Verborgene Perle am Eisernen Tor

Eşelniţa: Fast vergessene Geschichten vor dem Hintergrund der Geschichte

Exponate aus dem Südwesten von Mehedinţi sind im Ethnografiemuseum „Doina und Teodor Grigore“ zusammengetragen

Pfarrer Sever Negrescu erzählt aus der Zeit vor der Umsiedlung

Ikone aus dem Pfarreimuseum

Prachtvolles Exemplar aus der reichhaltigen Trachtensammlung des Ethnografiemuseums

Mit 55 Metern höchste Felsskulptur Europas: Decebal-Kopf bei Dubova
Fotos: George Dumitriu

Etwas ist besonders in Eşelniţa. Etwas, das man auf den ersten Blick nicht sieht. Die Häuser, deren Mauern fast alle einen Ziegelstein der alten, im Staudamm versunkenen Kirche beherbergen. Die beiden Ikonen im Pfarreimuseum, die den Erzengel Michael und den heiligen Nikolaus vor der Donau zeigen. Oder jene der Muttergottes mit Jesuskind im rumänischen Trachtenhemd. Der wunderschöne Hof des Ethnografiemuseums mit Sommerküche, Werkstatt, Handarbeitsraum und Bauernhaus, zum Stöbern und Entdecken. Ach ja, und dann ist da noch ein besonderes Projekt: ein Reiseführer über das Kulturerbe am Eisernen Tor, erstellt von Kindern aus Eşelniţa.

Vier Kommunen machten sie unsicher für ihr Unterfangen: Eşelniţa, Orşova, Eibenthal und Sviniţa.  Angeleitet hat sie Rosemarie Cocoană, Lehrerin und Gründerin der NGO „Asociaţia Comunităţii Eşelniţa Cazanele Dunării“, die sich vor allem mit Roma beschäftigt. Die jungen Leute sollten die Werte ihrer Heimat kennenlernen und aufbereiten: Sehenswürdigkeiten, Brauchtum, traditionelle Kochrezepte, Geschichte und Geschichten, zusammengetragen aus Gesprächen mit alten Leuten.

Feste und Bräuche in Eşelniţa

Ganz groß gefeiert wird am 8. April der Internationale Roma-Tag: Gemeinsam mit der Gemeinde veranstaltet die Roma-Partei ein Programm mit Tanz und Musik, Präsentationen über Kultur, Geschichte und Roma-Traditionen - und einem Schönheitswettbewerb zur Wahl der „Miss Piranda“. Aus der gesamten Umgebung reisen dann Mitglieder der Roma-Ethnie an. Über den Paparudă-Regenzauber berichtete den Kindern die 73-jährige Cornelia Ionovici: Im Sommer ging die Jugend zum Dorfbrunnen, um das Wasser aufzufrischen. In Eimern sammelten sie Münzen und ein Mädchen sang: „Paparudă-rudă, vino sa ma uda“ (komm und mach mich nass), um Regen herbeizubeschwören. Den Brauch des „Fărşangul“ (Fasching) im Februar brachten die Tschechen nach Eşelniţa, zweitstärkste Minderheit nach den Roma. Zu Tanz, Kostümparade und tschechischer Musik trifft sich Jung und Alt - Gäste willkommen. Auch einen aus der Moldau bekannten, archaischen Brauch findet man in Eşelniţa: den Lauf mit der Holzziege von Haus zu Haus in der Silvesternacht.

