Eine Ermutigung, die Kleine Walachei zu entdecken

Oltenien bietet abwechslungsreiche Ziele für ganz verschiedene Geschmäcker

Der Verwaltungspalast von Craiova wurde zwar nicht von einem Franzosen entworfen, doch sein Architekt Petre Antonescu studierte an der École des Beaux-Arts in Paris.

Im National-Theater von Caracal soll auch George Enescu mehrere Konzerte gegeben haben.

Die Hängebrücke im Nicolae-Romanescu-Park in Craiova

Die Synagoge von Caracal, das einzige noch sichtbare Zeichen der 200-jährigen jüdischen Geschichte der Stadt. Laut eigenen Angaben sollen noch drei Juden in der Stadt leben.

Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Caracal. Im November 1940 forderten faschistische Legionäre die Juden unter Androhung von Gewalt zum Verlassen der Stadt auf. Es blieb nicht bei Drohungen und die jüdische Bevölkerung verließ die Stadt. | Fotos: der Verfasser

„Schau dir diese heilige Schönheit an. Oltenien, das Land der guten Menschen. Eine Faust aus fünf Landeskreisen. Das Zentrum der uralten Glut“, heißt es in der musikalischen Liebeserklärung „Oltenia, Eterna Terra Nova“ an die Kleine Walachei und ihren Fußballverein Universitatea Craiova.

Von inländischen wie ausländischen Touristen in der Regel übergangen und auch in Reiseführern oft nur der Vollständigkeit wegen erwähnt, hat die Region zwischen Karpaten, Donau und Alt doch eine ganze Reihe an abwechslungsreichen Zielen für ganz verschiedene Geschmäcker. Sei es ein Erholungsurlaub in Băile Olănești, ein Kulturausflug zur UNESCO-Welterbestätte, dem Kloster Horezu, in Romanii de Jos oder eine Weinverkostung auf dem Gut Știrbey. In Oltenien lassen sich verlassene Dörfer entdecken und hier finden sich auch noch zahlreiche der repräsentativen Monumente an Ortseinfahrten, die einst von lokalen Künstlern gestaltet wurden. Im Folgenden sollen allerdings der Nicolae-Romanescu-Park in Craiova sowie die verbleichende jüdische Vergangenheit von Caracal vorgestellt werden.

Der Nicolae-Romanescu-Park in Craiova

Das älteste nicht-religiöse Gebäude der Stadt, Casa Băniei, ließ Constantin Brâncoveanu 1699 als Residenz für seine Vasallen bauen. Bereits 1491 war der Sitz des Ban (Herrscher) von Strehaia nach Craiova verlegt worden. Das „Haus des Ban“ war später auch Sitz der habsburgischen Verwaltung und beherbergt heute das Ethnografische Museum. Es markiert gewissermaßen den Aufstieg der Stadt zum Zentrum der Region. Während der österreichischen Herrschaft (1718-1738) erfolgte zwar eine kurzzeitige Degradierung der Stadt, mit der Vereinigung der beiden Fürstentümer Walachei und Moldau (1859/1862) erlebte Craiova dann allerdings einen neuen Aufschwung. Der Großteil der historischen Architektur stammt aus der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Dazu zählen der neoklassizistische Justizpalast, der nach dem Zweiten Weltkrieg das Hauptgebäude der Universität wurde, der neogotische Palast des Großgrundbesitzers Ioan C. „Jean“ Mihail und auch der von Petre Antonescu entworfene neorumänische Verwaltungspalast.

Am südlichen Rande dieses alten Craiovas wurde zur Jahrhundertwende auch der Nicolae-Romanescu-Park – damals Bibescu-Park – auf dem ehemaligen Anwesen der gleichnamigen Bojarenfamilie geschaffen. Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass es sich dabei um die schönste Parkanlage des Landes handelt. Auf einer Fläche von rund 90 Hektar ist der Park ein Ort der Erholung, Kultur und sportlichen Betätigung zugleich. Seine Pläne stammen von dem französischen Landschaftsarchitekten Édouard Redont und wurden sogar im Rahmen der Weltausstellung in Paris (1900) prämiert: Die entsprechende Medaille befindet sich im Oltenischen Museum für Geschichte und Archäologie. Ihre Umsetzung erfolgte zwischen 1897 und 1903 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Nicolae Romanescu.

Redont lieferte zur gleichen Zeit auch die Pläne für den Carol-Park in Bukarest, den Trivale-Park in Pitești sowie den Badeort Mamaia. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die rumänische Elite die große lateinische Schwester im Westen entdeckt, welche in der Folge zu einem entscheidenden Katalysator der emanzipatorischen Modernisierung des Landes werden sollte, Frankreich sollte für mehrere Generationen die größte Liebe der rumänischen Elite bleiben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren dann etliche Architekten aus Frankreich und der Schweiz in Rumänien tätig: Der bereits erwähnte Palast von Jean Mihail wurde von Paul Gottereau aus dem südfranzösischen Perpignan entworfen, der auch für das Schloss Cotroceni und das Hauptgebäude der Universitätsbibliothek in Bukarest verantwortlich zeichnet.

