Ein Halbtagesausflug nach Korinth

Kanal und Ruinen der antiken Stadt stehen in jedem Reiseprogramm

Der Kanal von Korinth trennt Festland-Griechenland von der Halbinsel Peloponnes.

Steinmauern und Säulenstümpfe – stille Zeugen des blühenden Korinth von einst.

Antikes Mosaikbild, ausgestellt im Museum von Korinth.
Fotos: Ralf Sudrigian

„Nicht jedermann kann sich eine Reise nach Korinth leisten“ oder „Nicht jede Sache ist die Reise nach Korinth wert“ oder „Verdorben wie ein Korinther“. Korinth hatte im Altertum unter Christen nicht den besten Ruf. Hohe Preise für Fremde und Luxusleben, gepaart mit Sittenverfall, mögen dafür Erklärungen seien. Heute kann man weiterhin Vergleiche wagen, wenn es um den Korinth-Kanal oder um die gleichnamige antike Stadt geht.

Der Korinth-Kanal für Kreuzschiffe

An der schmalsten Stelle der Landenge von Korinth, die im Osten den Saronischen Golf von dem westlichen Golf von Korinth trennt, gibt es seit gut 120 Jahren einen Kanal, der die Halbinsel Peloponnes theoretisch zur Insel macht. 6343 Meter ist er lang und am Grund rund 21 Meter breit. Die Steilwände bilden eine Neigung zwischen 71 und 77 Grad, so dass die Breite in Meereshöhe rund 25 Meter beträgt. Wer von der Straßenbrücke über den Kanal Fotos schießt, kann auch rund 80 Meter tief hinunter blicken.

Die Wassertiefe des Kanals liegt bei acht Metern. All diese technischen Daten kann man auf braunen Steintafeln samt anderen Erklärungen in drei Sprachen lesen: Griechisch, Englisch und Ungarisch. Die Sprache unseres westlichen Nachbarlandes kommt vor, weil der Bau von zwei ungarischen Ingenieuren geplant, organisiert und geleitet wurde: Istvan Türr (1825 – 1908) und Bela Gerster (1850 -1923). Am 6. August 1893 bei der feierlichen Eröffnungszeremonie dieser ingenieurwissenschaftlichen Meisterleistung des 19. Jahrhunderts beteiligte sich deshalb, außer dem griechischen König Georg I. und Königin Olga, auch der Kaiser der österreichisch-ungarischen Monarchie, Franz Joseph.

Auch heute beeindruckt dieser Kanal, vor allem wenn man ihn aus der sogenannten Froschperspektive, also von unten als Passagier einer Kreuzschifffahrt, betrachtet. Touristen gehören inzwischen zu den wichtigsten Kunden dieser Kanalstraße. Früher war sie eine willkommene Abkürzung für die Schiffe, die nicht mehr die rund 400 Kilometer um den Peloponnes herumfahren mussten. Heute aber sind die Schiffe größer und leistungsfähiger geworden, müssen demzufolge auch nicht mehr nahe der Küste verkehren, was recht gefährlich war. 1881 begann der Bau an diesem Kanal, zu einer Zeit, als der Suezkanal sich bereits als Erfolgsstory erwiesen hatte und der Panamakanal in Angriff genommen wurde. Die Bauzeit verzögerte sich, weil es Finanzierungsprobleme gab, die Griechenland anscheinend zyklisch heimsuchen. Aber neue Kredite und Philanthropen wie der Bankier Andreas Syngros sicherten letztendlich einen erfolgreichen Abschluss dieses Projektes, über das bereits in der Antike nachgedacht worden war.

Wie bei manch ehrgeizigen Vorhaben, so waren es auch im Falle des Korinth-Kanals selbstherrliche Tyrannen, die sich zutrauten, in die Geschichte als Bauherren pharaonischer Entwürfe einzugehen. Nach Caligula folgte Nero, der im Jahre 67 n. Chr. rund 6000 jüdische Sklaven an den korinthischen Isthmus beorderte. Die Bauarbeiten begannen gleichzeitig an den beiden vorgesehenen Kanalenden, ungefähr auf der Strecke, wo auch heute der Kanal entlangführt. Nero höchstpersönlich soll mit einer vergoldeten Schaufel den ersten Spatenstich getan haben.

Anderen Überlieferungen zufolge war es nur ein Schäufelchen Sand, das er in einen Korb warf. Fest steht, dass er drei Monate nach dieser Eröffnung (aber ohne Zusammenhang damit) Selbstmord beging und dass damit auch dieser Bauversuch endete.

Doch erst Jahrhunderte später, zur Zeit der Industrialisierung und nach der Erfindung des Dynamits, war die Zeit für einen erfolgreich beendeten Kanal reif. Heute sieht man Bäume und Büsche an manchen Stellen der zum Teil felsigen Kanal-Steilwände wachsen und fragt sich, wie es mit der Instandhaltung und Sicherheit der Schiffsdurchfahrt in dieser Krisenzeit bestellt ist.

