Kollektive Verhandlungspflicht für alle Arbeitgeber nach Verlagerung der Sozialabgaben

Wie berichtet, hat die Regierung zum 1. Januar 2018 u. a. die Sozialabgaben vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen. Rechtsgrundlage war die Dringlichkeitsverordnung („DVO“) 79/2017. In der vergangenen Meldung hatten wir dargestellt, was Arbeitgeber bedenken müssen, wenn sie die damit verbundene Senkung des Nettoeinkommens für die Arbeitnehmer ausgleichen wollen. In der Zwischenzeit hat die Regierung unangekündigt eine erneute Dringlichkeitsverordnung1 (die „neue DVO“) nachgelegt. Diese verpflichtet alle Arbeitgeber – unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten – dazu, diesbezüglich noch 2017 kollektive Verhandlungen zu führen.

Regelungen

Die neue DVO führt vorübergehend eine Reihe von Regelungen ein, die von den Grundsätzen des kollektiven Arbeitsrechts (laut Gesetz 62/2011 über den Sozialdialog – nachfolgend „SDG“) erheblich abweichen. Die wichtigsten Regelungen der neuen DVO sowie die dadurch vorübergehend außer Kraft gesetzten Prinzipien sind: 

Regelung DVO     

Regelung SDG (vorübergehend unanwendbar)

Alle Arbeitgeber – selbst wenn in ihren Betrieben weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigt sind, müssen kollektive Verhandlungen zur Anwendung der DVO 79/2017 führen.

Arbeitgeber, deren Belegschaft 21 unterschreitet, müssen grundsätzlich nicht kollektiv verhandeln.

In Betrieben, für die Tarifverträge abgeschlossen wurden, sind Zusatzurkunden, die diese ergänzen, zu verhandeln.

Solange ein Tarifvertrag in Kraft ist, ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht zur kollektiven Verhandlung verpflichtet.

Der Zeitraum für die Verhandlungen beginnt am 20.11. und endet am 20.12.2017.

Kollektive Verhandlungen dürfen maximal 60 Tage dauern.

Es besteht die Möglichkeit, dass für den Wirtschaftssektor des Arbeitgebers repräsentative dass Gewerkschaftsverbände an den Verhandlungen beteiligt werden2. Dies sogar dann, wenn keine Gewerkschaft gegründet wurde.

Das SDG ist dies nur möglich, wenn im Betrieb eine Gewerkschaft existiert, die dem Verband angeschlossen ist.

 

Hinweis: Die neue DVO sieht keine Verpflichtung vor, die Gehälter zu erhöhen. Eingeführt wurde nur die Pflicht, kollektive „Verhandlungen zur Anwendung der DVO 79/2017“ zu führen.

Probleme

Laut Einführung besteht der Zweck der neuen DVO darin, „kollektive Verhandlungen zu stimulieren“. Hierfür wird durch die neue DVO allerdings eine Verhandlungspflicht eingeführt. Diese Pflicht trifft dabei sogar diejenigen Arbeitgeber, die ansonsten grundsätzlich keinem Verhandlungszwang unterlägen.
Formulierung und Inhalt der neuen DVO sind z. T. mangelhaft. Folgendes ist unklar:

  •  Verhandlungspartner in Kleinbetrieben

Mangels Verhandlungspflicht gibt es in den kleinen Unternehmen in aller Regel keine Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertreter. Sämtliche Beteiligten sind deswegen logistisch nicht auf kollektive Verhandlungen vorbereitet. Müssen in diesen Fällen Arbeitgeber die Wahl von Vertretern initiieren?

  •  Ergebnis der Verhandlungen, wo kein Tarifvertrag besteht

Ist ein Tarifvertrag in Kraft, müssen die Zusatzurkunden dazu verhandelt werden. Für den anderen Fall ist dies ungeregelt. Rechtlich ist es abwegig, dass Arbeitgeber zum Abschluss eines Tarifvertrages gezwungen werden könnten. Das SDG stellt allerdings keine brauchbare Alternative dazu zur Verfügung.

  •  Möglichkeit von Arbeitskampfmaßnahmen

Verweigert der Arbeitgeber kollektive Verhandlungen oder scheitern diese, können die Arbeitnehmer normalerweise Arbeitskampfmaßnahmen, bestehend aus einer Schlichtung und weiteren Maßnahmen, ggf. sogar dem Streik, treffen. Gilt dies auch für diesen Sonderfall der Verhandlungen?

  •  Bußgelder bei Nichtbeachtung

Die neue DVO enthält an sich keine Sanktion für den Fall ihrer Nichtbeachtung. Kann die Sanktion laut SDG für die Verweigerung kollektiver Verhandlung (5000 bis 10.000 Lei) angewandt werden?


Maßnahmen für Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen sich aufgrund der neuen DVO möglicherweise erneut umstellen. Welche Maßnahmen sie genau treffen, ist u. a. davon abhängig, ob

  • im Betrieb Gewerkschaften bestehen;
  • eine davon als repräsentativ anerkannt ist;
  • Arbeitnehmervertreter für den Betrieb gewählt wurden;
  • ein Tarifvertrag in Kraft ist.

Fazit

Die Stimulation der kollektiven Verhandlungen auf Betriebsebene erreicht die DVO durch Einführung einer Pflicht hierzu. Man könnte sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung stellen. Die Antwort ist nicht einfach, muss bei der Prüfung doch einerseits berücksichtigt werden, dass der Arbeitgeber nicht Gehaltserhöhungen gewähren, sondern lediglich kollektive Verhandlungen dazu führen muss. Auf der anderen Seite hat die DVO zeitweise grundlegende Prinzipien des kollektiven Arbeitsrechts suspendiert. Zudem ist die Verhandlungsfrist äußerst kurz, und die Regelung ist teilweise unklar und erscheint stellenweise unfertig.

1 Dringlichkeitsverordnung (Ordonanță de Urgență) Nr. 82/16.11.2017, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 902 vom 16.11.2017
2 Durch Auslegung ermittelt; der Wortlaut der neuen DVO ist mangelhaft


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