Stift Admont: Tausend Jahre Kultur zwischen Himmel und Erde

Bibliothek mit Blick zum nördlichen Eingang Fotos: Mag. Ignazius Schmid

Das Benediktinerstift Admont ist eine weitläufige Anlage.

Manch vielbesuchter Wallfahrtsort ist dort entstanden, wo sich ein Eremit in die Einsamkeit zurückzog; und mancher Ort höchster kultureller Blüte entwickelte sich dort, wo ursprünglich einige Mönche zur Rodung in die Wildnis vorgeschickt wurden. Stift Admont in der Steiermark (Österreich) aber verdankt seine Entstehung einer immens reichen und großherzigen Gräfin, die später zur Heiligsprechung, der „Ehre der Altäre“ gelangte, der heiligen Hemma von Gurk. Die Rodung blieb den Benediktinermönchen aus Salzburg allerdings trotzdem nicht erspart.

Eine adelige Gründerin

Hemma wurde 970 in Kärnten geboren, wuchs am Hof Kaiser Heinrichs II. auf und vermählte sich mit Wilhelm Graf von Friesach. Dadurch kam sie in den Besitz von Kärnten, Krain und der Steiermark. Nach dem frühen Tod ihres Gatten und der Ermordung ihrer beiden jugendlichen Söhne zog sie sich von ihrer steirischen Burg Purgstall in das von ihr gegründete Kloster in Gurk zurück und schenkte die riesigen Ländereien in der Steiermark dem Salzburger Erzbischof Balduin zur Gründung eines Männerklosters. Vielleicht scheute sich der Bischof, einen Entschluss zu fassen, wo genau er das Kloster hinbauen sollte, denn um das zu entscheiden, ist die Gegend nicht gerade einfach: An einer urzeitlichen Bruchlinie zwischen dem Hochschwab und den Ennstaler Alpen türmten sich Kalkmassen zu schroffen Gebirgen auf; die enormen Eismassen des Ennsgletschers schoben riesige Schuttmengen zusammen und schliffen Hohlwannen aus, die nach dem Rückzug des Gletschers zahlreiche Seen und am Talboden sumpfiges Gelände zurückließen; und schließlich musste sich die wilde Enns ihr enges Bett hartnäckig durch all das hindurchsägen. Erzbischof Balduin hat die Entscheidung lieber seinem Nachfolger, Erzbischof Geb-hard, einem vornehmen Schwaben, überlassen. Dieser entschied sich für das linke Ufer der Enns, just dort, wo das Flusstal nicht ohne Grund „Gesäuse“ heißt. Es war ein einfacher, taubstummer Bauer, der plötzlich seine Sprache fand und warnte: „Baß umi (geh hinüber) übers Wasser! Fang an, Gott vollendet“. Der Erzbischof war klug genug, auf den Rat des Einheimischen zu hören und baute das Kloster an das rechte Ennsufer, wo ihm die reißenden Gebirgsbäche nichts anhaben konnten – und wo es seit bald tausend Jahren noch immer steht. Eingeweiht wurde es 1074. 1120 schloss man dem Stift ein Frauenkloster an, dem oftmals adelige Damen mit hohem Bildungsstand angehörten, das in der Reformationszeit aber aufgegeben wurde.  

Ein Jahrtausend Benediktinerstift Admont

Seit der Gründung wirkt die Klostergemeinschaft von Admont in ununterbrochener Folge –  lediglich von 1939 bis 1945 von den Nazis vertrieben – nach der Regel des heiligen Benedikt, „ora et labora et lege“ – „bete und arbeite und lies“.  Die Tätigkeit der Mönche teilt sich auf in geistige, religiöse und kulturelle Aktivitäten, in Seelsorge, Schule, Arbeiten im Wirtschaftsbereich und – unterstützt durch die größte und weltschönste barocke Bibliothek, die seinerzeit „das achte Weltwunder“ genannt wurde – Lesen als wichtigstem Bildungszugang. Im 12. Jahrhundert wurden zahlreiche Mönche aus Admont in verschiedene österreichische und süddeutsche Ordenshäuser als Äbte berufen. Unter dem universal gelehrten Abt Engelbert (1297 – 1327) erreichte das Stift einen wissenschaftlichen Höhepunkt. Seither lebt im Kloster immer ein Mönch namens Engelbert. Im 16. Jahrhundert geriet das Kloster durch die Zwangsabgaben an den Kaiser zur Finanzierung der Türkenkriege und durch das Vordringen des Reformationsgedankens finanziell und personell fast an den Rand des Ruins. Tatkräftige Äbte wie Abt Johann Hofmann erreichten einen neuerlichen Aufschwung der Abtei. Unter Abt Urban Weber wurde 1644 die Tradition des höheren Schulwesens grundgelegt – mit dem Gymnasium, das heute noch die Erwartungen an eines der bedeutendsten Bildungszentren des Landes bestens erfüllt. Eine besonders herausragende Persönlichkeit in Wissenschaft und Bildungswesen war Abt Dr. Gotthard Kuglmayr (1788–1818), hoch geschätzt auch von Kaiser Franz I. und Erzherzog Johann. Einige Lehrkanzeln an der Universität Graz wurden sogar mit Admonter Benediktinern besetzt. Nach 1956 war auch Abt Koloman Holzinger (1956–1978) durch den großzügigen Schulneubau und den Ausbau des musischen Bildungszweiges eine äußerst erfreuliche Weiterentwicklung des Schulwesens zu verdanken. Heutiger Schülerstand ist 700 Burschen und Mädchen.

