Probieren geht über Studieren

Wissenschaftsmuseum bereichert das Kronstädter Tourismus-Angebot

Taktile Kronstadt-Karte für sehbehinderte Personen, hergestellt auf einem 3D-Drucker

Ioana Borșan zeigt, wie Sinneswahrnehmung täuschen kann: Der Gegenstand in ihrer Hand findet seinen Weg durch die Tafel.

Das Lösen des Gordischen Knoten als Teamaufgabe

Chladnische Klangfiguren | Fotos: der Verfasser

Die Kronstädter Museumslandschaft ist vielfältiger geworden. Seit rund zwei Jahren gibt es außer Geschichtsmuseum, Kunstmuseum, Volkskundemuseum, Mureșenilor-Gedenkhaus und ihren Zweigstellen auch ein interaktives Wissenschaftsmuseum. Das neue Museum, eine Premiere für Siebenbürgen, befindet sich im Eingangsbereich der Kronstädter Philharmonie, die seit einigen Jahren im umgestalteten ehemaligen Patria-Kino ihren Sitz hat.

In Kronstadt/Brașov gibt es kein Museum für Technik und Industrie, obwohl die Stadtgeschichte in diesem Bereich viel vorweisen kann. Es gibt auch kein naturwissenschaftliches Museum, sondern nur wissenschaftliche Sammlungen an der Forsthochschule, die aber dem breiten Publikum nicht zugänglich sind. Das neue Museum kann zwar diese Lücken nicht schließen, es eröffnet aber den Zugang zur faszinierenden Welt der Physik, Astronomie und anderen Naturwissenschaften auf eine attraktive, interaktive Weise: Experimentieren und selber Erleben ist angesagt und nicht das Vermitteln von theoretischen Kenntnissen mittels Texten, Vorträgen oder Schautafeln. Statt dessen gilt „Probieren geht über Studieren“, wobei man dabei auch eine Menge Spaß haben kann.

So ganz auf sich gestellt ist man im Kronstädter Museum der Wissenschaften dennoch nicht. Die Besucher, die alle Altersgruppen aufweisen und sowohl Kronstädter als auch Touristen aus dem In- und Ausland umfassen, werden von Ioana Borșan empfangen und durchs Museum begleitet, wobei sie die notwendigen Erklärungen und Anweisungen für die Experimente vor Ort leicht verständlich erteilt, ohne dass Langweile oder Müdigkeit aufkommen.

Ioana Borșan hatte bereits als Studentin im zweiten Jahr an der Kronstädter Fakultät für Ingenieurwesen und Industriemanagement mit dem Gedanken gespielt, in einem privaten Museum verschiedene physikalische Phänomene nachzustellen, damit diese leichter erklärt und besser verstanden werden können. Ähnliche Einrichtungen in der Schweiz, die sie besucht hat, waren ihr Vorbild. Unterstützt wurde sie bei diesem finanziell doch risikoreichen Unterfangen von ihrer Familie. Der Versuch, an der Schwarzmeerküste, in Konstanza, eine Zweigstelle dieses Museums zu eröffnen, hat aber leider nicht den erhofften Erfolg mit sich gebracht, so dass dieses Projekt vorläufig eingestellt wurde. 

Das private Museum (in Kronstadt gibt es nur noch ein einziges anderes privates Museum – „Erinnerungen aus dem Kommunismus“) hatte im Februar 2020 einen guten Start, obwohl damals die Gesundheitsauflagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zusätzliche Schwierigkeiten bereiteten. Bisher ist das Museum außerdem zwei-mal umgezogen. Zuerst war es in einem privaten Haus in der Nachbarschaft des Meșotă-Kollegs in Betrieb, danach wurde es in Räumlichkeiten in der Nähe der AFI-Mall eingerichtet. Der Eingangsbereich der Kronstädter Philharmonie ist nur eine vorläufige Lösung. Bei vorheriger Buchung treffen sich die Besucher dort zu einer Führung, die bis zu 90 Minuten dauern kann. Falls möglich, sagt Ioana Borșan, wird bei der Zusammensetzung der Besuchergruppe berücksichtigt, dass diese keine allzu großen Unterschiede aufweist. Aber auch spontan Hinzugekommene dürfen sich gern anschließen. Kinder sind immer neugierig und wollen möglichst vieles selber ausprobieren. „Wenn sie hören, es geht in ein Museum, sind sie anfangs nicht gerade begeistert. Denn da heißt es immer: ‚Bitte die Exponate nicht anfassen!‘. Bei uns ist das aber gerade erwünscht“, erzählt Ioana. Nach dem Rundgang gibt es noch genügend Zeit, bei einzelnen Exponaten zu verweilen und selbst zu experimentieren. Spielend natürliche Phänomene zu entdecken und somit zu verstehen, das begeistert alle – vor allem Kinder und Jugendliche, die sich dann nur schwer von diesen Anlagen trennen können. So ist es nur naheliegend, dass das Museum der Wissenschaften mit dem Kronstädter Schulamt gut zusammenarbeitet, dass im Museum Schülergruppen und ganze Klassen Führungen in Anspruch nehmen und außerhalb der Schule, ohne Notenzwang und mit viel Selbstinitiative, ihre Kenntnisse in Physik, Mathematik, Biologie oder Astronomie auf lockere Weise vertiefen oder erweitern. Auch Erwachsene und Rentner sind voll bei der Sache. Immer wieder gibt es „Aha-Erlebnisse“, wenn die Erklärung für etwas da ist, von dem man bisher nicht so richtig wusste, wie es funktioniert oder was sich in dem einen oder anderen Gerät verbirgt. Es ist wie eine Entdeckungsreise, bei der auch über 80-Jährige viel Freude haben und beweisen, dass sie ihren Spaß und ihre Abenteuerlust noch lange nicht verloren haben. 

