Allahs Paradies auf Erden

Alhambra – die rote Burg vor der Sierra Nevada

Die Verteidigungszitadelle Alcazaba ist der älteste Teil der Alhambra und geht auf das 11. Jahrhundert zurück.

Der Löwenhof gehört zu den meistfotografterten Motiven in der Alhambra.

Muhammad I. Al-Ahmar („der Rote“) begann 1238 den Bau der Nasridenpaläste.

Wasser ist das alles verbindende Element im Gartenparadies Generalife.
Fotos: George Dumitriu

Mit tränenverschleierten Augen schreitet er unter reichverzierten Arkaden zwischen zierlichen, weißen Marmorsäulen hindurch und wirft einen letzten, traurigen Blick zurück: Ungerührt plätschert das Wasser der vier Bäche durch die steinernen Rinnen zum Zentrum des Hofes, sprudelt aus den Mündern der zwölf Löwen hervor, ergießt sich in das kreisrunde, flache Becken. Die Tropfen tanzen unbeschwert und glitzern silbern in den Sonnenstrahlen. Die überirdische Schönheit dieses Ortes ist ungebrochen, als wäre nichts geschehen. Doch für ihn, den letzten Sultan, ist das Paradies Allahs auf Erden wohl für immer verloren...

Auf dem Weg von Granada zur Küste soll Muhammad XII, genannt Boabdil, auf einer Erhebung noch innegehalten, einen allerletzten Blick auf seine geliebte Alhambra geworfen haben und hemmungslos in Tränen ausgebrochen sein. „Weine nun wie eine Frau darüber, was du nicht zu verteidigen wusstest, wie ein Mann“ spottete seine Mutter, die ihn auf dem schmachvollen Abzug begleitete. Noch heute wird der Berg „Seufzer des Mauren“ (El suspiro del Moro) genannt.

Mit der Eroberung von Granada – dem letzten Sultanat auf spanischem Boden –  durch Ferdinand II. von Aragon fiel die stolze Festung nach fast  acht Jahrhunderten maurischer Herrschaft in die Hände der katholischen Könige. Nach Ferdinand hinterließ Karl V. (1500-1558) seine Spuren in der roten Festung. Doch die geplante Verlagerung der königlichen Residenz in die Alhambra wurde von der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus überlagert, die alle staatlichen Prioritäten verschob. Für Jahrhunderte geriet die Alhambra fast völlig in Vergessenheit. Diebe und Obdachlose nisteten sich in den verlassenen Mauern ein. Erst 1829, nachdem der amerikanische Schriftsteller Washington Irving mit seinen „Tales of the Alhambra“ eine romantische Begeisterungswelle auslöste, mehrten sich die Pilgerströme aus aller Welt. Heute gehört die 1923-1936  restaurierte Burg zum Unesco-Welterbe, gilt  als beeindruckendstes Beispiel maurischen Stils in der islamischen Kunst und ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Spaniens.

Überirdische Pracht und paradiesische Ruhe

Schon früh brechen wir auf, um pünktlich um 8.00 Uhr am Ticketschalter zu stehen, denn der Zugang für Besucher pro Tag ist streng limitiert. Die berühmten Nasridenpaläste kann man außerdem nur in einem  auf der Eintrittskarte vermerkten Zeitfenster besuchen.

Die Anlage der weitläufigen Festung besteht aus vier Teilen: die Generalife im Norden mit ihren üppigen, kunstvollen Gartenanlagen, dem Sommerpalast der Könige und der berühmten Wassertreppe lassen wir erst mal links liegen, laufen zielstrebig durch die Palaststadt im Zentrum mit dem Partal-Palast, dem Palast von Yussuf II, ihren Gärten und Türmen auf die drei Nasridenpaläste zu, an die im Süden der vierte und älteste Teil der Festung, die Verteidigungszitadelle Alcazaba, anschließt.

Nach kurzem Schlangestehen am Einlass - im März noch erträglich, aber in der Hochsaison ein brodelndes Inferno – finden wir uns wieder in einer verzauberten Welt. Eine Oase der Stille, durchbrochen nur durch das Plätschern des allgegenwärtigen Wassers - und das Klicken der Kameras. Verspielte Ornamente bedecken hier jeden Zentimeter der Säulen, Wände und Nischen: Holzschnitzereien, goldene Intarsien, leuchtende Keramikmosaike, kalligraphische Inschriften aus dem Koran oder von arabischen Dichtern, gewagte Stalaktitenkuppeln, die die sieben Himmel des islamischen Weltbildes symbolisieren...