Architektur, Wissenschaft und Kunst 

Die erste, 1074 dem hl. Blasius geweihte Klosterkirche war ein einfaches, für den Gottesdienst zweckdienliches Bauwerk. Im 12. Jahrhundert entstand ein romanischer, mit Marmor prächtig ausgestatteter Bau, wie er „schöner und edler im norischen Bergland kaum zu finden war“ – leider wurde er schon drei Jahrzehnte später durch einen Brand vernichtet.  Der gotische Bau im 13. Jahrhundert verlegte das Chorgestühl in das Presbyterium und schuf erstmals großzügig Raum für die fromme Volksmenge. Im folgenden Jahrhundert entstanden zu beiden Seiten des Langschiffs zehn Kapellen, mit frühgotischen Altären eingerichtet. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die romanisch-gotische Stiftskirche im frühbarocken Stil ausgestaltet. Doch erneut schlug das Schicksal zu: Die wohl größte Katastrophe, die das Stift je erfahren musste, war der große Brand von 1865, der von einem Haus am Hauptplatz ausging und Stiftskirche wie Stiftsgebäude zum größten Teil in Schutt und Asche legte. Es glich einem Wunder, dass der herrliche Bibliothekssaal mit seinem wertvollen Bücherbestand gerettet werden konnte. Auch das Presbyterium der Kirche blieb erhalten. Die zerstörte barocke Kirche wurde in drei Jahren von Wilhelm Bücher auf den alten Fundamenten im neugotischen Stil wiederaufgebaut, denn ein Neubau im „albernen Barock“ wäre dem gotisch orientierten Empfinden nach völlig undenkbar gewesen. Mit den Werken namhafter Künstler wurde die Kirche mit einzigartigen Kunstwerken ausgestattet, darunter die Kanzel aus Eichenholz von Ignaz Brandstätter aus Wien und die sechs Wandteppiche, die noch der Kunststicker Bruder Benno Haan aus Kopenhagen ab 1698 in 22-jähriger Arbeit in Admont geschaffen hatte – textile Kunstwerke von Weltrang. Am Marienaltar fesseln das Altarbild von Martino Altomonte und die holzgeschnitzten Medaillons des hervorragenden Stiftsbildhauers Josef Stammel das Auge des Betrachters. Zwei Quertrakte der Klosteranlage wurden beim Neubau des Klosters weggelassen, so entstand aus den ehemaligen sechs Innenhöfen ein zweigeteilter weiträumiger Innenhof.

Ein atemberaubender Bibliothekssaal

Womit aber Admont Weltruhm erlangte, ist die barocke Stiftsbibliothek. Architekt Josef Hueber hat den Bibliothekssaal ab 1765 nach dem Vorbild des Prunkbaus der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien geplant und ausgeführt. Was die siebzig Meter lange und vierzehn Meter breite Admonter Bibliothek auszeichnet, ist ein strahlendes Weiß der geschwungenen Regale, das durch zarte Vergoldungen noch zusätzlich betont wird. Der zweigeschossige Raum hat 60 Fenster, vom zwölf Meter hohen, fast kreisrunden Mittelraum mit Kuppel schließt sich nach Norden und Süden je ein dreigeteilter Bibliotheksflügel an. Bartolomeo Altomonte schuf sieben Deckenfresken, 68 vergoldete Büsten an den Bücherschränken und 18 große Holzskulpturen mit den überlebensgroßen Plastiken der „Vier letzten Dinge: Tod – Gericht – Hölle – Himmel“ waren der geniale künstlerische Höhepunkt des genialen Bildhauers Josef Stammel: Der Tod als Greis am Ende seines Lebensweges, der Jüngling, der dem Grab entstiegen, nun dem göttlichen Gericht entgegensieht, der Verworfene im höllischen Feuer und die zur himmlischen Herrlichkeit berufene reine Seele zeigen eine Fülle von Attributen und allegorischen Gestalten, die sich in all ihren Details durch die kompetente Führung von Gudrun Schwab erst richtig erschließt – eine der zahlreichen Mitarbeiter, die ihr ganzes Herz dem Gesamtkunstwerk Admont widmen. Zu den 200.000 Bücherschätzen der Bibliothek gehören 1400 mittelalterliche Handschriften ab dem 8. Jahrhundert und 1000 frühe Handdrucke, um nur einige der bibliophilen Kostbarkeiten zu nennen, die die tausendjährige Sammlung seit Erzbischof Gebhard zu einer Fundgrube kulturgeschichtlichen Anschauungsmaterials machen. Wie sehr man dieses Kulturgut zu schätzen weiß, zeigt die Restaurierung von 2004 bis 2008, bei der von vier vollamtlichen Restauratoren jedes Buch einzeln in die Hand genommen, gereinigt und restauriert wurde.  

