Auch für Arkeden geht wieder die Sonne auf

Ein fast vergessenes, abgelegenes Dorf. Ein Verein aus zehn Freiwilligen. „Schwarzes Gold“ aus dem Wald

Beeindruckend und gut erhalten: die Kirchenburg

Der Verein „Descoperă Archita“ kocht auch für Touristen.

Gheorghe Șilan bietet die Trüffeljagd als besonderes Abenteuer an.

Mit Köstlichkeiten aus Arkeden wurde dieses Jahr am 25. Juli die Haferlandwoche eröffnet. Fotos: George Dumitriu

Blick zur Orgel: Beruhigende, kühle Blautöne bestimmen das innere Bild der evangelischen Kirche.

Ein besonderer Augenschmaus: der Philippi-Altar aus dem Jahr 1777

Die blaue Wegwarte weist uns den Weg. Telekien leuchten flammend gelb. Wie rosa Säulen erheben sich die Malven in den azurblauen Himmel. Und ringsum endloses Grün. Noch ist der Weg nach Arkeden/Archita ein holprig-graues Schotterband, auf dem uns niemand begegnet. Wer fährt schon nach Arkeden? So manchen Touristen lockt die köstliche Abgeschiedenheit, manch anderen schreckt sie ab. Im Schritttempo umschiffen wir unzählige Schlaglöcher, freuen uns, dass der Auspuff immer noch dran ist und genießen die Landschaft...

Was Deutsch-Weißkirch/Viscri so attraktiv macht, ist für Arkeden (Kreis Mureș) noch ein Problem: Sehr einsam liegt das Dorf inmitten der Natur. Dabei stehen die Biodiversität, die bunten Häuserzeilen und die trutzige Kirchenburg dem berühmten Vorzeigedorf  um nichts nach. Zweistöckige Sachsenhäuser mit großem Hof und riesigen, aus Flusssteinen erbauten Scheunen am anderen Ende, die zusammen wie eine Festung einen Kreis um das Dorf bilden, zeugen von einstigem Wohlstand. Einzigartig und typisch für Arkeden, erklärt Michaela Türk vom Mihai Eminescu Trust (MET), der Verein, der sich auch um die touristische Wiederbelebung dieses Dorfes kümmert. Eigentlich würden sich die Scheunen für einen Ausbau als Unterkünfte eignen, so Türk, doch die Leute haben kein Geld. Der MET will einen  Rundgang um das Dorf anlegen, drei traditionelle Häuser wurden hierfür bereits restauriert, die Scheunen repariert und eine neu gebaut, um die Lücke im Kreis zu schließen. Die Kirchenburg wurde mit EU-Mitteln saniert. 
In der Broschüre des MET „Explorați Archita“ (entdeckt Arkeden) werden Fauna und Flora vorgestellt und Naturwanderwege zu anderen Dörfern beschrieben: In zweieinhalb Stunden gelangt man auf Schusters Rappen nach Radeln/Roadeș, in zwei Stunden nach Mihai Viteazu. 

Zentrale Attraktion: 
die Kirchenburg


„Die Sachsen sind alle weg“, bedauert die Burgführerin, die sich schlicht als Garofița vorstellt. Trotzdem hält Pfarrer Johannes Halmen noch einmal im Monat Gottesdienst in der evangelischen Kirche und alle vier Jahre gibt es ein lokales Sachsentreffen. „Alle haben sie ihre Häuser verkauft – aber manche bereuen es“, erzählt Garofița. 
Zentrale Attraktion ist die Kirchenburg mit einer im 13. Jh. errichteten Kirche, 1748 nach einem Brand im heutigen Stil wiederaufgebaut. Sie brilliert mit einer sieben Meter hohen doppelten Wehrmauer und sieben noch erhaltenen Türmen, vier innerhalb des Berings, drei außerhalb, ursprünglich waren es neun. Auf einen der Türme führt eine massive Treppe, aus einem einzigen Eichenstamm gekerbt. Ein anderer ist mit soliden Leitern ausgestattet und auf zwei Etagen einfachst möbliert. „Hier schlafen die Volontäre, die bei der Restauration helfen, am liebsten“, meint Garofița, „obwohl es im Dorf auch eine Pension gibt.“ Ein luftiges Gemach, statt Fenstern nur Fliegengitter, wo mögen sich die Burschen wohl waschen? Bis zum nächsten Jahr sollen alle Türme als Unterkünfte möbliert werden, plaudert sie munter weiter. Bei dem Brand, der das ganze Dorf zerstörte, schmolzen auch die drei originalen Glocken. 1850 wurden sie durch eine große und drei kleinere ersetzt. Letztere wurden im Ersten Weltkrieg konfisziert, 1923 neue gekauft. 

Die Natur verfolgt uns auch im Kirchhof: Auf der Außenmauer des Kirchturms wachsen in mehreren Büscheln rosa Löwenmäulchen empor.
Das Innere der Kirche beeindruckt durch schlichte Formen und helle Farben: Bänke, Säulen und Balkone in zweierlei Blau, eine funktionelle Orgel aus der Werkstatt von Samuel Maetz, deren Prospekt goldene Weinreben zieren. Der Altar aus dem Jahr 1777 mit zauberhaften Details - gedrehte Säulen mit filigranen Kapitellen und aparten Pflanzenrankenmotiven, ausdrucksvolle Schnitzfiguren, Gold auf mattem Grau, ist ein Werk von Meister Philippi aus Schäßburg/Sighișoara, wie auch die Kanzel . Das Taufbecken ziert ein Vögelchen, Symbol für den Heiligen Geist, und auf dem prachtvollen Kanzeldeckel thront ein Engel mit nur noch einem Flügel. Warum der Putz von der Nordwand abblättert? Garofița weiß auch darauf eine Antwort: Die Wand sei feucht vom Salz, denn im dahinterliegenden Turm wurde früher der Speck aufbewahrt. 

