Vom Mord in einer Kirche und dem revolutionären Kampf

Râmnicu Vâlcea bietet ein abwechslungsreiches Programm für einen Tagesausflug

Das Graffiti im Stadtzentrum von Râmnicu Vâlcea zeigt vier eng mit der Stadt verbundene Persönlichkeiten: Anton Pann, Mircea der Ältere, Anthim der Iberer und Barbu Știrbey.

Das Rathaus von Râmnicu Vâlcea | Fotos: der Verfasser

Das „Centru Civic“ wurde zuletzt 2017 umgestaltet und bietet heute eine Freifläche für Veranstaltungen.

Von den Ausläufern der Südkarpaten bis zum Ufer des Alt erstreckt sich Râmnicu Vâlcea. Die einstige Hauptstadt der oltenischen Herrscher und religiöses Zentrum der Kleinen Walachei liegt nicht nur in der Nähe mehrerer Kurorte, sondern sticht auch selbst durch seinen Kontrast zwischen sozialistischer Moderne und traditioneller rumänischer Architektur hervor. In einem Auwald am Rande der Stadt erklang während der Revolution von 1848 zum ersten Mal das Lied „Deșteaptăte, române“. Heute wird das Lied als rumänische Nationalhymne regelmäßig vor den Europapokalspielen von SCM Râmnicu Vâlcea abgespielt, einer der erfolgreichsten Frauen-Handballmannschaften des Landes. Ein Tagesausflug an den Fuß der Südkarpaten lohnt sich sowohl für Handball-Fans als auch für Geschichts- und Architekturinteressierte. Für Freunde der Naturwissenschaften empfiehlt sich wiederum ein Besuch in der Salzmine von Ocnele Mari.

Râmnicu Vâlcea gilt als eine der ältesten Siedlungen auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens. Im Süden der Stadt sind noch die Überreste der Daker-Festung Buridava auszumachen. An Bedeutung gewann der Ort allerdings erst mit Mircea dem Älteren, der von Râmnic aus zumindest zeitweise über die Walachei regiert haben soll. Von der einstigen Zitadelle ist noch ein kleiner Abschnitt der Befestigung erhalten. Sie begrenzt heute den „Parcul Mircea cel Bătrân“ an seiner östlichen Seite. Unter Historikern ist diese lange Zeit tradierte Erzählung von Râmnicu Vâlcea als Herrschaftssitz von Mircea dem Älteren mittlerweile allerdings umstritten. Claudiu Tulugea vom Museum des Landkreises Vâlcea argumentiert, dass die Mauer erst im 19. Jahrhundert zur Befestigung einer Franziskaner-Kirche errichtet wurde. Außerdem sei Râmnic kein Herrschaftssitz, sondern lediglich ein wichtiger mittelalterlicher Marktplatz gewesen, dessen Zentrum sich zudem am Capela-Hügel befand.

Das heutige Stadtzentrum, welches exemplarisch für den sozialistischen Stadtumbau in Rumänien herangezogen werden kann, grenzt ebenfalls unmittelbar an den besagten „Parcul Mircea cel Bătrân“. Zu Gunsten dieses neuen „Centru Civic“ wurden gleich mehrere prachtvolle Bauten wie das Restaurant Elysée, das Haus von Gogu Ștefănescu, das Hotel Splendid oder auch das Adreani-Theater abgerissen. Die Einwohnerzahl stieg durch die Ansiedelung der Chemie- und Lebensmittelindustrie von 15.000 (1948) auf über 100.000 zum Ende der Volksrepublik. Der zentrale Platz des „Centru Civic“ wurde zuletzt vor wenigen Jahren umgestaltet, doch ein Hauch des kapitalistischen Konsumaufbruches der Nachwendezeit weht noch immer durch die McDonald’s-Filiale in der unteren Etage des Romarta-Komplexes. Statt dem modernen Grün und Braun dominiert hier noch das traditionelle Gelb und Rot.

Doch trotz der massiven Eingriffe in der sozialistischen Zeit konnte die Stadt einige ihrer markanten Bauten bewahren, welche zu dem beschriebenen architektonischen Kontrast führen. Besonders hervor treten das von Nicolae Ghica-Budești entworfene Alexandru-Lahovari-Kolleg (1913-1930), das Gerichtsgebäude (1898-1900), das Rathaus (1912) sowie die Alte Post (1907-1909) und auch die Hala Centrală (1902).

Neben diesen weltlichen Bauten bietet Râmnicu Vâlcea auch einen Abriss der religiösen Architektur der Walachei. Die deutschsprachige evangelische Gemeinde feiert ihre Gottesdienste beispielsweise in der 1863 erbauten Lutherischen Kirche in der Str. General Praporgescu, die auch von der reformiert-calvinistischen Gemeinde der Stadt genutzt wird. Der Fokus soll im Folgenden allerdings auf zwei orthodoxe Kirchen gelegt werden, die mit der politischen Entwicklung der Walachei verbunden sind.

