Durch Pulverschnee und Harsch

Zu Fuß oder auf Skiern die winterliche Berglandschaft in der Hermannstädter Umgebung entdecken

Licht und Schatten verleihen der Winterlandschaft einen besonderen Reiz.

Blick auf Răşinari und den Jungen Wald.

Aus dem Dunst hinter dem Götzenberg erheben sich die Fogarascher Berge.
Fotos: Holger Wermke

Ich muss zugeben, dass ich kein überschwänglicher Freund des Winters bin. Doch nach den Schneefällen der vergangenen Wochen reizte es mich, die Umgebung von Hermannstadt/Sibiu in dieser Jahreszeit zu erkunden. Das Zibinsgebirge/Munţii Cindrel und das Lauterbachgebirge/Munţii Lotrului bieten sich für Tagesausflüge an.

Prinzipiell sei es kein Problem, in die verschneiten Berge zu gehen, meint Iulian P²nescu. Der 30-jährige Hermannstädter ist professioneller Bergführer und kennt sich bestens aus. Mehr als ein halbes Jahr verbringt er pro Jahr in der Natur. Ihn zieht es auch im Winter hinaus. Allerdings ausschließlich privat. Touristen, die wandern möchten, sind in dieser Jahreszeit selten. Wer Wintersport mag, der fährt in der Regel zu professionellen Skianlagen. Dabei wartet in den Bergen auch ohne Lift und Musikbeschallung ein außergewöhnliches Naturerlebnis.

Wir starten unsere kleine Wanderung in Răşinari in der Mărginimea Sibiului. Die 5000 Einwohner zählende Gemeinde liegt nur knapp 10 Kilometer südwestlich von Hermannstadt und ist ein guter Ausgangspunkt für einen Ausflug. Wir folgen der Valea Caselor ein Stück hinauf. Gut 500 Meter hinter dem Dorf finden wir ein letztes Haus, wo wir das Auto parken. Von hier geht es los, allerdings nicht ohne vorher wasserdichte Gamaschen (parazăpezi) anzulegen und die Skistöcke auszufahren.

Absolute Stille

Mit ruhigen Schritten stapfen wir los. Wir folgen einer ausgetretenen Spur, die das Gehen erleichtert. Normalerweise führt hier ein markierter Wanderweg auf die Almen des Zibinsgebirges, aber die weiß-blauen Zeichen sind unter der Schneedecke verschwunden. Schon nach wenigen Minuten verklingen die Geräusche aus dem Dorf und wir tauchen ein in die absolute Stille des Winterwaldes. Unter unseren Stiefeln knirscht bedächtig der verharschte Schnee. Manchmal löst sich ein Eiskrümel und rollt säuselnd talwärts über die gefrorenen Schneeflächen.

Wer in diesen Tagen in die Berge geht, darf keine präparierten Wege erwarten. Mit etwas Glück sind Dorfbewohner zum Holzholen in die Wälder gefahren oder andere Wanderer haben den Weg gespurt. Auch unsere Spur verliert sich irgendwann. Knapp einen halben Meter stark ist die Schneedecke momentan im Zibinsgebirge. Hier voranzukommen, erfordert mehr Zeit und Ausdauer, als ich erwartet habe.

Wanderung gut planen

Iulian erklärt mir unterwegs, worauf man bei solchen Touren achten sollte. Am wichtigsten ist, den Zeitaufwand realistisch einzuschätzen. Das Stapfen durch den teilweise knietiefen Pulverschnee kostet Kraft. Man sollte bei der Routenplanung nicht vergessen, dass der Rückweg ebenso anstrengend ist, auch wenn man beim Abstieg wieder den vorgespurten Weg nimmt. Ebenso sollte man den frühen Sonnenuntergang berücksichtigen, wenn man nicht gerade unterwegs übernachten möchte. Prinzipiell sei auch das möglich. Mit einem guten Schlafsack könne ein Wanderer durchaus eine Nacht im Freien übernachten, oder in einer der Sennhütten.

Einige dieser Hütten erblicken wir auf unserem Weg. Idyllisch ragen die hölzernen Hütten aus der weißen Winterlandschaft. An den drei Hütten auf dem gegenüberliegenden Hang erkennen wir die Spuren von Skiern im sonst unberührten Schnee. Dort seien er und ein Freund vor Kurzem mit Langlaufskiern gelaufen, erzählt Iulian. Auf Skiern lassen sich die verschneiten Hänge leichter erklimmen, erfahre ich, auch abseits der Wege. Ausgestattet mit sogenanntem „Robbenfell“, synthetischem Leder, das an die Skier gebunden wird, komme man gut bergauf.

Schnee ist nicht gleich Schnee

Allerdings müssen für diese Art der Fortbewegung die Schneebedingungen stimmen. Lockerer Pulverschnee ist ideal, ebenso vernünftig verharschter Schnee. Die Schneeverhältnisse bei unserem Aufstieg sind jedoch alles andere als optimal. Nur die ersten drei Zentimeter sind gefroren, zu wenig, um uns oder einen Skifahrer zu tragen. Und so kämpfen wir uns langsam voran, immer auf der Suche nach halbwegs stabil aussehendem Schnee.

