Elixier der Freude, Nektar des Trosts

Geschichte und Geschichten über die Bedeutung des Rebensaftes im Weinmuseum von Hârlău

Das Weinmuseum in Hârlău, ein altes Bojarenhaus – hier wohnte Tăutu, der Kanzler von Stefan dem Großen.

Nea Ion, der Töpfer – aus Wachs

Einen Pflug bekam unters Kissen, wer sich mit dem Sterben schwer tat.

1. Raum, „Geburt“: Der „comoraş“, eine Art Schatzmeister, führte die Folkloregruppe an, trieb böse Geister aus - und Geld ein.

2. Raum, „Hochzeit“: Diese zeitlos schöne Aussteuertruhe würde sich mancher auch heute noch ins Wohnzimmer stellen.

3. Raum, „Tod“: Opfergefäße aus schwarzem Ton, mit weißer Kreide verziert, aus denen ein Baum mit dem Seelenvogel wächst. Nach Gebrauch musste man sie zertrümmern, damit auch das Unglück zerbricht.
Fotos: George Dumitriu

Um ihn ranken sich Legenden und Bräuche. Von der Geburt bis zum Tod weicht er nicht von des Menschen Seite. Ihm verdanken wir höchstes Glück, auf Taufen oder Hochzeiten darf er nicht fehlen. Ihm zuliebe schuftete der Mensch in Gärten, töpferte Becher und Krüge, zimmerte Fässer und Pressen, errichtete steinerne Keller. Und nur er versüßt uns den Abschied, tröstet hinweg über den Verlust unserer Lieben, nährt den Traum vom ewigen Leben. Im Bojarenhaus des Kanzlers von Stefan dem Großen, Ion Tăutu, war dies nicht anders. Dort ist dem kostbarsten aller Säfte bis heute ein besonderes Andenken gewidmet - dem Wein.

Im Wein liegt die Wahrheit. Wie diese einst ausgesehen hat, tief verankert in den Bräuchen des moldauischen Volkes, erzählt das Weinmuseum von Hârlău (Jassy/Iaşi). Auf zwei Etagen erstreckt sich die Geschichte dieses Lebens: oben der Alltag, auf drei Zimmer verteilt - Geburt, Hochzeit und Tod. Unten im Keller die Arbeit: Werkzeuge, Weinpressen, Fassbinder-Werkstätte und Töpferatelier. Zum Schluss kann man sich einen edlen alten Tropfen aus dem Hause Cotnari als Souvenir mitnehmen. Die Flasche voll Erde, ohne Etikett. „Nicht am Glas anfassen“, warnt der Museumsführer, „das mindert den Wert.“ Wir können ihm nicht widerstehen, dem Rebensaft, wie sollten wir auch? Jahrtausendelang begleitete Wein den Menschen durch Freude und Leid. Soll er auch unsere Reise versüßen. Und das tut er, gewaltig, wie wir später feststellen: aromatisch ist er, aber eben auch sehr süß.

Im Weinmuseum landeten wir zufällig auf der Fahrt von Jassy nach Boto{ani, Ziel war eigentlich die frisch restaurierte Synagoge von Hârlău, doch die muss man erst mal finden. Ein verlorener Blick aus dem Autofenster... Was ist das dort für ein schmuckes Häuschen? Die Pause ist willkommen, die Kamera wird gezückt. Museumsführer Gheorghiţa Tincu öffnet bereitwillig die Türen für eine Tour durchs ganze Leben, von der Geburt bis zum Tod, erst durch die obere Etage aus dem 18. Jahrhundert, dann durch das Kellergewölbe aus dem 15. Jh.

Ankunft: Geburt und Taufe

Im ersten Saal geht es um den Lebensbeginn: In der Holzwiege, die vom Plafond baumelt, stellen wir uns den neuen Stolz der Familie vor, den Schreihals, der „begossen“ werden muss. Es wird Hora getanzt, gesungen und Wein getrunken, in traditionellen Trachten natürlich, für die Männer darf der breite Ledergürtel („chimir“) nicht fehlen. Ein Kostüm ähnelt stark dem Urzelanzug, wie man ihn aus Agnetheln/Agnita kennt, bemerkt der Museumsführer. Es ist das Kostüm des Zeremonienmeisters („comoraş“), der die Folkloregruppe leitet und das Geld einsammelt. Bestimmt musste er auch böse Geister vertreiben. Heilige Rituale sollen den Neuankömmling auf Erden schützen. Die Utensilien, die man dafür braucht, sind hier zusammengetragen: Pokale, Kreuz und Weihwasser-Gefäß. Dass bei all dem kräftig Wein getrunken wurde, verraten die Motive auf den traditionellen Webteppichen („scoarţa“, heißt eigentlich Baumrinde).