Zu den zentralen Elementen des Parkes gehören das „verzauberte Schloss“ (Castelul Fermecat), welches tatsächlich als Wasserturm funktionierte und heute einen Gastgarten beherbergt sowie die imposante, knapp 50 Meter spannende Hängebrücke über einen künstlichen See, der im Sommer mit Tretbooten und im Winter mit Schlittschuhen befahren werden kann. Zwischen improvisierten Hügeln und Tälern wurden überdies zahlreiche Baumarten akklimatisiert, die in Rumänien aufgrund der klimatischen Bedingungen ansonsten nicht zu finden sind. Heute ist der Park zudem Ausstellungsort für die Skulpturen rumänischer Künstler.

Für wenige Monate beherbergte der Park auch eine Statue Stefans des Großen. Der damalige Bürgermeister von Chișinău hatte sie kurz vor dem Rückzug der rumänischen Armee aus Bessarabien im Frühjahr 1944 abbauen und nach Craiova transportieren lassen. Bereits ein Jahr später wurde sie allerdings an die Sowjetunion zurückerstattet. Unweit des heutigen Haupteinganges, dessen Portal erst zwischen 1954 und 1956 im Rahmen von Modernisierungsarbeiten errichtet wurde, befindet sich mit dem Sommertheater ein beliebter Ort für Kulturveranstaltungen. Im südlichen Bereich des Parkes liegen darüber hinaus ein Hippodrom sowie ein Velodrom und auf den insgesamt 35 Kilometer langen Wegen lässt sich ausgezeichnet joggen.

Die jüdische Vergangenheit von Caracal

Knapp eine Autostunde südöstlich von Craiova liegt Caracal, der mit 30.000 Einwohnern bedeutendste Ort der Romanați-Tiefebene. Die geografisch günstige Lage als Wegkreuzung an der West-Ost-Achse zwischen Craiova und Roșiori de Vede/Bukarest sowie der Nord-Süd-Achse entlang des Alt hat ihn bereits in früheren Jahrhunderten zu einem Handelsknoten von regionaler Bedeutung werden lassen. Analog zu Craiova stieg mit der Vereinigung der beiden Fürstentümer Moldau und Walachei auch die Bedeutung von Caracal. Zeugen dieses Aufbruchs sind der Justizpalast (1897) und das National-Theater (1901), welches 1987 durch einen Brand zerstört wurde und erst 2008 wieder geöffnet werden konnte. Zwischen 1859 und 1899 stieg die Einwohnerzahl von 5638 auf 12.947.

Das Bestehen einer kleinen jüdischen Gemeinde ist seit 1838 dokumentiert. Sehr wahrscheinlich kamen die ersten Juden allerdings schon Ende des 18. Jahrhunderts als Kaufleute und unter österreichischem Schutz in die Stadt. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wuchs die überschaubare Gemeinde auf etwas über 200 Personen an. Der Bau der neoklassizistischen Synagoge erfolgte 1902. Sie liegt etwas zurückgesetzt in der Str. Plevnei, wobei der Zugang über Str. Sergent Grigore Ion erfolgt, im Zentrum des ehemaligen jüdischen Viertels. Im Gegensatz zum bescheidenen Äußeren ist das Innere der Synagoge reich verziert, ein spontaner Besuch allerdings nicht möglich.

Weit entfernt, bereits etwas außerhalb der Stadt, befindet sich der jüdische Friedhof mit einer kleinen Kapelle. Eine regelmäßige Wartung findet nicht mehr statt, vielmehr scheint sich das Grundstück ein Einheimischer angeeignet zu haben. Beim Besuch des Friedhofes mit einem Stadtangestellten graste eine Kuh zwischen den Gräbern. Durchaus überraschend wurde die letzte Person hier erst 2014 bestattet. Zu den ältesten Grabsteinen gehören hingegen die von Isac Silberman (1883) und Ilie Steiner (1898). Die allermeisten Inschriften sind in rumänischer oder hebräischer Sprache, eine Ausnahme bildet lediglich der Grabstein von Fani Körnbach, auf dem in deutscher Sprache um die Ruhe in Frieden des Kindes gebeten wird. Aufmerksamkeit erregt auch der Grabstein ohne Todesjahr von Marko Mony Guberek, der 1919 in Polen geboren wurde und den Holocaust überlebt hat.

Die letzten Reste des jüdischen Viertels sind spätestens mit der städtebaulichen Umstrukturierung ab 1980 verschwunden, sodass der Friedhof und die Synagoge heute die einzigen Zeugen der rund 200-jährigen jüdischen Geschichte der Stadt sind. Eine sehr kleine jüdische Gemeinde existiert heute nur noch in Craiova. Hier liegt der jüdische Friedhof unweit des katholischen und evangelischen Friedhofes. Auch Oltenien hat eine multikulturelle Vergangenheit. Es gibt einiges zu entdecken zwischen Donau, Alt und Karpaten – in Oltenien, der lateinischen Provinz, dem Land, das Michael den Tapferen hervorgebracht hat.