Am östlichen Hang des Capela-Hügels, dem vermeintlich ehemaligen Stadtzentrum, befindet sich das Zentrum der Diözese (seit 2009 Erzdiözese) von Râmnic. Gegründet zu Beginn des 16. Jahrhunderts, während der Regierungszeit von Radu IV. dem Großen, knüpft sie an die etwa 100 Jahre zuvor untergegangene Metropolie von Severin an. Nach ihrer Einrichtung wurde die Diözese zum Zentrum des kulturellen und spirituellen Lebens der Region und unterstützte bis ins 18. Jahrhundert maßgeblich die Politik der walachischen Fürsten, von denen viele durch richterliche Funktionen, kirchliches Engagement oder der Gewährung von Privilegien mit ihr verbunden waren. Darüber hinaus förderte die Diözese im besonderem Maße auch die Entwicklung einer rumänisch-orthodoxen Identität in der Region, insbesondere durch den Druck von religiösen Büchern und Texten in rumänischer Sprache sowie durch die Etablierung des Rumänischen als Liturgiesprache. Bis zur Einrichtung der Metropolie von Oltenien im Jahr 1939 in Craiova war das Bistum Vâlcea für die gesamte Kleine Walachei zuständig.

Etwa zwei Kilometer nördlich findet sich mit dem „Schitul Cetățuia“ die älteste Kirche der Stadt. In ihrem Inneren wurde am 2. Januar 1529 der walachische Fürst Radu von Afumați von bojarischen Verschwörern ermordet. Aus dem Haus Drăculești stammend, musste der Sohn von Radu IV. dem Großen sich zunächst Mehmed Bey von Nikopol widersetzen, der mit Unterstützung der Hohen Pforte zum Statthalter der Walachei aufsteigen wollte, und kurze Zeit später auch internen Konflikten mit dem Haus Dănești. Dass die Rivalität zwischen Fürsten und Bojaren mit gegenseitigen Morden und anderen Gräueltaten ausgetragen wurde, war in dieser Epoche mehr die Regel als die Ausnahme. Im Übrigen war es ausgerechnet Radu von Afumați selbst, der die Cetățuia-Kirche zu Beginn des Jahrhunderts bauen ließ. Wenn man von dieser blutigen Episode ihrer Geschichte einmal absieht, dann beeindruckt das kleine Gotteshaus mit seiner Einfachheit und Originalität. Die Bemalung der Kirche führte Mitte des 19. Jahrhunderts der religiöse Maler Gheorghe Tattarescu aus.

Ein weiterer politisch-historischer Ort in der Stadt ist der Zăvoi-Park. Noch bevor das Naherholungsgebiet ab 1850 in einen modernen Park umgewandelt wurde, ertönte am 29. Juli 1848 in dem Auwald zum ersten Mal die spätere rumänische Nationalhymne „Deșteaptăte, române“. Intoniert wurde das kämpferische Lied während einer Versammlung von Revolutionären von Anton Pann, der kurz zuvor die Melodie zu dem patriotischen Gedicht „Un răsunet“ von Andrei Mureșanu komponiert hatte, welches als Text des Liedes dient. Im Zăvoi-Park erinnert heute eine Inschrift an den 29. Juli 1848.

Während russische Truppen bereits im Sommer 1848 das Fürstentum Moldau besetzten, zogen sich die revolutionären Kämpfe in der Walachei noch bis zur Besetzung der Region durch osmanische Truppen im September hin. „Deșteaptăte, române“ blieb auch nach der gescheiterten Revolution unter Rumänen im In- wie Ausland ein populäres Lied. Es wurde im Rumänischen Unabhängigkeitskrieg 1877/78 gesungen, im Ersten Weltkrieg und während der antikommunistischen Demonstrationen im Dezember 1989. Unweit des Zăvoi-Parkes befindet sich auch das Anton-Pann-Museum, in dessen Haus der Lyriker und Komponist 1827/28 sowie zwischen 1836 und 1840 lebte. Der Park selbst wurde zuletzt vor einigen Jahren modernisiert und lädt zum angenehmen Verweilen ein.

Unmittelbar an Râmnicu Vâlcea grenzt Ocnele Mari. Über der Kleinstadt lag am 11. August 1999 das Zentrum der totalen Sonnenfinsternis und unter ihr wird seit mehreren Jahrhunderten Salz abgebaut. In einer der zuletzt eröffneten Minen befindet sich auch die größte unterirdische christlich-orthodoxe Kirche. Der Eintritt kostet 30 Lei und ist damit um die Hälfte günstiger als der Zugang zum Salzbergwerk in Thorenburg/Turda. Unter Tage warten auf den Besucher Fußball-, Basketball- und Tennisplätze sowie ein Restaurant und eine etwas lieblos gestaltete Ausstellung. Der Zugang erfolgt mit dem Bus.

Der Abbau von Salz auf dem Gebiet von Ocnele Mari reicht zurück bis ins Neolithikum und möglicherweise sogar bis in die Bronze- oder Eisenzeit. Im Mittelalter war der Salzabbau eine wichtige Einnahmequelle für die Fürsten. Mehrere dieser wilden Minen stießen früher oder später auf Grundwasser und führten zur Bildung der Seen „Din Brazi“ und „Balta Roșie“. Im 19. Jahrhundert begann schließlich die systematische Ausbeutung der Lagerstätte. In der Mine „Sf. Ioan Vechi“ wurden zwischen 1836 und ihrem Einsturz 1895 in zwei Schächten das Salz abgebaut. In der Pavel-Mine erfolgte die Ausbeutung ab 1937 in acht trapezförmigen Kammern. Bis zu ihrer Stilllegung im Jahr 1963 wurden 3,8 Millionen Tonnen Steinsalz gefördert. Eine neuerliche Mine mit zwei Kammern eröffnete 1993, deren westliche seit 2009 für Touristen zugängig ist.