Vom Myrtenhof, in dessen von den gleichnamigen Sträuchern gesäumten Wasserbecken sich siebenbogige, reichverzierte Arkadenreihen und der höchste Turm der Alhambra, der Torre de Comares, widerspiegeln, gelangen wir in den Löwenhof, das Herzstück des Palastes.  Im Zentrum des weitläufigen Steinplatzes speien zwölf im Kreis angeordnete Marmorlöwen Wasser aus vier Rinnen, den vier Flüssen des islamischen Jenseits. 124 schlanke Marmorsäulen verbinden den Hof mit dem Saal der zwei Schwestern, in dem vermutlich die winterlichen Frauengemächer lagen. Hier erreicht die Pracht ihren Höhepunkt. Verschlungene Wandinschriften geben Verse des Dichters Ibn Zamrak wieder: „Selig ist das Auge, das diesen Garten der Schönheit sieht“. Die Fenster und Balkone  sind mit filigranen Lochschnitzereien bedeckt, die das Sonnenlicht in wohldosierten Strahlen einladen, ohne den Blick auf das Dahinter freizugeben. Sie schützten einst  Haremsdamen vor verbotenen, glühenden Blicken. Das Gewölbe des Saals läuft in Form eines achteckigen Sterns mit 16 Strahlen aus und gilt mit über 5000 Hohlkehren als größte aller arabischen Stalaktitenwölbungen.

An den Bädern vorbei gelangen wir in den christlichen Teil der Festung. Schnell einen Blick in die Marienkirche und in den Palast Karl des V. geworfen, für dessen Bau  ein Teil der Nasridenpaläste abgerissen worden war. Viel zu eilig durch das sehenswerte, sehr schön gestaltete, darin liegende Kunstmuseum gehetzt, denn die Füße tun schon weh und es gibt noch so viel zu sehen! Doch bei der weitläufigen Anlage muss man Prioritäten setzen. Das Gartenparadies Generalife mit seinem im März noch nicht allzu üppigen Blumenmeer heben wir uns zum Schluss auf. Erst wollen wir den alten Teil der Verteidigungsanlage, die Zitadelle oder Alcazaba, erobern.

Trutzige Wehrtürme vor Rosenterrassen

Nach dem Durschreiten endlos langer  Mauerlabyrinthe klettern wir auf den Wachturm Torre de la Vela, um einen spektakulären Blick auf Granada zu erhaschen. Von der anderen Seite der Plattform bietet sich ein Ausblick auf die gesamte Anlage, die im 11. Jahrhundert zunächst als reine Verteidigungsfestung entstand. Am Pulverturm vorbei, gelangt man in den Mauergarten, von dem aus sich eine atemberaubende  Sicht auf die stets schneebedeckte Sierra Nevada bietet.

Ein Sandwich, ein paar Pflaster und eine neue Kamera-Speicherkarte, später durchqueren wir die gesamte Anlage wieder in Richtung Eingang. Auf dem Weg liegt das ehemalige Franziskanerkloster, heute das teuerste Parador-Hotel Spaniens. Links dahinter erstreckt sich die Generalife, wo vor allem im Sommer üppige Rosenterrassen, Zypressenalleen und Hänge voller blühender Sträucher überwältigen. Wir bestaunen zumindest Heckenlabyrinthe und blumengesäumte Becken mit Springbrunnen vor dem luftigen Sommerpalast. Auch hier ist Wasser das alles verbindende Element. Eine besondere Attraktion stellt eine Treppe mit Handläufen aus umgekehrten Dachziegeln dar, in denen das kühle Nass munter abwärts plätschert. In der Luft liegt der betörende Duft von Orangenblüten. Oder ist es das Parfüm der schönen Haremsdamen, das aus den mit Lochschnitzerei verzierten Fenstern über die Jahrhunderte hinweg bis zu uns hinüberweht?

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Tickets und Öffnungszeiten
Eintrittspreise:
 Für Erwachsene 14 Euro, für Rentner und Studenten (auf Ausweisbasis):
9 Euro.

Öffnungszeiten:
Vom 15. März bis 14. Oktober: 8.00-20.00 Uhr, vom 15. Oktober bis 14. März: 8.00-18.00 Uhr. Es gibt Morgentickets von  8.00-14.00 Uhr oder Nachmittagstickets ab 14.00 Uhr.  Abendbesuche und Sonderprogramm siehe Webseite.

 In der Hauptsaison kann wegen beschränkter Besucherzahlen eine Vorbestellung sinnvoll sein:
www.alhambra-patronato.es
oder Tel. (+34) 958 027 971