Tischtennis – und kein Ende

Der 14malige deutsche Meister Zsolt-Georg Böhm legt seine Biographie vor

Zsolt-Georg Böhm, „Mein Wunder von Bern. Kindheit, Flucht und Karriere eines siebenbürgischen Tischtennisspielers“, 120 Seiten, Schiller-Verlag, Hermannstadt & Bonn, 2013, ISBN 978-3-944529-02-8, 59 Lei/13,90 Euro

Mit 17 hat er die Flucht gewagt. Das war 1980. Damals hatte Zsolt-Georg Böhm schon mit einigen Erfolgen auf sich aufmerksam gemacht und war rumänischer Tischtennis-Nationalspieler geworden. 1977 wurde er im Doppel mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Josef rumänischer Meister; 1978 wiederholten die beiden diesen Erfolg, und Zsolt-Georg fügte diesem Titel noch den im Einzel hinzu; 1979 wurde er zum zweiten Mal rumänischer Meister im Einzel; 1978 Jugendeuropameister im Mixed mit Eva Ferenczi und im Doppel mit Simion Crişan. Doch die ganz großen Erfolge wird der Nachkomme von Sathmarschwaben nach seiner Flucht in Deutschland feiern. Dazu gehören in erster Linie 14 deutsche Meistertitel. Heute ist Zsolt-Georg Böhm 51, doch ein Ende seiner Tischtennislaufbahn ist nicht abzusehen.

In diesem Frühjahr hat der Schiller-Verlag mit Sitz in Hermannstadt und Bonn Böhms Autobiographie veröffentlicht unter dem Titel „Mein Wunder von Bern. Kindheit, Flucht und Karriere eines siebenbürgischen Tischtennisspielers“. Doch kaum war sie auf dem Markt, hätten dem Buch ein paar weitere Zeilen hinzugefügt werden müssen. Böhm ist mit dem TTC Hagen als Spielertrainer in die Erste Tischtennis-Bundesliga aufgestiegen. In der kommenden Saison wird er für den saarländischen Regionalligisten TTC Wehrden (ein Völklinger Stadtteil) antreten. Außerdem: Seiner langen Erfolgsliste hat er in diesem Frühjahr noch zwei Titel hinzugefügt. Am 1. Juni ist er in Bremen mit dem ebenfalls aus Siebenbürgen stammenden Andreas Fejer-Konnert Senioreneuropameister über 40 geworden. Im Einzel ist er bei den mehr als 50-Jährigen Bronzemedaillengewinner geworden.

Böhms Buch ist nicht einfach eine Aufzählung seiner biographischen Daten. Vielmehr ist seine Lebens- und Sportgeschichte eingebettet in die siebenbürgische und die rumänische Geschichte. Böhm geht auf die Verhältnisse in dem an der ungarischen Grenze gelegenen Ort Salze (Sălacea) ein, wo seine Eltern als Ärzte 1960 hingezogen sind und wo sich schon vor 800 Jahren Deutsche niederlassen hatten.

Der Vater weckt in ihm und dem Bruder die Leidenschaft für das Tischtennisspiel und wird ihr erster Trainer.  Der Sportklub Salze wird 1969 ihr erster Verein werden. Mit dem Umzug der Eltern nach Großwardein/Oradea wechseln die beiden Brüder den Klub. Damit die Söhne im Tischtennis weiterkommen, sorgt der Vater recht bald für einen Transfer nach Klausenburg/Cluj, wo der legendäre Paneth Farkas, damals Trainer des Arbeitersportklubs CSM und der rumänischen Nationalmannschaft Zsolt-Georg und Josef unter seine Fittiche nimmt.

Weil sich das Leben im kommunistischen Rumänien Ende der 1970er Jahre sichtlich verschlechtert, keimt in Zsolt-Georg allmählich der Fluchtgedanke. 1980 nutzt er die Europameisterschaften in der Schweiz, um sich nach Deutschland abzusetzen. Ungarische Fluchthelfer ermöglichen ihm den Grenzübertritt.

Böhm – er ist noch keine 18 Jahre alt – schließt sich dem TTC Mörfelden bei Frankfurt am Main an. Über den TTC Heusenstamm kommt er zum ATSV Saarbrücken (1982-1986) und zum um TTC Zugbrücke Grenzau im Westerwald (1986-1996), wo er die größten Erfolge feiern wird. Seinen ersten deutschen Meistertitel  erringt er 1982 im Einzel, seinen letzten 1995. 1987 kommt Zsolt-Georg ganz groß heraus. Mit der Mannschaft des TTC Grenzau wird er deutscher Pokalsieger und deutscher Einzelmeister, und dazu gewinnt er noch mit seinem Klub den Europapokal der Landesmeister.

Im jährlich ausgetragenen Bundesliga-Ranglistenturnier belegt er von 1981 bis 1997 sechsmal den ersten, fünfmal den zweiten, einmal den dritten und zweimal den vierten Platz. In der von Trainern und Verbandsfunktionären aufgestellten Rangliste der deutschen Tischtennisspieler belegt er von 1982 bis 1988 Jahr für Jahr den ersten Platz. Er gewinnt dreimal den Europapokal der Landesmeister, 1988 nimmt er an den Olympischen Spielen in Seoul teil, er ist achtmal bei Weltmeisterschaften dabei, davon zweimal mit Rumänien. Vertreten war er ferner auf einer Reihe von internationalen Wettbewerben. In den 1980er Jahren ist Böhm der beste deutsche Tischtennisspieler, in den 1990er Jahren ist er immerhin noch der zweitbeste nach dem für Borussia Düsseldorf spielenden Jörg Roßkopf.

Obwohl Böhm bei seiner Flucht erst knapp 18 Jahre alt ist, macht er, anfangs auf sich allein gestellt, seinen Weg. Die rumänischen Behörden erteilen seinen Eltern und dem Bruder 1981 die Ausreisegenehmigung. Zsolt-Georg Böhm macht das Abitur, studiert und arbeitet heute in Andernach bei Koblenz als Sportlehrer und spielt weiter Tischtennis, recht erfolgreich.