Das Ende der eigenständigen Stadtrepublik Kronstadt (II)

Bürgeraufstand (1688) und Stadtbrand (1689) / Von Thomas Şindilariu als Einleitung zur Chronik von Marcus Fronius

General Antonio von Caraffa (zeitgenössischer Kupferstich)

Das habsburgische Reich war auf der absoluten Macht des Monarchen aufgebaut. Diese kam vor allem im Unterhalt eines stehenden Heeres, also einer Berufs- oder Söldnerarmee zum Ausdruck. Das Vordringen des absolutistischen Herrschaftsprinzips in Europa kann auch als Wettrüsten verstanden werden, das im Inneren zur Zurückdrängung der Steuerbewilligungskompetenz der Stände und im Äußeren territorialen Zugewinn zur Notwendigkeit hatte, um dieses Organisationsprinzip überhaupt finanzieren zu können. Die Trennung von ziviler und militärischer Gesellschaft war ein äußerst kostspieliges Unterfangen, Geldmangel sein ständiger Begleiter. Die Steuerintensität in einem absolutistischen Staat war infolgedessen auch ungleich höher als in einem allein ständisch verfassten. Diese Schieflage greift auch die Absolutismuskritik der lutherischen Orthodoxie auf. Als eine der Grundlagen für das theologische Gebäude von Fronius ist dieser Aspekt nicht wegzudenken.

Die Erfahrung lehrte, dass die bisherigen Experimente zur Einführung des Absolutismus in Siebenbürgen stets am erheblichen Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit gescheitert waren – warum sollte es also diesmal anders sein? Es kam aber anders. Breiter aufgestellt war die politische Koalition der „Heiligen Liga“ gegen die Osmanen, besser war die militärische und finanzielle Organisation der Kaiserlichen. Nicht desto trotz war auch die kaiserliche Armee, die ab Herbst 1687 in ganz Siebenbürgen bis auf die Fogarascher und Kronstädter Gegend stand, darauf angewiesen, sich weitgehend aus dem Land zu ernähren. Das bedeutete laufende Kontributionsforderungen in Form von Geld und Lebensmitteln an die im Landtag versammelten Stände, die zunehmend die Gestalt blanker Erpressungen annahmen. Die Ausgaben der Stadt Kronstadt hatten sich aufgrund der hohen Kontributionsleistungen an die kaiserliche Armee in der Zeitspanne 1685 –1688 beispielsweise mehr als versiebenfacht (1686: 36.287 Gulden; 1687: 68.283; 1687: 75.819 und 1688: 263.445)! Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kronstädter war durch diese Entwicklung schnell erschöpft. Ein klares Zeichen für die um sich greifende Armut ist die Tatsache, dass bereits im März 1688 das sprichwörtliche Tafelsilber an Geldes statt zur Erbringung der Kontribution akzeptiert werden musste.

Die Stimmung in Kronstadt gärte, v.a. da die Stadtobrigkeit auf ihrem Privileg der Kontributionsfreiheit beharrte. Dazu muss ein erklärendes Wort gesagt werden: die Steuerfreiheit der auf ein Jahr jeweils gewählten Beamten rührte aus der Entstehungszeit der Res Publica Coronensis her und war als Ausgleich des Verdienstausfalls der gewählten Kaufleute oder Handwerker gedacht. Der wirtschaftliche Niedergang infolge der Verlagerung der Haupthandelswege nach Asien vom Land aufs Meer, der Atlantikorientierung des europäischen Westens und nicht zuletzt der Gegenwart des Osmanischen Reiches, hatten nicht nur in Kronstadt dazu geführt, dass Steuerfreiheit und Einkünfte aus städtischem Beamtendienst lukrativer waren als selbstständiges bürgerliches Gewerbe. Die Folge war die Ausbildung einer städtischen Oligarchie, die lediglich formal noch in die Zünfte integriert war, aber längst keine handwerklichen Fertigkeiten mehr besaß.

