Die Seele des Burzenlands entdecken

Tartlau und Honigberg – malerische Kirchenburgen, die man gesehen haben sollte

Die Kirchenburg Honigberg in der Sommersonne

Die Vorratskammern in der Ringmauer der Kirchenburg Tartlau

Ein Musiknachmittag im Rahmen der Konzertreihe „Diletto musicale“ in Tartlau. Im Hintergrund: der wertvolle Flügelalter.

Die Prause-Orgel und das Gewölbe in der Honigberger Kirche
Fotos: Christine Chiriac

Unlängst hat die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien unter dem Motto „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ den Kirchenburgenpass eingeführt, mit dem man 24 der schönsten Kirchenburgen besichtigen kann. Den Pass bekommt man gegen eine Spende von mindestens 50 Lei, dafür ist er bis Ende Oktober 2013 gültig und für die an siebenbürgischer Kultur Interessierten ein Muss.

Das Burzenland gilt insgesamt als die bestbesuchte Kirchenburgen-Gegend in Siebenbürgen und ist mit drei Baudenkmälern auf der Liste präsent. Allein die Schwarze Kirche in Kronstadt/Braşov zieht jährlich 180.000 Touristen und 20.000 Konzertbesucher an.

Doch auch kleinere Perlen warten in der Umgebung auf Entdecker: Die Kirchenburg Tartlau/Prejmer beispielsweise wird jährlich von etwa 35.000 Touristen besucht. Etwas weniger bekannt ist Honigberg/Hărman, ein Ort der die Reisenden mit einzigartiger Stimmung und adäquater touristischer Infrastruktur empfängt.

Tartlau – seit fünfzehn Jahren UNESCO-Weltkulturerbe

Eine etablierte Präsenz in den Touristenführern und wahrscheinlich die bekannteste Kirchenburg des Burzenlandes: Tartlau ist nicht nur sehr selbstbewusst in der Ausstrahlung und seit bald fünfzehn Jahren UNESCO-Weltkulturerbe, sondern auch sehr gründlich befestigt, und gilt als die Kirchenburg mit den stärksten Ringmauern landesweit. Diese sind 12 bis 14 Meter hoch, etwa viereinhalb Meter breit und bilden einen Ring von 72 Metern Durchmesser. Es lohnt sich, die Festung hautnah zu erleben, Schießscharten und Pechnasen inklusive, indem man einen Rundgang in der Mauer unternimmt. Der Wehrgang ist fast zwei Meter breit und führt ohne Unterbrechung um die ganze Burg herum. Ein gruseliges Detail für jene Besucher, die sich für mittelalterliche Kriegstechnik interessieren, ist die „Todesorgel“. Es geht um ein ausgeklügeltes Brett, das sich um seine Achse drehen lässt und für geschwinde Schüsse mit Ladeschießrohren auf beiden Seiten versehen werden kann.

Der Zugang zur Burg selbst gibt einen Eindruck von der Stärke des Verteidigungsbaus: Eine 32 Meter lange Torwehre, gesichert mit Fallgittern und schweren Holztoren, lässt ahnen, dass die Burg früher zahlreichen Gefahren ausgesetzt war. Die Vorburg, die durch eine Mauer mit dem Südwestturm verbunden ist, stammt aus dem 16. Jahrhundert und dient heute der evangelischen Kirchengemeinde A.B. Tartlau unter anderem als Veranstaltungsraum und Winterkirche.
Sehr grafisch wirken im Innenhof die Türen, Stege und Holztreppen der 272 Vorratskammern, die in der Ringmauer angebracht sind.

Die kleinen Räume sicherten im Laufe der Jahrhunderte das Hab und Gut der Tartlauer Familien und sind in mehreren Geschossen angeordnet. Manche davon hatten eine spezielle Funktion. Eine Ortssage berichtet beispielsweise von einer Kammer, die dem Krisenmanagement bei Eheproblemen diente. Eheleute, die sich trennen wollten, wurden hier eingeschlossen und mussten sich einen Teller, einen Löffel, einen Becher und ein Bett teilen – es soll nur wenige Tage derartiger Behandlung gedauert haben, bis man sich wieder versöhnte. Ebenfalls in der Burgmauer befinden sich zwei Räume, die als „Alte Schule“ bekannt sind. Der Schulbetrieb wurde selbst in Belagerungszeiten weitergeführt.

Die Tartlauer Kirche ist einmalig schön: aus ihrer Anfangszeit besitzt sie einen achteckigen Turm und drei gleichförmige Kreuzarme, die im 16. Jahrhundert um einen Kreuzarm reicher wurden. Die Decke ist von einem beeindruckenden Netzgewölbe überdeckt – doch das Schmuckstück der Kirche ist mit Sicherheit der Flügelaltar, der als ältester Siebenbürgens gilt und mit seinen raffinierten Linien, der edlen Einfachheit und den diskreten Farben bezaubert. Er wurde Mitte des 15. Jahrhunderts von einem Burzenländer Meister beidseitig bemalt und besteht aus dem Mittelbild, das das Kruzifix, Maria und Johannes zeigt, sowie acht Tafeln, auf denen Beweinung, Grablegung, Auferstehung, drei Frauen am Grab, Fußwaschung, Abendmahl, Christus vor dem Hohenpriester und die Geißelung zu sehen sind.
Lehrreich und informativ in Bezug auf das siebenbürgisch-sächsische Leben ist das kleine Museum, das in einigen der ehemaligen Vorratskammern eingerichtet ist. Hier kann man Wohn- oder Schlafzimmer-Ausstattung sowie Haushalts- und Küchenzubehör aus vergangenen Zeiten bewundern. Zudem gibt es ein Waffenzimmer, ein Schulzimmer und eine Ausstellungen landwirtschaftlicher Geräte.

