Zu Gast beim Heiligen Nikolaus

Enge Altstadtgassen, leckeres Eis, vorlaute Italiener – eine Kurzreise durch Apulien

Das Wahrzeichen von Bari, der Heilige Nikolaus. In der romanischen Basilika San Nicola werden die Gebeine des Heiligen aufbewahrt, sie wurden im 11. Jahrhundert in die süditalienische Stadt gebracht.

Das UNESCO-Weltkulturerbe-Dorf Alberobello ist für die bestens erhaltene Trulli-Architektur des 17. Jahrhunderts bekannt. Die Bauweise der Trulli sollte der Steuerhinterziehung dienen.

Reizvoll ist die direkt auf der Kliffküste gebaute Kleinstadt Polignano a Mare, ein beliebtes Naherholungsziel der apulischen Bevölkerung.
Fotos: der Verfasser

Eng sind sie, die Gassen der Innenstadt von Bari, der Bari Vecchia, und an diesem Vormittag riechen sie nach billigem Waschmittel, ein bisschen nach Abflussreiniger. In die meisten Häuser kann man hineinblicken, Fenster und Türen sind meist offen, in vielen Fällen gibt es nur einen Vorhang an der Tür, so wie man ihn hierzulande auf dem Dorf anno dazumal hatte. Eine echte Signora knetet „Orechiette”, die für Apulien spezifische Pasta, man kann ihr bei der Arbeit zusehen.

Im Hinterzimmer schaut ein Herr fern, die Enkelkinder spielen vor dem Haus. In der Salumeria an der Ecke steht der Inhaber in der Tür, raucht eine dicke Zigarre und lädt in seinen Laden ein. In den Auslagen ruhen Schinken, Salami, die verschiedensten Käsesorten. Und natürlich die „Orechiette“, für zwei Euro das halbe Kilo. Für italienische Verhältnisse oder für das, was man für solche hält, geht es eher ruhig zu in der Bari Vecchia, obwohl ab und zu laut gesprochen wird. Ob die Leute streiten? Oder einfach nur laut sprechen? Man müsste genau hinhören; wer Rumänisch kann, kann relativ leicht begreifen, ob die im Geiste verwandten Italiener tatsächlich miteinander zanken oder nicht.

Jedenfalls werden sie sehr wütend und schimpfen schnell auf einen los, wenn sie bei Rot über die Straße laufen und mit Gehupe darauf aufmerksam gemacht werden. Oder wenn sie das Auto mitten auf der Straße stehen lassen, in Windeseile herausspringen und einem nur ein paar Sekunden bleiben, um den Aufprall zu verhindern. Dann schimpfen sie, die ansonsten so freundlichen Italiener, die Lebenskünstler am Lenkrad, die durchgeknallten Piaggio-Fahrer, die grau melierten Herren im Designeranzug, die über die breite Straße huschen und über deren Lebensmüdigkeit man sich sicherlich keine Fragen stellen muss. Lebensmüde sind sie nicht, ganz im Gegenteil. In der süditalienischen Großstadt Bari, der Hauptstadt von Apulien, dem größten Adria-Hafen Italiens, strömen am Samstagabend Jung und Alt gleichermaßen in die Innenstadt. In der Piazza Ferrarese, der Piazza Mercantile, am Corso Cavour und am Corso Vittorio Emanuele wimmelt es von Einheimischen. Sie stehen Schlange vor den Eisdielen, sie strömen in die Pasticcerias, sie besetzen die Restaurants. Eine beleibte Italienerin grillt Käse, „caciocavallo”, ihr wird von ihrem hageren Mann geholfen, allein das Rumkommandieren des sich mit seinem Schicksal Abgefundenen durch die resolute Dame ist ein lohnendes Spektakel.

Stadt der Kirchen

Das Gute an Bari ist, dass die Stadt, obwohl reizvoll, noch längst nicht zu einem überfüllten Touristenmagnet geworden ist. Besucher gibt es schon, allein wegen den Gebeinen des Heiligen Nikolaus von Myra. 1087 wurden diese von italienischen Seefahrern aus der Heimatstadt des Heiligen, dem heute türkischen Demre, gestohlen und nach Bari gebracht. Nur zur Sicherheit, hieß es. Denn in Anatolien wüteten die Seldschuken, das Byzantinerreich siechte dahin und die kostbaren Gebeine mussten vor den Muselmännern gerettet werden. Sie kamen also nach Bari. Die Basilika San Nicola wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten, während der normannischen Herrschaft in Süditalien, im romanischen Stil gebaut. Die beeindruckende Wallfahrtskirche begründete die Bareser Romanik und diente als Vorbild für zahlreiche Kathedralen in Apulien, heute pilgern zahlreiche Christen aus dem Westen und dem Osten, darunter sehr viele Russen, nach Bari. In der Innenstadt lässt sich nicht nur die Basilika San Nicola sehen, obwohl diese bei weitem die beeindruckendste Kirche der Stadt ist. Auch die 1170 bis 1178 erbaute Kathedrale San Sabino und selbstverständlich das „Castello Svevo di Bari”, das ab 1131 auf Befehl von Roger dem Normannen gebaute Schwaben-Schloss. Überhaupt zeugt dieses wuchtige Kastell, direkt am Meer gelegen, von den Einflüssen der Normannen und der Deutschen in Süditalien, unter Kaiser Friedrich II. So wurde während der Stauferzeit das Schloss umgebaut, es bekam seine Türme und die mit Figuren reich geschmückten Säulen und Torbögen, für die herausragende muslimische Steinmetze angeworben wurden.