Höhepunkt: Hochzeit

Ein Zeitsprung durch die Tür führt in den nächsten Saal: Hochzeitsfeier! Das Horn des heiligen Nikolaus kündigt das fröhliche Ereignis an. Zuvor aber musste der Kuppler und Zeremonienmeister („vornicul“) heftig verhandeln. Die riesige, wunderschöne Aussteuertruhe mit Schnitzereien, die Weinflaschen und Becher darstellen, lässt erahnen, welche Schätze die Braut neben Bettwäsche und Laken noch mit in die Ehe brachte. An der Wand baumelt eine Art Dudelsack mit Fell, typisch für die Moldauregion. Das Instrument, das klagende bis ohrenbetäubend kreischende Töne ausstößt, nennt sich „cimpoi“ und durfte früher auf keiner Hochzeit fehlen. Ebenso wenig wie die Leier, die Trommel und die Flöte. Hochzeitsgäste zeigten ihren Status durch bestickte Tücher: für die Paten („naşi“) gibt es ein spezielles Tuch („prosop“), die Mädchen tragen feine Taschentücher („năframe“) - wir bestaunen die Modelle von „Domnişoara Tincuţa“ und „Domnişoara Paraschiva“. Die Braut hüllt sich in einen hauchzarten, transparenten Schal, eine Art Schleier, den man „maramă“ nennt. Den Höhepunkt der Zeremonie bilden die beiden Kronen („cununiile“), die dem Brautpaar bei der orthodoxen Trauung aufgesetzt werden. Der Zeremonienmeister trägt die Weinflasche („ploscă“) um den Hals und nimmt alle paar Meter einen Schluck. Er hat es sich verdient nach dem Schachern, den Einladungen und der Organisation der Feier.

Abschied: der Tod

Nur eine Schwelle trennt uns vom nächsten Lebensabschnitt: dem Tod. In einem Bett liegt ein seltsamer hölzerner Gegenstand unter dem Kopfkissen. Ein Pflug, wie der Museumsführer erklärt! Den legte man jenen unter, die „den Geist nicht abgeben wollten“, die sich quälten, denen man den Weg ins Jenseits ebnen musste.

Drei Tage wachten jede Nacht die „priveghi“ am Kopfende des Verstorbenen – und trieben dabei allerlei Schabernack: Nickte jemand bei der Nachtwache ein, band man ihm die Füße zusammen – was für ein Schreck beim Erwachen! Der Geist des Toten wird’s gewesen sein, lacht man dann und trinkt reichlich Wein. „Ein dakischer Einfluss“, meint Gheorghiţa Tincu. Und erklärt, wofür man die ausgestellte Maske brauchte: Die musste der Urheber des Schabernacks aufsetzen, damit der Verstorbene nicht merkt, wer hier an seinem Totenbett Unfug treibt.
Ein schwarzer Webteppich von 1861 drängt sich ins Blickfeld: Aus schwarzen Gefäßen wachsen Pfähle – Lebensbäume, an deren Spitze je ein Vogel thront. Hier treffen wir den Seelenvogel wieder, der auch Szeklertore und Grabpfähle in Siebenbürgen zierte (ADZ vom 19.11.2017: „Auf den Schwingen des blauen Vogels“). Auch ein dakisches Überbleibsel? Tincu ist sich nicht sicher. Dafür kennt er die 24 Grenzen, die die Seele bis ins Jenseits überwinden muss, freilich nicht ohne überall zur Kasse gebeten zu werden. Fast wie bei den alten Griechen... Zum Begräbnis wird natürlich ebenfalls zu Ehren des Toten reichlich gegessen und gebechert („pomană“), und zwar aus speziellen Gefäßen aus rauchgeschwärztem Ton („moşoaicele“), die anschließend zerbrochen werden, um das Unglück zu vertreiben. Schwarz wird der Ton durch Brennen unter Ausschluss von Sauerstoff, die Technik wird heute noch in Marginea angewandt. Der Grabbaum ist mit kleinen Broten geschmückt, sie sichern die Versorgung im Jenseits. Brot gilt aber auch als Symbol des Lebens, des Weiterlebens der Seele. Eine Leiter zur Überwindung der Grenzen („vămile văzduhului“) darf im Aufbahrungsraum nicht fehlen - im orthodoxen Christentum wird sie mit der Jakobsleiter gleichgesetzt. Jede Stufe symbolisiert eine Tugend, die es auf dem Weg ins Himmelreich zu meistern gilt.

Alltag: Arbeit

Die übrigen Säle befassen sich mit verschiedenen Teilaspekten des Lebens: Im Saal des Wirtshauses kann man Trinkmaße, Fässer und Feldflaschen, Transportgefäße oder die Trachten der Wirtsleute bestaunen. Im Haushaltssaal geht es ums Kochen und Wäschewaschen, letzteres geschah mit Nussholz-Asche. Die Asche von Weinstöcken hingegen galt als Medikament.
Im Keller geht es richtig an die Arbeit: Riesige Pressen, auch auf Rädern, ein ausgehöhlter Baumstamm zum Zerstampfen der Trauben mit den Füßen („călcătorul“), Fässer für Wein und Essig illustrieren das Leben der Weinbauern.Auf dem Weinberg schnitt man Stecklinge mit einem speziellen Messer („cosor“), dass dem typischen Dakermesser gleicht. Vogelscheuchen und kleine Tonpfeifen sollten Vögel und böse Geister vertreiben.

Eng verbunden mit dem Weinbau war das Töpferhandwerk: über 27 Meister gab es in der Region, jeder mit eigenem Stil. Nea Ion, lebensecht aus Wachs nachgebildet, formt vielleicht gerade eine Wanne zum Baden eines Neugeborenen, die einen guten Klang haben musste, damit sich die Stimme des Kleinen beim ersten Schrei schön entfaltet. Oder ein rituelles Totengefäß - oder einfach nur einen Trinkbecher? Den brauchte man hier immer, in jeder Lebenslage.