Zu Fuß durch Bukarest

Mit zwei Touren zwei Seiten der Hauptstadt entdecken

Geschichten vor dem Nationalen Museum für Geschichte

Simona Sandu führt uns abseits der touristischen Wege: In einem Parkhaus mitten in der Stadt findet man sie, die Straßenkunst.

Von comicartigen Graffitis bis hin zu detaillierten Zeichnungen: Bukarests Street Art-Szene ist vielfältig.

Die Stavropoleos Kirche in der Altstadt
Fotos: Elisa Werner

Wenn man gerade erst angekommen ist in Bukarest, kann es vorkommen, dass so manch einer überwältigt ist von der Größe und dem Durcheinander, vor allem des Straßenverkehrs. Folglich heißt es, sich erst einmal einen Überblick über die Hauptstadt Rumäniens zu verschaffen. Auch wenn man nur kurz zu Besuch ist, lohnt es sich durchaus, die Geschichte und kulturelle Vielfalt Bukarests zu entdecken. Das geht natürlich am besten zu Fuß.

„Free Walking Tour“

Und gut zu Fuß sollte man schon sein, wenn man an der „Free Walking Tour“ teilnimmt. Gut zweieinhalb Stunden, wenn viele Fragen gestellt werden auch schon mal länger, werden wir durch die Stadt geführt. Vom Pia]a Unirii mit Sicht auf den Parlamentspalast geht es weiter, ein Stück die Dâmbovi]a entlang, die gemächlich ihrem betonierten Flussbett folgt. Erzählt wird die Entstehungslegende der Stadt durch einen Hirten namens Bucur und der schönen Dâmbovi]a, die ihm versprochen war. Nun biegen wir ein in die Altstadt Bukarests. Im Hanul lui Manuc erzählt uns der Führer nicht nur über die Geschichte des heutigen Restaurants und Hotels, sondern klärt auch über rumänische Spezialitäten, wie Sarmale und Mămăligă, auf.

Weiter geht es durch die mittelalterlichen Straßen zur Statue von Vlad Ţepeş. Das Thema Vampire scheint in Rumänien unvermeidlich zu sein, auch hier kommen wir darauf zu sprechen. „Ich hoffe, Ihr habt alle etwas Knoblauch dabei“, scherzt unser Führer. Wir ließen die Foltermethoden des walachischen Fürsten und den Vampir-Mythos hinter uns, passierten die Kirche des Heiligen Dumitru und gelangten zur Stravopoleos-Kirche, welche im angrenzenden Kloster noch immer Nonnen beherbergt. Sakrale Gesänge ertönten, während wir im Innenhof mehr über die Situation der Kirchen zu Zeiten Ceauşescus, aber auch über den Einfallsreichtum, mit welchem manche von ihnen vor dem Abriss gerettet werden konnten, erfuhren.

Von der Altstadt zum Revolutionsplatz

Weiter ging es am Restaurant Caru’ cu bere vorbei zum Nationalen Museum für die Geschichte Rumäniens. Mit der Traian-Plastik, die auf den Eingangsstufen zum Museum steht, wurde anhand der Bilder, die unser Führer zeigte, schon allerhand Schabernack getrieben. Mittels Photoshop oder eigenen Haustieren machten sich die Einheimischen über die unbeliebte Statue lustig. „Es ist eine Eigenart der Rumänien, sich über unliebsame Dinger erst einmal lustig zu machen“, klärte unser Führer auf. Über die Strada Lipscani schlenderten wir anschließend zur Macca-Vilacrosse Passage, aus der der Rauch von Wasserpfeifen waberte und einen Hauch von Orient verbeitete. Unsere Route führte uns weiter die Calea Victoriei hinauf zum Militär-Palast, der der Pariser Oper nachempfunden ist. Vorbei an der ersten Brasserie Rumäniens und dem ehemaligen Nationaltheater (beides heute Hotels) setzten wir unseren Weg zum Revolutions-Platz fort. Dort gab es dann eine kleine Geschichtsstunde über die Zeit des Kommunismus in Rumänien und natürlich die Revolution. Wir passierten die Statue von Carol I. und gelangten zu unserer letzten Sehenswürdigkeit, dem Athenäum, vor dessen Eingang uns die Statue des Dichters Mihai Eminescu entgegenblickte.

