Frischer Wind im Energierecht

Der am 29. April 2021 vom Energieministerium zur öffentlichen Debatte vorgelegte Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/944 (nachträglich „Gesetzentwurf“) wird für einen „heißen“ Sommer auf dem rumänischen Energiemarkt sorgen.

Mit dem Ziel, den regulatorischen Energierechtsrahmen zu verbessern und den Wortlaut der Richtlinie 944 entsprechend umzusetzen, soll der Gesetzentwurf wichtige und lang erwartete Änderungen des Gas- und Elektrizitätsgesetzes Nr. 123/2012 bewirken. Weit nach Ablauf der auferlegten Umsetzungsfrist (d. h. 31. Dezember 2020) ist es zu erwarten, dass der Gesetzesentwurf im Laufe des Monats Juni mittels einer Dringlichkeitsverordnung in Kraft tritt.

Neue Marktbegriffe, ein erweiterter Marktzugang für neue Marktteilnehmer, grünes Licht für den Stromhandel durch direkt verhandelte bilaterale Stromverträge, das sind nur einige der wichtigen Themen, die der Gesetzesentwurf mit sich bringt. 

Grünes Licht für direkt verhandelte bilaterale Verträge

Die Situation direkt verhandelter PPAs (Stromkaufvereinbarungen) soll durch den Gesetzesentwurf endlich geklärt werden. Direkt ausgehandelte bilaterale Stromtransaktionen können nunmehr außerhalb der Energiebörse OPCOM abgeschlossen werden. Dies wird sich besonders positiv auf die Förderfähigkeit neuer Energieerzeugungsprojekte, aber auch auf die langfristigen Geschäftspläne der Unternehmen auswirken.

Bürger-Energiegemeinschaften – „New Kid on the Block“ im rumänischen Energiesystem

Sowohl natürliche als auch juristische Personen werden die Möglichkeit erhalten, an Energiegemeinschaften teilzunehmen. Damit werden sie, ohne ihre Rechte und Pflichten als Haushaltskunden oder aktive Kunden zu beeinflussen, an der Stromproduktion (einschließlich aus erneuerbaren Energiequellen) teilnehmen sowie aktiv zu Vertrieb, Versorgung, Verbrauch, Aggregation und Speicherung von elektrischem Strom sowie zu Energieeffizienzdiensten oder Ladediensten für Elektrofahrzeuge beitragen können.
Die Bürger-Energiegemeinschaft soll als eine juristische Person gegründet werden und kumulativ folgende Bedingungen erfüllen:
• sie beruht auf freiwilliger und offener Teilnahme und wird von ihren Mitgliedern/ Gesellschaftern, die natürliche Personen, lokale Behörden, Kommunen oder Kleinunternehmen sind, kontrolliert; 
• sie bezweckt vorrangig gegenüber den finanziellen Erträgen, Mitgliedern/ Gesellschaftern oder den Gebieten, in denen sie tätig ist, ökologische, wirtschaftliche oder soziale Vorteile zu verschaffen;
• sie ist an Stromherstellung (auch aus erneuerbaren Quellen), -Vertrieb, -Versorgung, -Verbrauch, -Aggregation oder -Speicherung bzw. Energieeffizienzdiensten oder Ladediensten für Elektrofahrzeuge beteiligt oder erbringt ihren Mitgliedern oder Anteilseignern andere Energiedienstleistungen.

Solche Energiegemeinschaften können laut Entwurf verschiedene Rechtsformen wie z. B.  Genossenschaften, Verbände, gemeinnützige Organisationen oder Stiftungen annehmen, wobei deren Hauptzweck darin bestehen muss, ihren Mitgliedern ökologische, wirtschaftliche oder soziale Vorteile anzubieten. Ihre Mitglieder können finanzielle Renditen für ihre Investition erzielen.

Gemäß dem Gesetzesentwurf sollen den Bürger-Energiegemeinschaften u. a. folgende Rechte und Pflichten zustehen: 
• diskriminierungsfrei direkt oder durch Aggregation zu allen Strommärkten Zugang zu haben und sogar grenzüberschreitend mit Strom handeln zu können; 
• in Bezug auf ihre Tätigkeit, ihre Rechte und Pflichten als Endkunden, Stromhersteller, -Lieferanten, Betreiber von Vertriebssystemen oder Marktteilnehmer, die an der Aggregation beteiligt sind, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig behandelt zu werden; 
• die Verantwortung für Ausgleichs- energie zu übernehmen oder zu delegieren, bzw. als Bilanzkreisverantwortlicher zu agieren; 
• finanziell die Ungleichgewichte, die sie im Energiesystem verursachen, zu verantworten; 
• für den Verbrauch des erzeugten Stroms aktiven Kunden gleichgestellt zu werden; 
• auf transparente und nichtdiskriminierende Weise berechnete Netztarife zu zahlen;
• Vertriebsnetze zu besitzen, einzurichten, zu kaufen oder anzumieten und diese autonom zu verwalten, wobei sie von den Bestimmungen für geschlossene Vertriebssysteme profitieren können sollen. 

Fazit und Aussichten

Die Möglichkeit, den Stromverkauf direkt zu verhandeln, ist zweifelsfrei positiv. Die Einführung der Bürger-Energiegemeinschaften könnte sich für Industrieparks, Produktionsanlagen oder -Gebiete von Gesellschaften einer Unternehmensgruppe, aber auch für Logistik-, Büro- und Wohnprojekte als wirtschaftlich rentabel und attraktiv erweisen. Die Mitglieder einer Bürger-Energiegemeinschaft werden somit erhöhte Unabhängigkeit im Stromverbrauch und bessere Energieeffizienz ihrer Anlagen erzielen können. 

Der Gesetzesentwurf ist derzeit noch in öffentlicher Debatte und muss nach Inkrafttreten von zahlreichen Anwendungsnormen ergänzt werden.


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