Zu Besuch bei Nikolaus Lenau

Einblick in das Leben der Banater Schwaben

Der Dichter Nikolaus Lenau hieß mit richtigem Namen Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau.

Lenau spielte als Kind Geige und Klavier.

Besonderes aus Lenaus Werk ist in Lenauheim ausgestellt.

Die Puppen tragen alle Banater Trachten.
Fotos: Raluca Nelepcu

„Ihr kriegt mich nicht nieder,/ Ohnmächtige Tröpfe,/ Ich kehre wieder und wieder/ Und meine steigenden Lieder/ Wachsen begrabend Euch über die Köpfe!“ Die Verse kennt wohl jeder Schüler des Nikolaus-Lenau-Lyzeums in Temeswar/Timişoara, zumindest ein Mal mag er sie irgendwo gehört oder gelesen haben. Es war der Banater Dichter Nikolaus Lenau, der sie zu Papier brachte – jener Schriftsteller, dessen Namen die deutsche Schule, aber auch eine Banater Gemeinde trägt – und das mit Stolz. Da, wo Nikolaus Lenau geboren wurde, gibt es heute eine Gedenkstätte. In der Gemeinde Lenauheim im Verwaltungskreis Temesch können Touristen das Haus, in dem Lenau eine Zeit lang gelebt hat, besichtigen.

Es ist ein schlechter Weg, voller Schlaglöcher, der sich durchs Dorf schlängelt. An beiden Seiten der Dorfstraße stehen ehemals schwäbische Bauernhäuser. Das imposante Gebäude im Dorfzentrum zieht alle Blicke auf sich. Es ist ein solider, langgestreckter, einstöckiger Bau mit großem Garten. Das breite Bogentor führt in eine mit Holzklötzen gepflasterte Einfahrt. 1776 war in diesem Gebäude das sogenannte Kameral-Rentamt untergebracht.

Ehemaliges Kameralhaus  zum Museum umgebaut

Im Jahr 1931 wurde die erste Lenau-Gedenkstätte im Kameralhaus durch die Bemühung des Arztes Dr. Fritz Klingler gegründet. Ein Lenaumanuskript, Fotokopien, literaturhistorisch-biographisches und volkskundliches Material wurde ausgestellt. 1969 wurde die Gedenkstätte in Zusammenarbeit mit dem Museum des Banats, dem Rat der Werktätigen Deutschen Nationalität und der Gemeinde Lenauheim saniert, erweitert und neu eingerichtet.

Heute verfügt die Lenau-Ausstellung über sieben Räume im linken Flügel und acht Säle im rechten Flügel des Obergeschosses. Steigt man rechts die Treppe hoch, kommt man in einem hellen Raum an, in dessen Mitte eine Geige auf einem Tisch steht. Der Dichter war nämlich als Kind musikalisch veranlagt: In Pest, wo er das Piaristengymnasium besucht, bekam er Geige- und Klavierunterricht. Von hier aus muss sich der Besucher nach rechts umschauen und dem Korridor entlang wandern, um in den linken Gebäudeflügel zu gelangen. Hier befindet sich nämlich die Lenau-Ausstellung. Es ist recht kühl im Raum, auch wenn draußen regelrechte Sommertemperaturen herrschen.

In chronologischer Reihenfolge hängen an den Wänden Bilder, Manuskripte und Briefe Lenaus. Sie veranschaulichen Aspekte aus dem Leben und Schaffen des Dichters, zeigen aber auch, wie sein Werk damals aufgenommen wurde. Eine zwiespältige Persönlichkeit, ständig auf der Suche nach der wahren Liebe: Das war Nikolaus Lenau.

Nach einer Beziehung mit Lotte Gmelin, der Nichte von Gustav Schwab, geht er nach Wien, wo er Max Löwental und dessen Frau Sophie kennenlernt. Er verliebt sich in die Frau seines Freundes, die ihm die Gefühle erwidert. Trotzdem will Sophie auf ihren Wohlstand nicht verzichten. Die Briefe zwischen Lenau und Sophie sind im Museum ausgestellt. Als er sich mit einer anderen Frau, Maria Behrends, verlobt, treibt ihn die eifersüchtige Sophie regelrecht in den Wahnsinn. Während seiner hektischen Hochzeitsvorbereitungen erleidet er einen Schlaganfall, auf den ein Tobsuchtsanfall folgt. Er muss schließlich in der Zwangsjacke in die Irrenanstalt nach Winnental gebracht werden.

