Tanz der Ikonen im grünen Hain

Besonderes Kleinod in der Bukowina: die Kirche von Arbore

Zarte Farben leuchten durch den sattgrünen Blättervorhang hindurch...

Typisch für den Maler sind die detailreichen Darstellungen der Roben der Fürsten, Kirchenmänner und Heiligen.

Der Kreuzzug von Kaiser Konstantin

Auch in diesem Jahr werden die Arbeiten an den Fresken fortgesetzt, erklärt Iulian Câmpean vom Restaurationsteam CERECS Art SRL.
Fotos: George Dumitriu

Sie macht ihrem Namen alle Ehre: Umrahmt von knorrigen Obstbäumen, die sich besonders im Winter pittoresk von der weißen Schneelandschaft abheben und dadurch die zarten Außenfresken noch lebhafter zur Geltung bringen, präsentiert sich die Kirche von Arbore (rum.: Baum) als besonderes Kleinod. Im Sommer hingegen ist der Hain mit dem wildromantischen Friedhof und den bemoosten steinernen Grabkreuzen ein herrlicher Schattenspender für erhitzte Reisende.

Zu Unrecht steht die Kirche von Arbore als eines der acht zum UNESCO-Welterbe der Moldau gehörigen Klöster mit bemalten Außenfassaden -  Humor, Moldoviţa, Pătrăuţi, Suceviţa, Voroneţ, Probota und die Kirche von Johannes dem Neuen in Suceava - ein wenig in deren Schatten. Die wetterseitige Nordwand nur noch weiß und auch Teile der übrigen Außenfresken zerstört, verblasst oder farbverändert, konnte in einer eiligen Konservierungsmaßnahme 1974-75 gerettet werden, was noch zu retten war. Erst im Jahr 2000 wurde mit der immer noch andauernden, ausführlichen Restaurierung begonnen.

Draguşin, der Malerrebell

Die Fresken überraschen jedoch mit einer ungewöhnlichen Detailtreue, feiner Mimik und lebhafter Gestik der dargestellten Personen sowie einem chromatischen Spektakel, basierend auf der Grundfarbe Grün. Sowohl Außen- als auch Innenfresken sind das Lebenswerk des Malers Draguşin Coman aus Jassy/Iaşi, der 40 Jahre lang nur an dieser Kirche gearbeitet hat. Ein unauffälliger Stein mit Vertiefungen, in denen er Pigmente zerrieb und Pflanzenfarben nach geheimen Rezepten anmischte, lehnt noch heute an der Außenwand der Kirche. Sein Stil  ist ungewöhnlich und so unverwechselbar wie seine Ikonografie: Figuren, die uns den Rücken zudrehen und andere Brüche der ansonst strikt einzuhaltenden kanonischen Regeln. „So etwas findet man nicht in den anderen Kirchen“, erklärt Restaurateur Iulian Campean. „Außerdem ist Draguşin unser erster Modedesigner“  fügt Ileana Mirea scherzhaft an.

Seit 22 Jahren führt sie Touristen durch die Kirche, die sie inbesondere auf die mit prächtigen Kleidern ausgestatteten Fürsten, Prinzessinnen und Heiligen aufmerksam macht. Leuchtende Ornamente und Blumengirlanden, goldgesäumt, zieren ihre Gewänder. Kein Stoffmuster wiederholt sich. Fast meint man, die Nadelstiche der Stickereien zu erkennen. Eine weitere Besonderheit ist auch die Darstellung der heiligen Macrina, die gleich neben der Eingangstür ein Teufelchen mit dem Hammer verdrischt – es gibt sie sonst nur in der Kirche von Pătrăuţi. Von den ausdrucksvollen Gesichtern der Figuren wurden die meisten leider beim Türkenangriff von 1538 zerstört, einem Feldzug Süleyman des Prächtigen. Erst im 18. Jh. ließ man sie neu malen. Unversehrt geblieben ist hingegen die berühmte Darstellung von Maria mit dem Jesuskind und ihrer Mutter, der heiligen Anna, in der Kuppel.

