Pflicht zum Schutz von Whistleblowern: Sind konzernweite Meldesysteme zulässig?

Demnächst müssen alle Unternehmen konkrete Maßnahmen zum Schutz von Personen, die anonym auf unrechtmäßige Aktivitäten hinweisen („Whistleblower“), treffen. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Whistleblower-Richtlinie1 umzusetzen. 

Konzerne haben sich in jüngster Vergangenheit intensiv damit beschäftigt, zentrale Meldesysteme in den Compliance-Abteilungen zu errichten, um diese Verpflichtungen (kosten)effizient zu erfüllen.
In zwei umstrittenen Stellungnahmen teilt die EU-Kommission nun mit, ausschließlich zentral oder regional angesiedelte Melde- und Untersuchungssysteme für Unternehmen aus Großkonzernen seien unzulässig. Im Lichte dieser zwingenden Auslegungshinweise sind konzernweite Compliance-Systeme neu zu hinterfragen und ggf. mit lokalen Meldesystemen zu ergänzen.

Eigenes Meldesystem für jedes Unternehmen

Die Kommission argumentiert, der Schutz der Whistleblower und eine höhere Anzahl von Anzeigen werden nur dann erreicht, wenn jedes Unternehmen mit mehr als 49 Mitarbeitern ein eigenes Whistleblowing-System errichtet. 

Dieses sei einerseits leichter zugänglich für Whistleblower, die nicht unbedingt Mitarbeiter der betroffenen Gesellschaft sind (und somit grundsätzlich keinen Zugang zu einem konzerninternen Meldesystem haben). Andererseits könne ein lokales Meldesystem auf die nationale Umsetzung der Richtlinie (z. B. Fristen für die Eingangsbestätigung, finanzielle Anreize, ggf. persönliche Treffen) zugeschnitten werden. Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass ein lokales Meldesystem die Identifizierung eines Whistleblowers eher erleichtert, was geeignet ist, diese von Anzeigen abzuschrecken. 

Ob ein lokales Meldesystem im Vergleich zu einer zentralisierten Lösung auf Konzernebene tatsächlich effizienter ist, ist unklar. Definitiv bewirkt dies allerdings erheblich erhöhte Personal- und Organisationskosten. Liegt die Kommission mit der Auslegung falsch und vertrauen Whistleblower keinen lokalen Meldesystemen, so werden sich diese eher an externe (behördliche) Stellen wenden, was das Image des Unternehmens deutlich schädigen kann. 

Vereinfachung für mittelgroße Unternehmen 

Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern sollen (unabhängig von der Gruppe) aufgrund Art. 8 Abs. 6 der Whistleblower-Richtlinie dennoch über die Möglichkeit verfügen, einige Melde- und Untersuchungskapazitäten zusammenzulegen. 

Hierfür müssen sie gleichzeitig auch lokale Meldesysteme einführen, den Hinweisgeber darüber informieren, dass Anzeigen auf zentraler Ebene übersandt und geprüft werden, und diesem ein Widerspruchsrecht hiergegen einräumen. Sämtliche Maßnahmen zur Kommunikation mit dem Hinweisgeber, wie Statusverfolgung und Sanktionierung, müssen auf lokaler Ebene erfolgen. 
Praktisch bedeutet dies, dass Meldungen für solche Unternehmen zwar durch eine zentralisierte Stelle entgegengenommen und geprüft werden können, jedoch interne/lokale Einrichtungen für den weiteren Ablauf und die Rückmeldung erforderlich sind.

Speziell für Konzerne ergibt sich aus der Begründung der Richtlinie, dass Muttergesellschaften Meldungen der Mitarbeiter kleinerer Tochtergesellschaften entgegennehmen können und in gewissen Fällen auch prüfen dürfen.

Insofern ist es laut Auslegung der Whis-tleblowing-Richtlinie nicht untersagt, ein zentrales System zu errichten, dieses muss allerdings parallel mit dem zwingenden lokalen System funktionieren. Der Hinweisgeber hat somit die Möglichkeit, zwischen den beiden Systemen zu wählen, wobei durch eine gezielte Unternehmenspolitik das zentrale Hinweisgebersystem bevorzugt werden kann. Auch für Verstöße, die einer Untersuchung auf Konzernebene bedürfen, muss der Hinweisgeber seine Zustimmung erteilen. 

Offen bleibt dennoch, ob das Unternehmen die Verstöße weiterhin verfolgen und untersuchen muss, wenn der Hinweisgeber die Anzeige zurücknimmt.

Große Konzernunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern haben keine Möglichkeiten, Kapazitäten zusammenzulegen und müssen komplett funktionierende lokale Systeme aufstellen.

Fazit und Ausblick

Die aktuellen Auslegungshinweise der EU-Kommission sind für Konzerne überraschend, wenig überzeugend und schwer umzusetzen. Sie erhöhen Personal- und bürokratischen Aufwand deutlich, sodass Sonderlösungen auf nationaler Ebene gesucht werden müssen. Die nationale Regelung, einschließlich zur Kombination aus zentralen und lokalen Systemen, wird noch erwartet.
Letztendlich gilt es, ein System zu schaffen, das ein Gleichgewicht zwischen einem besseren Schutz und einer erhöhter Motivation der Whistleblower zu Anzeigen herstellt. Konzerne müssen sich noch mehr Gedanken über die Organisation machen; ein Outsourcing an Dritte erscheint in vielen Fällen als eine bessere und kostengünstigere Lösung.


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