Ein bedeutender Lyriker  Österreichs

Doch wer war eigentlich der Dichter Nikolaus Lenau? Nikolaus Lenau, eigentlich Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau, wurde am 13. August 1802 in Csatád, dem heutigen Lenauheim, im Banat geboren. Er wird als einer der bedeutendsten Lyriker Österreichs im 19. Jahrhundert bezeichnet.

Lenau wuchs ohne Vater auf und lebte mit seiner Mutter zunächst in Pest, dann in Tokaj und Pressburg. 1819 begann er sein Studium in Wien, danach wechselte er zu ungarischem Recht in Pressburg und wandte sich anschließend dem Medizinstudium zu. Schon in der Jugend fing er an, Verse zu schreiben. Nach dem Tod seiner Mutter 1829 versank Lenau in Melancholie, die 1832-1844 zur Inspiration für ein umfangreiches Werk wurde.

Die Erbschaft von seiner Großmutter ermöglichte es ihm, sich ganz dem Schreiben zu widmen. 1836 verfasste er „Faust. Ein Gedicht“, ein Jahr danach „Savonarola“ und 1844 begann er, „Don Juan“ niederzuschreiben. Im selben Jahr erlitt er einen Schlaganfall. 1850 starb er in der Pflegestätte des Dr. Görgen in Oberdöbling bei Wien.

Volkskundliche Ausstellung über Leben der Banater Schwaben

Im rechten Gebäudeflügel, der 1971 renoviert wurde, befindet sich das schwäbische Heimatmuseum. Acht Räumlichkeiten decken auf, wie die Banater Schwaben hier gelebt haben. Auf Wandtafeln sind wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Gemeinde Lenauheim eingetragen. Zeitdokumente und Manuskripte sind in einer Vitrine zu sehen.Doch ein Blickfang ist der große Kirchweihzug, in dem alle Trachten vertreten sind. Es sind zahlreiche Puppen aus allen Banater Gemeinden, die Volkstrachten tragen. Eine Foto-Ausstellung aus den 70er-Jahren ergänzt die Trachtenschau.

Geräte und Werkzeuge werden in einem anderen Raum aufbewahrt, darunter ein Holzfahrrad und ein Webstuhl. Mehrere Räumlichkeiten aus einem banatschwäbischen Haus vom Ende des 19. Jahrhunderts sind ebenfalls nachgebaut worden. Ein bemaltes Bett aus dem Jahr 1821 ist eines der wertvollsten Exponate. Wiege, Kinderwagen, geschnitzte Stühle und Tische sind ebenfalls zu sehen. Die alte Singer-Nähmaschine gehört zum Ambiente.

In der Küche stehen Herd und Geschirr aus längst vergangenen Zeiten, aber zu Essen gibt es nicht. Nur in der „Speis“, der Vorratskammer der Banater Schwaben, hängt ein lecker aussehender Schinken. Aber auch der ist nicht echt, sondern aus Plastik.

Unter Mitarbeit von
Ruxandra Berbecel

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Lenauheim und Gedenkstätte

Die Gemeinde Lenauheim liegt 45 Kilometer entfernt von Temeswar, der Hauptstadt des Banats. Hierher kommt man über die Nationalstraße DN59A, die nach Hatzfeld/Jimbolia und somit zur serbischen Grenze führt. In Hatzfeld fährt man rechts in die Grabatzer Straße hinein und kommt nach 14 Kilometer weiter in der ehemaligen deutschen Gemeinde Lenauheim an.

Lenauheim hatte 1865 ungefähr 3200 Einwohner, 1940 waren es 2400, davon über 95 Prozent Deutsche. Durch die Abwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg sank der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung auf zunächst etwa 50 Prozent. 1992 waren von 1400 Einwohnern noch etwa hundert Deutsche, 2006 nur noch ungefähr 60 Personen.

Die Nikolaus-Lenau-Gedenkstätte ist nicht zu übersehen, denn sie befindet sich an der Hauptstraße. Das Museum ist das ganze Jahr über von Montag bis Donnerstag zwischen 8 und 16 Uhr, sowie Freitag zwischen 8 und 12 Uhr geöffnet. Allerdings muss man sich davor beim Lenauheimer Bürgermeisteramt unter Tel. 0256/360428 anmelden. (rn)