenburgen umfassenden Kirchenburgenlandschaft einzubeziehen. Eine Auswahl werde in Zusammenarbeit mit Heimatsortsgemeinschaften und Institutionen wie der Stiftung Kirchenburgen getroffen. Klar war allen Teilnehmern, dass eine Nutzungserweiterung von Kirchenburgen erfolgen muss, um Co-Finanzierungen einwerben und Einnahmen erwirtschaften zu können. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind wichtig, reichen aber allein nicht zum Erhalt der Baudenkmäler aus. Ob und wie Nutzungserweiterungen von Kirchenburgen infrage kommen, konnte in der Runde nicht geklärt werden. Doch Denkanstöße zur Lösung dieser Frage, gerade unter dem Aspekt der rasant fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft, vermittelte die Podiumsdiskussion allemal.Das Resümee des Bischofs Reinhart Guib:„Ich fahre aus Berlin zurück nach Rumänien  mit dem Eindruck, dass wir unsere Kräfte, unsere Ideen, unsere Konzepte zusammenlegen müssen. Nur zusammen werden wir die Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens und das Kulturerbe überhaupt in Europa erhalten. Kleine Initiativen und politische Interventionen sichern substantielle Hilfen, wichtig sind auch europäische Fonds. All das muss zusammenfließen. Die Menschen vor Ort müssen daran beteiligt werden, seien es Deutsche, Rumänen oder Roma. Nur gemeinsam wird es gelingen, diese wunderbare Landschaft auch für die Zukunft zu retten.“