Ruinen, Legenden und Touristen

Früher, vor allem in der römischen Antike, war Korinth wohl das, was wir heute eine Weltstadt nennen. „Multikultureller Schmelztiegel“ wäre die gängige Bezeichnung dafür. Griechen, Römer, Juden, Phönizier und andere Völker trafen sich oder lebten in dieser Stadt, wo reger Handel getrieben wurde und das Handwerk blühte. Noch weiter zurück in der Geschichte konkurrierte Korinth sogar mit Athen und Theben; dort wurden die Isthmischen Spiele ausgetragen. Helden der griechischen Sagenwelt wie Sisyphos und Jason werden mit Korinth in Verbindung gebracht. Wie die meisten griechischen Städte hatte auch Korinth eine „Hochstadt“: Akrokorinth – eine Bergburg auf der nahe gelegenen Erhöhung.

Einen Teil seines Weltrufes verdankt die Stadt der Bibel und dem Apostel Paulus, der nach seinem Athener Aufenthalt Anfang der 50-er Jahre des ersten Jahrhunderts dreimal die Stadt aufsuchte und dabei einmal ganze 18 Monate dort verbrachte. In dieser kosmopolitischen Stadt mit ihrer bunten ethnisch, sozial und religiös durchmischten Bevölkerung war es mit vielen Schwierigkeiten verbunden, die noch junge christliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Paulus schreibt von dort seine Briefe an die Römer und später richtete er seine Ratschläge und Bemerkungen an seine Freunde in Korinth in den zwei Korinther Briefen. Der Apostel, der als Zeltmacher sein Geld verdiente, soll sich auch vor dem römischen Prokonsul Gallio, Bruder von Seneca, verantwortet haben.

Dort, wo früher das Leben einer Metropole pulsierte, wo auf der prunkvollen Lechaion-Straße sich Kaufläden aneinanderreihten, wo Tempel, die Agora, die Bema-Rednertribüne, ein Amphitheater oder die Stoa standen, wo im Odeion Gesang- und Interpretationswettkämpfe liefen, wo beim Peirene-Brunnen Arkaden, Statuen und Schwimmbecken zu bewundern waren, gibt es heute ein Feld von Ruinen, mit Skizzen und Tafeln, die erklären, wie es einst aussah. Der Peirene-Brunnen hat gleich zwei Sagen, die eine Erklärung liefern wollen, wieso gerade hier eine Quelle entsprang: Peirene, Poseidons Geliebte, löste sich in Tränen auf als sie erfuhr, dass Artemis ihren Sohn Kenchrias unbeabsichtigt getötet hatte. Weniger Tragik beinhaltet die zweite Entstehungsvariante: Pegasus, das geflügelte Pferd, tat einen kräftigen Huftritt, als Bellerophon ihm Zügel anlegen wollte. An dieser Stelle sprudelte Wasser hervor, das in drei Schöpfbecken abfloss und in vier großen Zisternen gesammelt wurde.

Trocken und heiß ist es an diesem Augusttag. Touristengruppen folgen ihren Reiseleitern; andere erkunden auf eigener Faust den einen oder anderen Pfad. Weißer Marmor leuchtet in der kargen Vegetation auf; ein Archäologie-Student untersucht oder kopiert Inschriften im Schatten einer Zeltplane. Viele Touristen bevorzugen es, eher im kühlen kleinen Museum zu verweilen, mit seinem schattigen Innenhof, wo Vasen, Mosaikbilder, Wandmalereien, Skulpturen, Grabsteine, Münzen und andere Zeugnisse des antiken Korinth besichtigt werden können.

Korinth hatte in seiner jahrtausendealten Geschichte Höhen und Tiefen erlebt. Römische Herrschaft, später die Angriffe der Slawen, Byzanz, Kreuzzüge, Venezianer, Malteser Ritter, osmanische Herrschaft - dies sind nur einige der Etappen in der Geschichte einer Stadt, die letztendlich 1858 in Folge eines Erdbebens als bewohnte Siedlung aufgegeben wurde. Das neue Korinth liegt rund sechs Kilometer entfernt und hat heute 60.000 Einwohner – ist aber touristisch unbedeutend im Vergleich zum „wahren alten Korinth“, zu dem man auf der Straße gelangt, die durch die kleine Ortschaft Palaiokorinthos führt.

Sowohl den Korinth-Kanal als auch das antike Korinth kann man sehr gut von Athen aus an einem Vormittag oder Nachmittag besichtigen. Die Entfernung bis zum Kanal beträgt rund 80 Kilometer. Kurzausflüge mit Kleinbus und englischer Führung gibt es ab rund 60 Euro.