Honigberg – so süß, wie der Name verspricht

Breite Straßen, die sternförmig von der Burg ausgehen, alte Apfel- und Walnussbäume, ein Storchennest mit vier jungen Bewohnern auf einem dicken Schornstein – die Stimmung ist auch in Honigberg friedlich und harmonisch, ganz passend zum Ortsnamen. Zu dessen Entstehung gibt es allerdings mehrere Erklärungsversuche. Auf einem unweit gelegenen Hügel soll es früher wilde Bienenschwärme gegeben haben, worauf der „Honig-Berg” zurückgeführt werden kann. Oder: Der Ortsname könnte aus der Urheimat mitgebracht worden sein, denn bei Aachen soll es einen „Honigberg“ geben. In der ältesten Urkunde aus dem Jahr 1240, wird die Ortschaft als „Mons Mellis“ (Berg aus Honig) erwähnt – damals verlieh der ungarische König Béla IV. dem Zisterzienserorden das Patronat über die Kirchen von Marienburg/Feldioara, Petersberg/Sânpetru, Honigberg und Tartlau. Die rumänische Benennung Hărman und der ungarische Ortsname Szászhermány werden vom Namen Hermann abgeleitet.

Die Kirchenburg, die ab Ende des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, hat gewisse Ähnlichkeit mit dem Bau in Tartlau. Die dreischiffige Basilika, ursprünglich Sankt Nikolaus geweiht, wurde in romanischem Stil begonnen und nach und nach mit Elementen der Gotik ergänzt. Eine Besonderheit sind die Vorratskammern, die nicht nur in der Ringmauer zu finden sind, sondern auch unter der Traufe, an das Mittelschiff geschmiegt. Der stolze, weiße Glockenturm hat acht Geschosse und wird von den Seitenschiffen flankiert.

Die Kirchenburg ist mit ihrer Fläche von rund 14.500 Quadratmetern und einem Umfang von 430 Metern eine der größten Siebenbürgens. Der ehemals dreifache Mauergürtel um die Kirche gibt einen Eindruck von der Baukunst der vergangenen Jahrhunderte, als man sich gegen die Gefahr der Belagerung selber zu helfen wusste. Die innere Ringmauer ist etwa zwölf Meter hoch und vier Meter dick, die sieben Türme sind an den Außenecken mit Mauern verbunden.

Beeindruckend ist der östliche Turm mit seinem geneigten Dach. Er beherbergt eine Kapelle, in der besonders wertvolle und erstaunlich gut erhaltene Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert zu sehen sind. Dargestellt in bunten Farben und mit filigranen, aussagekräftigen Gestalten ist das Jüngste Gericht in Form eines Lehrbildes zur Erlangung des ewigen Heils. Im Zentrum der Kapellenausmalung steht die Kreuzigungsszene, flankiert von einer Ständedarstellung und dem Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner.

Auch in Honigberg kann man durch Mauer und Türme auf dem Wehrgang wandern und nach außen durch die Pechnasen blicken. Am Ende der zweigeschossigen Torwehre erwarten den Besucher jedoch keine mit Schwert und Schild ausgestatteten Wächter, sondern ein freundlicher Burghüter, der gern auf Deutsch und Rumänisch Auskunft gibt.
Das einzige, was in der gut gepflegten Kirchenburg noch Entwicklungspotenzial aufweist, ist das kleine Museum, das in einigen Vorratskammern besucht werden kann.

Hier sind, wie in Tartlau auch, Gegenstände aus dem ehemals siebenbürgisch-sächsischen Alltag der Gemeinden zu sehen: ein Bett mit gesticktem Bezug, das früher sehr beliebte Kissen mit dem Spruch „Siebenbürgen süße Heimat“, eine bemalte Truhe, eine Nähmaschine, ein seltener, schöner Hängeschrank, ein Bügeleisen mit Kohle, sächsische Trachten, sogar ein Klassenzimmer mit alten Landkarten und winzigen Schulbänken. Mit Sicherheit wird auch das Museum bald einen ordentlicheren Eindruck hinterlassen, denn wie von der Webseite www.honigberger.com hervorgeht, ist die Evangelische Kirchengemeinde A.B. Honigberg recht aktiv. Auch kulturell: Honigberg steht mit seiner wertvollen Prause-Orgel und der guten Akustik auf dem Programm der Konzertreihe „Musica Barcensis“.