Museen, Museen …

Eine Reihe weiterer einzigartiger Museen in dem weitläufigen Stiftsgebäude umrunden gleichsam wie gute Freunde die Stiftsbiblio-thek: Das Kunsthistorische Museum mit bedeutenden Exponaten von der Romanik bis zum Rokoko. Das Gotik-Museum, das auf einer Schenkung von Kuno und Helga Mayer, einem Vorarlberger Unternehmerpaar, beruht und seit 2017 mit 85 Exponaten spätgotischer sakraler Kunst beeindruckt. Das Naturhistorische Museum, das nach dem Brand von 1865 vom Naturwissenschaftler Pater Gabriel Strobl in vierzig Jahren aufgebaut wurde (allein die Insektensammlung weist 252.000 Exemplare auf). Im Museum für Gegenwartskunst sind jedes Jahr zeitgenössische Kunstschaffende eingeladen, um gemeinsam einen künstlerischen Prozess in Gang zu setzen. Daraus haben sich in zwanzig Jahren zahlreiche Initiativen und Aktivitäten entwickelt, und es ist bereits eine eigene Kunstsammlung entstanden – für ein Kloster eher eine unerwartete Initiative, die aber dem ver-gleichsweise jugendlichen Abt Mag. Gerhard Hafner (geb. 1964 in Trieben, Steiermark) sehr entgegenkommt. Seit 2017 ist er Abt von Admont und neben dem enormen Arbeitsausmaß, das ein Kloster in dieser Größe und mit tausend Mitarbeitern mit sich bringt, ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass auch die Jugend in einem christlichen Leben ihre Erfüllung findet. Als offene und kommunikative Persönlichkeit ist es ihm sichtlich eine Freude, auch journalistischen Besuch spontan in die Prälatur einzuladen ... 

Rund um das Stift

Stift Admont steht nicht isoliert hoch oben am Berg, sondern – für Benediktinerklöster sehr ungewöhnlich – unten im Tal. Dafür ist sechs Kilometer entfernt auf dem Kulmberg die Wallfahrtsstätte Frauenberg entstanden. 1404 schwemmte die hochwasserführende Enns eine schöne holzgeschnitzte Madonnenstatue ans Ufer des Berges. Abt Hartnid platzierte sie ehrfurchtsvoll im Stift, aber die Statue verschwand über Nacht so lange auf die Anhöhe des Berges hinauf, bis der Abt erkannte: Dort oben wollte sie verehrt werden. Aus der kleinen, hölzernen Kapelle wurde schon bald eine weithin sichtbare und vielbesuchte Wallfahrtskirche, die seither von den Admonter Benediktinern betreut wird. Auch hier zeigten Künstler wie Carlo Carlone, Antonio Maderni als Freskant, Giovanni Battista Carlone als Schöpfer des überreichen Stucks und der Bildhauer Josef Stammel ihre Kunst. Am Hang des Klosterkogels baute Abt Urban Weber, der Erbauer des Stiftsgymnasiums, das frühbarocke Kleinod Schloss Röthelstein als Sommerresidenz der Äbte. Entsprechend edel sind die dem Hl. Bene-dikt geweihte Schlosskapelle, Rittersaal und Schützenzimmer mit Stuck, Wand- und Deckenmalereien ausgestattet. Die riesige Rauchküche lässt darauf schließen, dass die kulinarische Versorgung vortrefflich konzipiert war und sich auch auf die nach dem großen Brand geschockten Mönche beim Aufenthalt in diesem Ausweichquartier beruhigend auswirkte. 1974 wurde das Schloss aus finanziellen Gründen an den Steirischen Jugendherbergsverband verkauft, was später vom Stift etwas bedauert wurde. Nach einer sachverständigen Restaurierung aber dient Schloss Röthelstein heute als Hotel und Restaurant, wo die Gäste unter dem Schutz des heiligen Benedikt Spitzengastronomie und eine großartige Aussicht ins Ennstal genießen dürfen.