Einige Beispiele, was im Kronstädter Wissenschaftsmuseum nicht nur gesehen oder bestaunt werden kann, sondern was man ausprobieren und miterleben darf:

 - Chladnische Klangfiguren: Auf einer Platte entstehen schöne Muster, die schon den Übergang zur Kunst andeuten, aus feinem Sand oder Salz, aufgrund der Schwingungen, in die die Platte versetzt wird.
- Pythagoreischer Becher: Das Wasser entleert sich plötzlich, wenn eine bestimmte Höhe im Becher überschritten wird, gemäß dem Prinzip der kommunizierenden Röhren.
 - Aerodynamik: Eine Kerze, hinter einem rechteckigen Gefäß aufgestellt, wird durch den von einem Föhn kommenden Luftzug nicht ausgelöscht. Ist das Gefäß aber rund, so wird die Kerze erlöschen.
- Welches Körpergewicht hat ein Mensch auf verschiedenen Planeten? Eine elektronische Waage mit Schwerkraftrechner zeigt an, wie viel einem irdischen Kilogramm auf den jeweiligen Planeten in unserem Sonnensystem entspricht. Auf dem Mars entsprechen zum Beispiel meine 76 Kilogramm nur 28,65 Kilo.
- Wundertrommel (Zoetrop): Durch Ankurbeln einer drehbaren Trommel gelangen Sequenzen einzelner Bilder, die man durch enge Schlitze betrachtet, in Bewegung.

Bei den verschiedenen Versuchsstationen geht es auch um Phänomene wie Umwandlung verschiedener Energieformen, Magnetschwebetechnik, Hologramm, Lichtbeugung und -brechung, 3D-Drucker. Allein die Aufzählung klingt anspruchsvoll, für manche sogar erschreckend, nach dem Motto „das ist mir zu kompliziert“ oder „das versteh ich sowieso nicht“. Es geht aber nicht nur um theoretische Erklärungen über das Warum, sondern eher um Beobachtung dessen, was gerade passiert und wie alles abläuft. Mitmachen, probieren, selber erleben gehören zum Erfolgsrezept solcher Institutionen, die Ioana Borșan eigentlich gar nicht als Museum bezeichnen würde. Die gesetzlichen Reglungen bereiten zusätzliche Schwierigkeiten – denn das Wissenschaftsmuseum hat kein eigentliches Erbe, das z. B. mindestens ein Jahrhundert alt ist. Ioana spricht von „Science center“, einem wissenschaftlichen Zentrum, das Neugier für die uns umgebende Welt weckt, interaktiv wirkt und alle, vor allem Kinder, näher an die Rätsel und „Wunder“ der Natur und Technik bringt. Das wäre ein großer Schritt in Richtung solider Erziehung zu informierten und mündigen Bürgern in einer Welt, wo Halbwahrheiten und Fake News uns immer wieder umgeben.

Neue Anschaffungen und mehr Ausstellungsraum sind ihre Zukunftsprojekte. Das Museum der Wissenschaften kann bereits als erfolgversprechende private Museumsalternative in Kronstadt gelten, mit Potenzial für Besucherzahlen, die nicht nur seinen Fortbestand, sondern auch eine Erweiterung ermöglichen sollten.


Museum der Wissenschaften

Adresse: 15. November-Boulevard 50 A (Foyer Patria-Saal)
Öffnungszeiten: Montag – Sonntag 12 – 20 Uhr
Führungen um 12.00, 14.00, 16.00, 18.00 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene 30 Lei, für Schüler und Rentner 20 Lei, Sonderangebote für Gruppenführungen
Buchungen über www.muzeuldestiinte.ro/formular-rezervare 
Kontakt: E-Mail: contact@muzeuldestiinte.ro  
Tel.: 0722.118.087