Schlemmen, Trüffeln „jagen”, Bärenwatch

Im Kirchhof werden erste Touristen vom Duft der dort aufgebauten Stände und Kessel angelockt. Nicht nur zur Haferlandwoche im Juli, an der Arkeden regelmäßig teilnimmt, vertreten durch den Verein „Descoperă Archita“, auch zu anderen Gelegenheiten demonstrieren die zehn Mitglieder gern ihre Kochkünste. Vereinspräsidentin Cătălina Moldovan zählt auf: Es gibt Lammeintopf, Wildschweingulasch, Spiegeleier mit geriebenen Trüffeln, Hausbrot, Holunderlimonade… In rumänischen Trachtenblusen und -hemden wird eifrig im Kessel gerührt, Brot geschnitten, gebrutzelt. Bunte Webteppiche zieren die steinernen Wände des Berings. Das Brot liegt im Flechtkorb mit blau besticktem Tuch. Auch wenn es den Verein, der  versucht, den Tourismus zu beleben, noch nicht lange gibt – unter Anleitung des MET hat man gelernt, wie man sich attraktiv präsentiert.

Neugierig hebt ein junger Mann ein Gebilde hoch, das zwischen den kulinarischen Köstlichkeiten liegt – ein Erdklumpen im Häkelkörbchen? Seine Begleiterin schnuppert an der runzligen Kugel. Eine Trüffel!  Tatsächlich findet man die schwarze Sommertrüffel in den Wäldern um Arkeden, wie Gheorghe Șilian erzählt. Nachdem er vor 25 Jahren als Gastarbeiter in Italien von der dort sehr beliebten und teuer bezahlten Erdfrucht erfuhr, befragte er die Alten in der Umgebung, ob sie diese kennen. „Natürlich, meinten sie, doch das sei kein eßbarer Pilz, man gab der Knolle einfach einen Fußtritt“, lacht Șilian. Mittlerweile stolzer Besitzer von fünf ausgebildeten Trüffelsuchhunden der Rassen Lagotto und Vizsla, kann er von der Suche nach dem „schwarzen Gold“ heute sogar leben. Außerdem bietet er für Touristen Trüffeljagden an (Facebook: Archita Hunt) und betreibt seit vier Jahren eine  Trüffelfarm. Ein paar Tausend Lei hatten ihn die Setzlinge - Eichen, Haseln und Hainbuchen, an den Wurzeln mit Trüffelsporen infiziert; nur wenige Pflanzen sind dafür geeignet – aus Italien gekostet. Auch Glück muss man haben: Zufällig hatte sein Grundstück den erforderlichen, außerordentlich seltenen Boden-pH-Wert von über 8. Die Plantage ist bereits zu 25 Prozent produktiv, freut sich der Witwer, der sie mit Sohn und Tochter alleine bearbeitet. 

Mit der Trüffelsuche in den Wäldern hatte Șilian begonnen, indem er sich mutig einen der teuren Trüffelsuchhunde kaufte. Mit diesem durchstreifte er die Wälder, monatelang ohne Erfolg, bis das Tier eines Tages mit der ersehnten Beute ankam. „Die Touristen kommen aus dem Ausland, aus Bukarest oder Temeswar, einmal brachte mir ein lokaler Fremdenführer eine Familie, von der ich später erfuhr, es sei die Frau des ghanaischen Botschafters in Frankreich mit ihren Kindern gewesen.“ Auf Wunsch bietet er auch ein Picknick im Wald oder im Anschluss an den Ausflug eine Mahlzeit mit den gefundenen Trüffeln an. Dann kocht die Tochter. Längst hat er sein touristisches Angebot auch auf Tierbeobachtungen ausgedehnt: Wer Bären, Hirsche oder Wildschweine in freier Wildbahn erleben will, kann sich von ihm führen lassen. „Doch geschossen wird nur mit dem Fotoapparat!“

„In Italien war ich eine Art Sklave“, bekennt der ehemalige Schäfer, der  aus purer Armut einen Job im Ausland gesucht hatte , wo er sich als Traktorfahrer oder Siloarbeiter verdingte. Heute beraten ihn italienische Fachleute, die sich als zukünftige Kunden bereits für seine Plantage interessieren. 
Wer Trüffeln aus Arkeden probieren, aber nicht selbst suchen möchte, kann sie neuerdings auch im Internet bestellen: auf der Facebook-Seite „bucate din vecinătate“ der Frauennachbarschaft in Keisd (mehr über deren Projekt zur Auslieferung lokaler Produkte in der ADZ, 14. August: „Mit Frauenpower frischen Wind ins Dorf gebracht“).
Auch wenn sich die Besucher zur Eröffnung der Haferlandwoche eher spärlich nach Arkeden verirrten - man spürt, es reift eine Chance heran für dieses Dorf. Im August wird zudem mit der Asphaltierung der Straße begonnen, wie Kreisratsberaterin Ionela Balaș zum Anlass freudig verkündete. Eine Straße, die dann den Zugang zur Kirchenburg von Dârjiu, im UNESCO Weltkulturerbe und gut besucht, auch vom Kreis Mureș aus erlaubt. Dann werden viele Touristen auch Arkeden auf dem Weg dorthin entdecken: die Kirchenburg, die Wanderwege, die Kochkünste des lokalen Vereins, die Sommertrüffeln, die blauen Wegwarten, gelben Telekien und rosa Malven.