Wer an der „Free Walking Tour“ teilnimmt, erfährt nicht nur etwas über historische Gebäude und die Geschichte Rumäniens. Man lernt genauso viel über das Land selbst: seine Spezialitäten, den Humor der Einheimischen sowie empfehlenswerte Restaurants oder Klubs in und außerhalb Bukarests. Wie der Name schon sagt, ist die Tour kostenlos, eine kleine Spende ist jedoch erwünscht.

„Alternative Tour“

Wer Bukarest ein wenig abseits der touristischen Wege kennenlernen möchte, der kann an der „Alternative Tour“ teilnehmen. Diese zeigt, wie der Name schon vermuten lässt, keine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt, sondern führt die Besucher in kleine Seitenstraßen und Hinterhöfe, wo sich die Werke diverser Straßenkünstler bewundern lassen. Vom Universitätsplatz ausgehend, machen wir unseren Weg durch die Altstadt, doch nicht, um sanierte Gebäude zu bewundern, sondern um sogenannte Street Art zu entdecken. Street Art bedeutet Straßenkunst und ist in Bukarest vielfach zu sehen. Von comic-artigen „niedlichen Kreaturen“, die mit ihren schrillen Farben und großen Augen einst das graue Stadtbild verschönern sollten und nun auf der ganzen Welt zu finden sind, bis hin zu den vom Künstler Ortaku mit Schablonen angefertigten Porträts reicht die Spannweite der Straßenkunst.

Manchmal muss man schon etwas genauer hinsehen, um versteckte Graffitis oder in Ecken geklebte Bilder zu erblicken. „Alternative Tour – alternative Gerüche“, warnt uns unsere Führerin Simona Sandu, als wir einen Blick durch ein zerbrochenes Fenster in ein verlassenes Haus hineinwerfen und uns ein beißender Geruch entgegenschlägt. Die Street Art-Szene gibt sich in Bukarest sehr dynamisch: Wo Simona letzte Woche einigen Interessierten noch Kunstwerke zeigen konnte, wurden sie diese Woche schon von anderen Künstlern oder Gebäudeinhabern übermalt oder überklebt.

Kunst, versteckt im Parkhaus

Wir setzen unseren Weg zum Piaţa Romană und dann entlang des General Gheorghe Magheru Richtung Süden fort und stoppen vor dem äußerlich unauffälligen Parkhaus Ciclop. Dort fand diesen Sommer eine Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst statt. Noch immer sind dort einige Street Art-Werke nationaler und international bekannter Künstler an den Wänden entlang der Auffahrt zu bewundern. Hier findet man träumerische Zeichnungen, provozierende Statements sowie ein übergroßes Plakat mit einer modernen Interpretation von Adam und Eva. Weiter geht es in die Strada Pictor Arthur Verona zu einer Mauer mit jährlich wechselndem Motto der Graffitis. Seit Kurzem ist sie, entsprechend dem Thema „Umwelt“, mit mahnenden Bildern umgestaltet worden :  Roşia Montană, brand-aktuell. Simona ließ es sich nicht nehmen, uns ausführlich über dieses Thema aufzuklären.

Unsere Tour endete nach ungefähr drei Stunden schließlich in einer alten Villa auf dem Boulevard Carol I. Nr. 53. Es handelte sich dabei um ein Kulturprojekt, bei dem junge Leute, die in dem verfallenden Gebäude zwar kostenlos wohnen dürfen, es jedoch eigenständig renovieren müssen. Mit dieser Form des alternativen Wohnens soll auf das Potenzial der vielen leerstehenden Häuser in Bukarest aufmerksam gemacht werden, erklärt uns einer der Hausbewohner.

Das Erdgeschoss der Villa wird für Ausstellungen lokaler Künstler und auch als Treffpunkt junger Leute genutzt.
Die Alternative Tour vermittelt den Teilnehmern einen komplett anderen Blick auf Bukarest und kann vor allem für Liebhaber zeitgenössischer (Straßen-) Kunst interessant sein. Sie stellt eine moderne Alternative zu der eher historisch geprägten Free Walking Tour dar. Die Teilnahme an der Tour kostet 55 Lei, inlusive Metro-Ticket und ein kleiner Snack.
Informationen über die beiden Touren, die von einer NGO und vielen Freiwilligen auf die Beine gestellt werden, findet man unter opendoorstravel.com/wp/ sowie  guided-bucharest.com.