Geheimtipp für Naturfreunde im Kreis Bihor

Vadu Crișului bietet jede Menge Sehenswertes das ganze Jahr über

Eine Betonbrücke ermöglicht es, die Schnelle Kreisch zu überqueren und zu entscheiden, ob man zum Wasserfall am rechten Ufer entlang der Eisenbahnlinie oder durch den Wald am linken Flussufer gelangen möchte.

Von den Felsen aus genießt man einen wunderschönen Panoramablick auf die Kreisch-Klamm.

Das Haus des Drachens sieht man in der Ferne, wenn man entlang der Eisenbahnlinie in Richtung Höhle spaziert. Nicht weit davon entfernt befindet sich der sogenannte „Teich ohne Grund“, ein sumpfiger Teich, in den man lieber nicht hineinrutschen sollte.

Der Wasserfall im Piatra-Craiului-Gebirge, der aus der Höhle bei Vadu Crișului entspringt, ist ein Touristenmagnet.
Fotos: Facebook/Raul Adrian Photography

Der Ort der Kindheit lässt für viele von uns, die in den 80ern geboren wurden, angenehme Erinnerungen  wach werden. Die meisten von uns wurden damals von den Großeltern aufgezogen. Wenn dies auch noch auf dem Dorf geschah, durfte man sich besonders freuen, denn die Freiheit, die man auf dem Lande genießen konnte, die kennen Stadtkinder nur aus Büchern. Was ist schöner für ein Kind, als viel Zeit draußen an der frischen Luft zu verbringen und sorglos zu spielen? Meine schönsten Erinnerungen an die Kindheit  verbinde ich mit einem Ort, an dem ich mich in den Sommer- und Winterferien aufhalten durfte: Vadu Crișului.

Vadu Crișului im Kreis Bihor hat sich heute zu einer touristischen Attraktion entwickelt. An diesem Ort soll sogar König Carol II. von Rumänien (1893–1953), der von Paris via München nach Bukarest fliegen wollte, am 6. Juni 1930 notgelandet sein.

Vadu Crișului ist eine 3000-Seelen-Gemeinde, etwa 50 Kilometer von Großwardein/Oradea und 100 Kilometer von Klausenburg/Cluj-Napoca entfernt. Um ins Gemeindezentrum zu gelangen, muss man von der europäischen Straße E60, die Großwardein mit Klausenburg verbindet, nach rechts abbiegen. Das Dorf Vadu Crișului befindet sich am Ausgang der Schnellen Kreisch aus der Kreischklamm. Das rumänische Wort „vad“ und das ungarische Pendant „rév“ bedeutet soviel wie „Stelle, wo das Ufer niedrig und das Wasser seicht ist“, sodass man den Fluss zu Fuß überqueren kann. Das Vad-Tal/Depresiunea Vadului schließt das Dorf in seinem südöstlichen Teil ein.

In Vadu Crișului gibt es das ganze Jahr über vieles zu sehen und zu unternehmen. In der warmen Jahreszeit, wenn das Wetter angenehm ist, zieht es zahlreiche Bergsteiger dort hin. Immerhin befindet sich in  dieser Gegend einer der wenigen Bergsteigerpfade des Typs „Via Ferrata“ in Rumänien, eine Route mit dem Schwierigkeitsgrad B, die aber auch von Amateur-Bergsteigern bewältigt werden kann. Zwischen der Kleinstadt Șuncuiuș und Vadu Crișului befindet sich auf einer Strecke von rund drei Kilometern ein besonders spektakulärer Teil der Klamm. Die Felswände verlaufen meist gerade, sind steinig und erreichen Höhen von bis zu 100 Metern. 

Um zur Via Ferrata zu gelangen, muss man vom Sportplatz am Rande der Ortschaft entlang der Eisenbahnlinie spazieren, am Haus des Drachens (Casa Zmeului – der ehemalige Salzzoll, erstmals 1256 dokumentarisch erwähnt) vorbei, dann stößt man auf der linken Seite auf einen Kiesweg, der in den Wald führt. Dies ist der Zugang zur Via Ferrata. Die Via Ferrata wurde 2015 an der Feenwand eingerichtet und darf nur von unten nach oben erklommen werden. Die Route beim Haus des Drachens ist sogar einen Tick schwieriger und bietet außerdem Zugang zu einer Hängebrücke, die nichts für Höhenängstliche ist.