Böses Omen

Die der Enthauptung des heiligen Johannes dem Täufer geweihte Kirche soll in nur fünf Monaten aus grobem Flußstein errichtet worden sein. Ihr Stifter ist Luca Arbore (Sohn von Arbore dem Alten), der sich als Torhüter um die Verteidigung der Festung Suceava verdient gemacht hatte: Drei Wochen lang hielt er 1497 dem Ansturm des polnischen Heeres statt. Doch der von ihm gewählte Schutzpatron der Kirche erwies sich als böses Omen: Am 29. April 1523 wurde Luca Arbore geköpft, eines niemals bewiesenen Verrats bezichtigt, von Ştefaniţa Vodă (Stefan IV.), dem Sohn Bogdan des III. und Enkel Stefans des Großen. Eine große Unruhe erfasste daraufhin die Bojaren, die ein ähnliches Schicksal befürchteten. Als ein Jahr später auch noch die Köpfe der beiden Söhne Toader und Nichita rollten, war dies der Beginn eines großen Bojarenaufstandes, berichtet Chroniker Grigore Ureche. Von dem Gebäudekomplex aus der Zeit Luca Arbores ist heute nur noch die Kirche erhalten. Bei archäologischen Ausgrabungen zutage geförderte Kacheln und Platten mit heraldischen und zoomorphen Motiven verweisen jedoch auf die einstige Existenz eines soliden und luxuriösen Wohnpalastes.

Eine weitere Besonderheit der Kirche ist, dass die Glocke statt in einem Glockenturm in der Gewölbenische der Westwand aufgehängt war. Heute gibt es allerdings einen Glockenturm aus dem Jahre 1867, den man besteigen kann.
Die Stifterfamilie –  neben Luca Arbore Ehefrau Iuliana und fünf Kinder - ist in der Grabnische der Kirche bestattet. Das Grab von Luca  überspannt ein Baldachin, dem der Grabstätte von König Kasimir IV. aus der Wawel-Kathedrale in Krakau nachempfunden. Die Inschriften der übrigen im Boden eingelassenen Grabplatten haben  darüberlaufende Füße bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen. Gleich zwei Votivbilder stellen die Stifterfamilie dar: eines auf der Südwand des Pronaos zeigt Luca Arbore mit Iuliana und zwei Kindern, wobei die Tunika der Fürstin durch weite Ärmel und noch heute auf rumänischen Trachtenblusen verwendeten Motiven besticht. Das andere befindet sich im Naos und zeigt das Paar mit fünf Kindern.

Adam pflügt, Eva spinnt

Die Außenfresken sind von seltenem künstlerischem Wert. Alles scheint in Bewegung zu sein! Der Künstler demonstriert eine völlig neue Vision im Vergleich zu seinen Vorgängern: die Heiligen stellt er  nicht frontal und furchteinflößend dar, sondern in natürlichen Positionen, sprechend und gestikulierend. Zu den berühmtesten Motiven gehören der Kreuzzug Kaiser Konstantins, der Angriff auf Konstantinopel durch die Perser im Jahr 626 und das Jüngste Gericht, das sich auf der rechten Seite der Eingangstür entfaltet. Ungewöhnlich für die Moldau auch die Darstellung des hl. Christophor mit dem Jesuskind auf der Schulter, wie wir sie aus der Holzkirche von Ieud-Deal in der Maramuresch kennen. Die dem Sonnenaufgang zugewandte Fassade ist Beweis für das Genie des Malers: Die ganze Wand besteht aus Miniaturen, die als die besten aus der Zeit Stefans des Großen bis Patru Rareş gelten. In der Genesis sieht man Adam pflügen, während Eva am Spinnrad sitzt. Eine Szene mit dem hl. George zeigt Figuren, die mit dem Rücken zum Betrachter sitzen – bekannt aus der italienischen Renaissance, doch unüblich in der byzantinischen Kirchenmalerei. Ein Drachen erstreckt sich von einer Wand um die Ecke auf die andere. Neben dem für Arbore typischen dunklen Grün verwendete der Maler auch das berühmte Voroneţ-Blau.

Im Schatten der Obstbäume studieren wir die steinernen Kreuze. Auf einem quellen üppige Weinranken aus einem Kelch. Es mutet hier so selbstverständlich an, dass Adam pflügt, Eva spinnt, die Heiligen sich lebhaft unterhalten und die Domniţa im Trachtenkleid lustwandelt. Während wir den Hain  verlassen, durchzuckt mich ein Gedanke: Bestimmt steigen sie, sobald wir ihnen den Rücken zudrehen, heimlich von den Wänden... und feiern Gottes frohe Botschaft mit einem Kelch Wein und einem Reigen zwischen den knorrigen Bäumen.