Das Gute an einer Wanderung im Winter ist, dass man die Kälte kaum spürt, zumindest so lange man sich bewegt. Zu dicke Kleidung ist deshalb genauso wenig angesagt, wie zu dünne. Am besten ist das so genannte Zwiebelschalen-Prinzip. Ein Hemd, ein Pullover und eine wasser- und winddichte Jacke sorgen für den nötigen Feuchtigkeitstransport nach außen, sowie für ausreichende Isolierung. Zur Sicherheit gehören in den Rucksack trotzdem ein Hemd zum Wechseln und ein zweites Paar Socken. Eine Jeans mag bei einer kurzen Tour noch gehen, besser ist aber auf jeden Fall eine Hose aus synthetischem Stoff.

Vorsicht vor Eisglätte

Acht geben sollte man auch beim Schuhwerk, wie ich am eigenen Leib erfahren musste. Wasserdichte, knöchelhohe Schuhe sind ein Muss, klar. Dazu ist eine möglichst steife Sohle sehr von Vorteil, wenn der Weg über vereiste Stellen in Hanglage führt. Im Gegensatz zu meinem Führer, der aufmerksam jeden Schritt setzt, übersehe ich die glatte Stelle, über die wir gehen müssen, weil eine Schneewehe den Weg unpassierbar gemacht hat. Prompt verliere ich den Halt und gerate ins Rutschen. Zum Glück habe ich noch die Stöcke, die ich instinktiv in das Eis ramme. So verhindere ich gerade noch, zehn Meter weiter unten in einem Bachlauf zu landen.

Hinterher erfahre ich, dass es ratsam ist, an solchen Stellen die Schuhsohlen kräftig in das Eis zu stemmen, was am besten mit möglichst harten Sohlen funktioniert. Glatte Passagen begegnen einem immer wieder bei einer Winterwanderung und können zu einigem Kopfzerbrechen führen. Glücklicher-weise bleibt dies unsere einzige Eisquerung an diesem Tag.

Kurz darauf erreichen wir den Bergkamm und folgen  ihm bis zu einer Sennhütte. Recht kühl bläst hier oben der Wind, so dass wir im Innern der 1937 erbauten Hütte unsere Rast einlegen. Die Decke aus Schaffell liegt da, als ob der Schäfer nur kurz hinaus gegangen wäre. Die kärgliche Hütte bietet wohl auch im Sommer nur den allernötigsten Schutz vor den Wetterunbilden. Kein Wunder, dass man sich mit einem Schluck aus der Bierflasche Ablenkung verschafft, von denen noch einige herumliegen.

Sieben Kilometer in vier Stunden

Nach der kurzen Pause machen wir uns an den Abstieg. Vorher genießen wir noch einmal den Rundblick. Östlich liegt der Götzenberg/Măgura Cisnădiei, hinter dem man die schroffen Felsen des Fogarascher Gebirges/Munţii Făgăraş im Dunst erkennt. Südlich erheben sich die bis zu 2200 Meter hohen Gipfel des Lauterbachgebirges, im Westen erkennen wir die Spitze des Onceşti, unterhalb derer die Hohe Rinne/Păltiniş liegt, der traditionelle Ausflugsort der Hermannstädter.

Von dort aus könne man ebenfalls eine Winterwanderung beginnen, meint Iulian. Zahlreiche Wanderwege beginnen und enden auf der Hohen Rinne. Als Ausgangsort für eine Wanderung bieten sich auch die anderen Mărginime-Dörfer an, wie Gura Râului, Sadu oder Sibiel. Sie alle bieten gute Bedingungen für vergleichsweise einfache Touren. Die Wege sind zudem relativ sicher. Abgesehen von den beschriebenen Eisquerungen muss man sich hier nicht vor Lawinenabgängen sorgen, wie es in den Fogarascher Bergen der Fall ist.

Mit den derzeitigen Wetterbedingungen kann man noch einige Wochen die Berge im Wintergewand erleben. In diesem Winter liege außerdem ungewöhnlich viel Schnee, meint der Bergführer. Nach gut vier Stunden bzw. 7,5 Kilometern kommen wir wieder im Tal an. Die Wanderung hat zwar noch immer keinen Winterfreund aus mir gemacht, doch habe ich mich zumindest mit den durchaus schönen Seiten dieser Jahreszeit versöhnt.

Mit oder ohne Bergführer

Wer Lust auf eine Winterwanderung hat, kann dies in der Hermannstädter Umgebung relativ problemlos tun. Voraussetzung sind vernünftige Kleidung, Gamaschen und Wander- oder Skistöcke. Eine Sonnenbrille ist empfehlenswert. Starten kann man beispielsweise in den Mărginimedörfern oder auf der Hohen Rinne. Wer die Wege nicht kennt, sollte eine Wanderkarte mitnehmen, die Wegmarkierungen sind derzeit oftmals unter Schnee begraben.

Natürlich kann man auch mit erfahrenen Führern in die Berge gehen. Kostenlose Touren bietet beispielsweise die  Hermannstädter Sektion des Siebenbürgischen Karpatenvereins. Individuelle Touren bieten in Hermannstadt beispielsweise private Bergführer wie Iulian Pănescu an.