Wer keine Bergsteigererfahrung besitzt, kann einfach entlang der Eisenbahnlinie schlendern und stößt dort auf die bislang bekannteste Attraktion der Gegend: die Höhle mit dem Wasserfall von Vadu Crișului. Wer schon mal den Bigăr-Wasserfall im Naturpark Nera-Klamm gesehen hat, der weiß, wie viel von der Werbung gute Fotografien ausmachen. In Vadu Crișului hingegen können Touristen nicht nur auf den Kameraknopf drücken, um den neun Meter hohen Wasserfall für die Ewigkeit festzuhalten, sondern sich auch in die Höhle, aus der der Wasserfall entspringt, begeben. Seit 1955 ist die Höhle mit dem Wasserfall und dem gesamten Tal ein Naturreservat. Die Höhle wurde 1903 durch die Dynamitsprengung des Eingangs von Czárán Gyula eröffnet und ist seit 1969 beleuchtet. Ein Reiseführer begleitet die Touristen ins Innere, wo zahlreiche Stalaktiten und Stalagmiten bewundert werden können. 680 Meter der 2,7 Kilometer langen Höhle können zu Fuß erkundet werden.  Ein betonierter Weg führt durch die beleuchteten Galerien.

Wer sich die Höhle angeschaut hat,  kann nun entlang des linken Ufers der Schnellen Kreisch durch den Wald ins Dorf zurückkehren. Diese Strecke nutzen auch viele Camper, um ihre Zelte aufzuschlagen. Einen angelegten Campingplatz gibt es ein bisschen weiter flussabwärts, wo den Touristen Holzhäuschen zur Verfügung stehen. Auch zwei größere Pensionen warten auf Gäste: „Roua Munților“ befindet sich am Dorfrand in unmittelbarer Nähe des Fußballfeldes und der Sporthalle, nicht weit davon entfernt, neben der Zughaltestelle (Halta Vadu Crișului), liegt die Pension „Corimen“. Die Übernachtungspreise beginnen bei 75 Lei pro Nacht im Doppelzimmer.

Menschen, die ihren Adrenalinspiegel gern steigen lassen, können Rafting auf der Schnellen Kreisch probieren, sich dem Bogenschießen widmen oder Paintball spielen – beliebte Team-Building-Aktivitäten heute. Wer es lieber gemütlich mag, kann einfach seine Angel hervorholen. Achtung jedoch: Versuchen Sie nicht, die Schnelle Kreisch zu überqueren, auch wenn das beim ersten Blick nicht so schwer erscheint. Wenn der Staudamm geöffnet wird, steigt der Wasserpegel sehr schnell an, was auch für geübte Schwimmer gefährlich werden kann, denn das Wasser reißt einen regelrecht mit.
Gerade im Sommer wird die Gegend um Vadu Crișului von zahlreichen Naturliebhabern aufgesucht. Diese können Wanderungen im Wald unternehmen, die Felsen (rum.: „stani“) besteigen oder sich auch mal auf den kleinen Berg auf der linken Seite der Kreisch wagen, „Codrișoara“ genannt, wo eine Roma-Kolonie lebt und man einen wunderschönen Panoramablick über das Tal genießen kann.  

Wer sich im Winter hierher wagt, darf ein bisschen Tradition hautnah erleben. Am Morgen des 24. Dezembers gehen die „Sternsinger“ von Haus zu Haus, um „Frohe Weihnachten“ zu wünschen, gegen Mittag sind die den kleinen Kindern Angst einflößenden Pelzmänner, auf Rumänisch „bitușeri“genannt, unterwegs, die besonders hässliche Masken tragen. Abends, nach Einbruch der Dunkelheit und bis zum Morgengrauen, gehen dann wieder die Sternsinger von Haus zu Haus, mit Geigen, Trommeln und anderen Instrumenten. Es sind die Dorfmusikanten, die um Weihnachten drei Tage lang feiern und ohne ein Gläschen Schnaps, „pălincă“, und ein passendes Honorar, nicht wieder weggehen wollen. Achtung aber: Wer sie ganz zuletzt empfängt, der möge sich auf viele falsche Töne gefasst machen.

Vadu Crișului ist für die Touristen aus dem Kreis Bihor und aus dem naheliegenden Ungarn schon längst kein Geheimtipp mehr. Doch jene, die nicht aus Siebenbürgen stammen, können hier eine völlig neue Welt entdecken. Eine Welt, in der Ungarn und Rumänen als gute Nachbarn seit Jahrzehnten zusammenleben, in der man sich auf Besucher derart freut, dass man sie mit dem klassischen „Mai hai la noi“ (Komm mal wieder zu uns) verabschiedet, in der man sie offenen Herzens bei sich zu Hause empfängt, bewirtet und sie nicht weggehen lässt, ehe sie sich nicht sattgegessen haben. Ein bisschen nach Fremdsprache klingt der Dialekt aus dem Kreis Bihor schon, doch einige Ungarisch-Kenntnisse helfen einem ganz bestimmt weiter, damit man das Menü, das vielleicht eine  „zamă dă hiribii“ (Kartoffelsuppe), „cocioane“ (Sülze), ein bisschen „mieri dă pruni“ (Pflaumenmarmelade) oder zwei-drei „laște“ (Pfannkuchen) enthält, nicht sofort ablehnt, sondern von allem ein bisschen kostet. Denn lecker schmeckt es in Vadu Crișului auf jeden Fall.