Alltag vor der Umsiedlung

Ein sehenswertes Kleinod ist das private Ethnografiemuseum „Doina und Teodor Grigore“ in der Strada Cireşilor Nr. 480. Geöffnet wird es nur auf Nachfrage, Ansprechpartnerin ist Rosemarie Cocoană (Tel. 0721-603383). Zu entdecken gibt es die mit Werkzeugen und Kunsthandwerk reich ausgestatteten Gebäude einer traditionellen Wirtschaft. Im Haus: prächtige Trachten, Möbel, Gebrauchsgegenstände, bunte Webstoffe und über tausend Keramikgefäße. Zeitzeugen aus dem Leben an den Ufern der Donau vor allem vor der Umsiedlung. Fünf Dörfer gehörten damals zur Gemeinde Eşelniţa: Fraunvizen/Ogradena, wo Ungarn, Tschechen und Deutsche lebten; Tisoviţa, wo es große Holzmühlen und Schnapskessel gab; Eşelniţa Veche, wo die Menschen besonders fromm waren, wie sich die 83-jährige Maria Feneşan erinnert: Am Sonntag durfte man nicht kochen, nur Aufgewärmtes essen. Ogradena Veche, auch als „Brautdorf“ bekannt,  weil dort alles weiß getüncht war - Häuser wie Baumstämme. Und Plavişeviţa, wo Ehrlichkeit groß geschrieben war, wie Maria Gurişescu (75) verrät: Es wurde nicht gestohlen, es herrschte Respekt und man fluchte nicht!

Von Gott gewählter Ort

Die erstmals 1484 dokumentierte Ansiedlung hieß ursprünglich Iaşalniţa , „von Gott gewählter Ort“, erklärt  Pfarrer Sever Negrescu, der durch die orthodoxe Kirche und das Pfarreimuseum führt. Die Umsiedlung 1967 war ein Trauma für die Bewohner: Eigenhändig mussten sie ihre Häuser abtragen, um aus dem Material neu zu bauen. Fünf Kirchen wurden demoliert, um die aktuelle zu errichten. Sie ist ein wenig klein, denn die Menschen in Eşelniţa Veche hatten einen besonderen Wunsch, so der Pfarrer: Jeder wollte einen Ziegel aus der alten Kirche in sein neues Haus integrieren. Die Malereien in der Kirche muten düster an, doch der bräunliche Ton ist beabsichtigt. Er soll an den Schlamm der Donau erinnern, unter dem das alte Dorf begraben liegt.

Im Pfarreimuseum „Bischof Iosif Bădescu“ sind Kultobjekte aus den alten Kirchen und häusliche Gebrauchsgegenstände aus der Zeit vor der Umsiedlung ausgestellt. Dreimal wurde Eşelniţa verlegt, verraten Unterlagen aus der Zeit der österreichischen Monarchie. Damals hatte die Kirche die Funktion, Befehle aus dem Reich an das Volk weiterzugeben und schriftlich festzuhalten, erklärt Pfarrer Negrescu. Oft waren es praktische Dinge - wie man sich vor Flöhen schützt, oder warum man keine Toten im Haus aufbahren soll. Geschrieben wurde  in rumänischer Sprache mit kyrillischen Buchstaben. 36 der Ikonen vor Ort sind denkmalgeschützt. Man reinigte sie nach einem alten Volksrezept durch das Abreiben mit dem weichen Inneren von Brot. Zu den kostbarsten Stücken des Museums zählt ein Antimis - ein Tuch mit eingenähten Märtyrer-Knochenstückchen - das die Signatur des heiligen Calinic von Cernica aus dem Jahr 1851 trägt.

Decebal-Miniaturen aus Eşelniţa

Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Region zählt das Felsgesicht von Decebal, 1994-2004 bei Dubova in den Steilhang gehauen. Schräg gegenüber liegt das Kloster Mraconia pittoresc am Donauufer. Am selben Straßenrand ein Kiosk mit Souvenirs, die Isabela-Lidia Şerescu aus Eşelniţa fertigt: Favorit ist der Gipskopf des Dakerkönigs, aber auch eine kleine Trajanstafel kann man für ein paar Lei mit nach Hause nehmen. Das marmorne Original liegt am serbischen Donauufer und erinnert an die Beendigung des Abschnittes der römischen Militärstraße, die das Ende von Decebal einläutete. Heute stehen die Miniaturen auf dem Regal friedlich nebeneinander. Und der steinerne Decebal lächelt täglich milde, Seite an Seite mit Selfie-knipsenden Touristen, vom Handybildschirm herunter.

Den Reiseführer der NGO Asociaţia Comunităţii Eşelniţa Cazanele Dunării kann man auf http://conexiuni-interculturale.ro/ghid-eselnita/ herunterladen.