Die Neustadt mit ihrem quadratischem Muster, entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts, auf Anregung des von Napoleon eingesetzten Königs von Neapel, Joachim Murat, bietet so manche Attraktion. Die gegen Ende desselben Jahrhunderts gebauten Jugendstilhäuser in den Straßen zwischen dem Bahnhof und dem Corso Vittorio Emanuele, zum Beispiel in der Via Dante Alighieri, zeugen von der Entwicklung der apulischen Hauptstadt. Auch ein Stück faschistischer Architektur gibt es in Bari, wie in allen größeren italienischen Städten, vor allem die zivilen und militärischen Verwaltungsgebäude an der Seepromenade, dem Lungomare Nazario Sauro und dem Corso Trieste. Und nicht zuletzt gibt es mehrere Theater, beeindruckend ist das 1903 gebaute Privattheater Petruzzelli am Corso Cavour.
Bari mag mit den touristischen Hochburgen des italienischen Nordens, der Toskana, mit Rom oder mit den anderen Großstädten des Mezzogiorno, Neapel und Palermo, nicht verglichen werden, aber genau darin besteht der Reiz dieser Stadt: Wer sehen will, wie es im südlichen Italien zugeht, der fahre nach Bari. Souvenirläden mit dem länderübergreifenden Kitsch gibt es nur in der Nähe der Basilika San Nicola, in den Restaurants essen Italiener, in den Luxusgeschäften der Via Sparano da Bari kaufen fast nur Italiener ein, die Kulisse ist echt, der Eindruck unverfälscht.

Küstenflair entdecken

Und dann gibt es natürlich das Umland, die Region Apulien mit ihren reizenden Kleinstädten an der Küste, mit tausendjährigen Kirchen, schmucken Gärten und weißen Häusern, die im südländischen Licht so wunderbar leuchten. Man miete also ein Auto, am liebsten einen Fiat Cinquecento oder einen Panda Nero, gewöhne sich an den selbst für einen im rumänischen Großstadtverkehr erprobten Fahrer gewöhnungsbedürftigen Verkehr und fahre hinaus nach Trani, der Kleinstadt mit normannischer Kirche und einer bereits 1063 verabschiedeten Seeverkehrsordnung („il primo codice de diritto marittimo”, heißt es in Trani nicht ohne Stolz), oder nach Brindisi, 110 Kilometer südlich von Bari. In Brindisi endete die römische Via Appia, eine wuchtige Säule erinnert daran. Mussolini ließ in den 1930er Jahren ein merkwürdiges Denkmal in Brindisi hinstellen, für die italienischen Seefahrer. Und in Brindisi bestieg Phileas Fogg, Jules Vernes Held, der in 80 Tagen um die Welt reiste, die „Mongolia”, die ihn, seinen Diener und den Privatdetektiv Fix nach Bombay brachte.

Ein Muss ist Alberobello, die wohl bedeutendste Attraktion der Region. Seit 1996 gehören die „Trulli”genannten Kraggewölbebauten aus Trockenmauerwerk zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es sind Arme-Leute-Häuser, die ab dem 17. Jahrhundert im Auftrag des Grafen Giangirolamo II. Acquaviva d´Aragona gebaut wurden, ohne Zement und Mörtel, nur aus Stein. Ein Steuerhinterzieher war der Graf allemal, denn gerade die Immobiliensteuer des Königreichs Neapel wollte er vermeiden, die Steinhäuser ließ er bei Heranrücken der königlichen Inspekteure abbauen und später dann wieder errichten. Mezzogiorno eben. Heute ist Alberobello von Touristen regelrecht besetzt, die Einheimischen wissen davon zu profitieren. Sie verkaufen zu gepfefferten Preisen Keramik, Olivenöl und verschiedene Produkte aus Mandeln, der Mandellikör schmeckt zweifelsohne. Polignano a Mare, der Badeort bei Bari, sollte ebenfalls im Programm stehen, die steile Küste, das blaue Meerwasser, die Grotten, sie sind sicherlich ein Stück mediterraner Idylle.

Entgehen lassen sollte man sich keinesfalls die guten Fisch- und Meeresfrüchtegerichte, die überall angeboten werden. Und wer keine Gewissensbisse hat, der sollte ruhig auch das Pferdefleisch probieren, in der L´Osteria del Borgo Antico in der Piazza Mercantile wird es hervorragend zubereitet. Man achte bloß auf die Öffnungszeiten, zwischen 16:30 und 20:00 Uhr sind die besseren Lokale in der Regel geschlossen. Es gibt allerdings Trost und der ist sehr süß: Die kleine, eher unscheinbare Eisdiele Pistacchio &  Cioccolato an der Ecke Corso Vittorio Emanuele/Corso Cavour bietet das wohl beste Nutella- und Pistazieneis in Bari. Und es hat durchgehend offen. Bari ist von Rumänien aus leicht erreichbar, für einen Wochenendausflug eignen sich Stadt und Region ohne Weiteres. Direktflüge gibt es ab Bukarest, Klausenburg/Cluj-Napoca und Temeswar/Timi{oara. Das Hotelangebot ist relativ breit, empfehlenswert sind die zahlreichen Bed & Breakfast-Unterkünfte, beim Frühstück sitzt man dann auch im Gästezimmer der Inhaberfamilie. Bei gutem Espresso, Croissants, frischen Früchten und italienischem Knäckebrot.