Die Konfliktlinie in Kronstadt verlief in jener Zeit quer durch den so genannten Äußeren Rat, die Hundertmannschaft, wo sowohl Mitglieder der oligarchischen Familien auf ihr Aufrücken in den Stadtrat warteten als auch Repräsentanten des tatsächlichen Handwerkes vertreten waren. Das Recht zur Berufung neuer Stadträte oblag dem Stadtrat, folglich fehlte nicht mehr viel bis zur Erblichkeit der städtischen Ämter.
Um der kaiserlichen Armee Hermannstadt zu überlassen, verließ der siebenbürgische Fürst, Michael Apafi I., die Stadt. Damit der Anschein einer selbstständigen Politik gewahrt werden könne, wandte er sich an Kronstadt mit dem Ansuchen, ihm als Residenzstadt zu dienen. Der Stadtrichter Michael Filstich sagte zu, musste aber aufgrund des vehementen Widerstandes aus der Hundertmannschaft zurück stecken. Dieser hatte sich an der rechtlich verankerten Befreiung der Städte von der Aufnahme des Fürsten entzündet – die Erinnerung an den Konflikt mit dem tyrannischen Fürsten Gabriel Báthori aus den Zeiten des Stadtrichters Michael Weiss war hierbei sicher mit im Spiel. Apafi musste sich mit der eigenen Festung Fogarasch begnügen, in Kronstadt mussten jedoch auf Betreiben von Filstich die beiden Exponenten der Opposition in der Hundertmannschaft, der Goldschmied Kaspar Kreisch und der Schuster Stefan Beer, zum Jahresende 1687 aus dem Gremium ausscheiden.

Folge dieser Entwicklung war, dass das wichtigste politische Kapital, das Vertrauen zwischen Führern und Geführten, stark im Schwinden begriffen war. Die Gemüter erhitzten sich am Beharren der Stadtobrigkeit auf ihrer Freistellung von Kontributionen. Lediglich die Drohungen Caraffas und die Lüge der Stadtführung, dass die im März 1688 geforderte Kontribution von 850 Stück Schlachtvieh und 50.000 Gulden der Preis für die Verschonung der Stadt vor der Belegung durch kaiserliche Truppenteile sei, konnten die Lage noch einmal beruhigen.

Als nun aber am 12. Mai 1688 der Stadtrichter der Hundertmannschaft und der Bürgerschaft neuerliche Briefe der Stände, des Fürsten und Caraffas, letztere erneut mit unmissverständlichen Drohungen versehen, präsentieren musste, mit denen Kronstadt zur Aufnahme kaiserlicher Truppenteile verpflichtet werden sollte, wurde die Lüge offenbar; der Stadtführung wurde die Gefolgschaft versagt. Unter der Führung der genannten Kreisch und Beer, von Stefan Stenner (Hutmacher), Jakob Gaitzer (Schuster), Anton Lang (Fleischer) und Martin Rothenbächer (Lederer), in den Quellen als „nicht die geringsten Bürger“ bezeichnet und in ihren Zünften markante Persönlichkeiten, entstand ein neuer Stadtrat, der Kronstädter Bürgeraufstand nahm seinen Lauf.

Auf den Verlauf des Aufstandes soll hier nur insofern eingegangen werden, als es für das spätere Brandgeschehen relevant ist. Die völlig diskreditierte alte Stadtführung bemühte sich in den folgenden Tagen, auch unterstützt von der Pfarrschaft, die aufständischen Bürger zur Einsicht in die Aussichtslosigkeit der Lage zu bewegen. Das einmal verlorene Vertrauen konnte jedoch nicht zurück gewonnen werden, zumal sich hartnäckig das Gerücht hielt, der Stadtrichter habe sich von den Kaiserlichen für die Übergabe des Schlosses mit einer stattlichen Summe bestechen lassen, wofür es im Europa jener Zeit durchaus Präzedenzfälle vergleichbaren Zuschnitts gab. Struktur und Verlauf des binnenstädtischen Konflikts war solchermaßen geartet, dass das Bemühen der alten Stadtführung genau zum Gegenteil des Beabsichtigten, nämlich zur Bekräftigung der Aufständischen in ihrer Entschlossenheit zur Wahrung der ständischen und städtischen Freiheit führte. Am 26. Mai, nach mehrstündigen Kämpfen, ergaben sich die Aufständischen dem mit 3.000 kaiserlichen und 5000 fürstlichen Bewaffneten angerückten kaiserlichen General Veterani.

