Älteste Märtyrerkrypta in der Dobrudscha

Grab der frühchristlichen Heiligen Epictet und Astion in Murighiol entdeckt

Frühchristliche Krypta mit Heiligengräbern. Fotos: George Dumitriu

Die Festung von Halmiris konnte teilweise rekonstruiert werden

Seit 30 Jahren gräbt Archäologe Mihai Zahariade in Murighiol in der Dobrudscha, seit dort 1981 bei einer Luftbildanalyse die Festung von Halmiris entdeckt wurde. Halmiris, das bedeutet soviel wie Salzlake, und in der Tat bauten hier schon die Daker im sechsten Jahrhundert vor Christus das kostbare Kristall ab, wie Münz- und Keramikfunde bestätigen. Im dritten Jahrhundert nach Christus ließen sich die Römer nach einer mehr oder weniger friedlichen Einnahme der Dobrudscha in der Nähe des heutigen Murighiol nieder und errichtetet ein kleines, dem Arbeitergott Herkules gewidmetes Kastell. Im vierten Jahrhundert wurde dieses dann zur Festung ausgebaut und grundlegend umstrukturiert. Warum die Festung nach dem siebten Jahrhundert verlassen wurde, bleibt unklar. Mit einem Team amerikanischer Archäologiestudenten, die als Freiwillige an den Ausgrabungen mitwirkten, rekonstruierte Zahariade einen großen Teil der Festung.

Dann, im Jahre 2000 machten die Archäologen plötzlich eine aufregende, überraschende Entdeckung. Im Erdreich in unmittelbarer Nähe der Festung tauchten Überreste einer alten, frühchristlichen Basilika auf! Als Zahariade 2001 den Altar entdeckte, vermutete er bereits die Existenz einer unterirdischen Krypta mit den Überresten christlicher Märtyrer.

Ausgerechnet am 15. August, dem Feiertag der Heiligen Maria, war es so weit: Die Archäologen stießen auf das Gewölbe einer zweiräumigen Krypta - einem Vorraum (Dromos) und der Grabkammer, gemäß christlichem Symbolismus genau acht Stufen tiefer, die die acht Himmelsspären symbolisieren. Bereits die Vorkammer ist reich mit Fresken in grün, blau, weiss, gelb und rot bemalt. In der Totenkammer entdeckte man zwei Grabstätten, ebenfalls mit bunten Malereien umgeben, darüber eine halbrunde Wand, die in Richtung des Sonnenaufgangs zeigt. Die Gräber enthielten Knochen, die Spuren entsetzlicher Folterungen aufwiesen: Kieferbruch, Kratzer, selbst der Kopf war abgetrennt worden. Das sind typische Merkmale für einen Märtyrerfund. Doch wer waren die Gemarterten, deren kostbare Reliquien hier zutage traten?

Die Inschrift über einer der Gräber verrät: es handelt sich um den heiligen Epictet. Die zweite Inschrift ist zerstört. Doch nun hilft eine Schrift aus dem vierten Jahrhundert weiter, die über das Leben und Wirken der frühen Christen im dritten Jahrhundert berichtet. Demnach versteckten sich der Priester Epictet und sein junger Assistent Astion 17 Jahre lang in der Festung von Halmiris, um der Christenverfolgung zu entgehen. Sie wirkten als Heiler und sollen im Untergrund mehr als 1000 Menschen in der Dubrudscha zum Christentum bekehrt haben. Durch Verat wurden sie schließlich entdeckt, gefoltert und hingerichtet.

Die Knochenfunde aus Murighiol bestätigen exakt, was in der alten Schrift geschrieben steht: das Fleisch hat man ihnen bei lebendigem Leib von den Knochen gekratzt und die Glieder gebrochen. Damit dürfte auch geklärt sein, um wen es sich bei dem zweiten Fund handelt - Astion, der in den Schriften stets zusammen mit Epictet erwähnt wird.

Ein Jahrhundertfund, sowohl aus archäologischer Sicht, aber auch für die orthodoxe Kirche, die sich mittlerweile der kostbaren Heiligenknochen „angenommen” hat... und der es gar nicht passte, dass der Archäologe die Knochen gleich nach ihrem Fund pflichtgemäß fachkundig gesäubert hatte. Warum? Mihai Zahariade berichtet schmunzelnd, dass nach orthodoxen Regeln jener, der die sterblichen Reste von Heiligen wäscht, selbst zum Heiligen wird! So wurde also unwissentlich die Schar der Heiligen um einen erweitert – freilich darf bezweifelt werden, dass auch die Kirche den „heiligen Mihai” anerkennt.

Man sollte nun meinen, die Kirche sei zumindest interessiert daran, die kostbare Krypta zu schützen. Glasabdeckung, Klimaanlage mit konstanter Temperatur und ein paar Informationen für Touristen, wie es zum Beispiel in Ungarn gang und gäbe ist, wo es mehrere frühchristliche Krypten gibt. Bisher konnten sich jedoch weder Kirche noch zuständige Museumsbehörden dazu durchringen, Gelder für den fachgerechten Schutz des kostbaren archäologischen Fundes, an dem immer noch gearbeitet wird, locker zu machen. So behalf sich Archäologe Zahariade mit einfachsten Mitteln selbst und ließ eine Art Schutzhütte aus Schilfbündeln um die Krypta errichten, die einigermaßen konstante Temperaturen gewährleistet. Den Schilf hat er aus eigener Tasche bezahlt...

Offenbar wird man in Rumänien aus Schaden immer erst hinterher klug: seit die kostbaren Dakerschätze aus Capâlna verschwanden, gibt es dort endlich einen Wächter. In Tartaria hingegen sammeln selbsternannte Hobbyarchäologen weiterhin ungehindert 7000 Jahre alte Keramikscherben auf dem Kartoffelacker, wo die vielleicht ältesten Schrifttafeln der Welt gefunden wurden. Daneben eine völlig ungeschütze Ausgrabungsstätte mit einem halb aus dem Erdreich ragenden Ofen.
Für den Rückkauf der Dakerschätze bezahlte der rumänische Staat sechsstellige Eurosummen. Ob nicht vielleicht rechtzeitige Maßnahmen zum Schutz vor Diebstahl und Zerstörung langfristig günstiger wären?