Auf die von Maja Philippi in hervorragender Weise untersuchten sozialen Radikalisierungsphasen des Aufstandes soll hier nicht weiter eingegangen werden, sondern nur erwähnt werden, dass die Unterhandlungen der Aufständischen mit den Vertretern des Kaisers und des Fürsten die Verschonung der Stadt mit der Aufnahme von Truppen als den Kern des Konfliktes in Erscheinung treten lassen. Die Höhe der Kontributionen war zweitrangig. Auf diese Position konnte die kaiserliche Seite nicht eingehen, da sie einer Bestätigung der ständischen Freiheit und der Preisgabe des absolutistischen Herrschaftsprinzips gleichgekommen wäre.

Veterani war nicht Caraffa, was für die aufständische Stadt letztlich ein Glücksfall war. Veterani ließ Gnade gegenüber des soeben beendeten Hochverrats walten, denn nichts anderes war das Verhalten der Stadt letztlich aus Sicht der Habsburger. Grund hierfür war nicht etwa Verständnis für die Aufständischen, sondern das schlichte Kalkül, dass man auch künftig auf die Kontributionen der Stadt angewiesen sei. Ferner hatte man wegen des Aufstandes bedeutende Truppenteile im Burzenland gebunden, die eigentlich für den Vormarsch über Lippa (Lipova) Richtung Belgrad benötigt worden wären. Das Gebot der Stunde, war also Eile, Strafe wurde allein in Form von Kontributionen vorerst eingefordert. Leer gingen dabei freilich die kaiserlichen und fürstlichen Soldaten aus, denen das Plündern der Inneren Stadt verwehrt wurde, was im Falle eines niedergeschlagenen Aufstandes recht ungewöhnlich war.

Ein Jahr später, im April 1689, gärte es erneut in der Stadt. Alle Vorbehalte dem kaiserlichen Militär gegenüber hatten sich bestätigt. Kasernen gab es noch keine, daher war das Militär in den Bürgerhäusern untergebracht. Die Soldaten exerzierten allenfalls, arbeiteten aber nicht, sie behinderten eher das bürgerliche Handwerk. Ein Übriges zum Ansteigen der Spannungen trug auch die Tatsache bei, dass sie dem schönen Geschlecht wie dem Alkohol zugetan waren. Die Ahndung von disziplinaren und rechtlichen Vergehen der Soldaten war aufgrund der von der Gegenreformation bewirkten Überordnung der katholischen gegenüber den protestantischen Konfessionen quasi ausgeschlossen. Kurzum, Kronstadt unterlag einem verhassten Besatzungsregime. Die Anführer des Aufstandes waren noch nicht hingerichtet und viel fehlte in den Apriltagen des Jahres 1689 nicht bis zur neuerlichen Erhebung der Bürgerschaft. Doch dann brannte Kronstadt.

Das Brandgeschehen selbst schildert Fronius aus Sicht des Intellektuellen, wie abgeklärten Beobachters hinreichend detailliert. Daher wollen wir nur eine Frage hier aufgreifen, die der Brandursache: Selbstzensur der Chronisten, Loyalität der Zeitgenossen wie Nachgeborenen zum Hause Habsburg sowie die sprachliche und kulturelle Verbundenheit zu Wien und Österreich, haben dazu geführt, dass diese Frage bisher mit der gebührenden Deutlichkeit nicht beantwortet wurde. Wenn man beim ersten Brandherd in der unteren Burggasse vielleicht noch von einem Unglück sprechen kann, obwohl die Indizien dafür äußerst mager sind, so ist das zeitgleiche Ausbrechen von Feuer an vielen Stellen in der Stadt zu derselben Zeit ein klarer Hinweis auf Brandstiftung. Das quasi nachträgliche Abfackeln der Stadtpfarrkirche macht aus den Vorgängen des 21. April 1689 einen Exzess der österreichischen Besatzungsmacht gegen die Stadtbevölkerung, der sich möglicherweise aus Gründen des Selbstschutzes der plündernden Soldaten eine antiprotestantische Stoßrichtung gab.

Da es nicht im Interesse der habsburgischen Militärführung gelegen haben kann, Kronstadt als Kontributionszahler zu verlieren, haben wir für die Überschreibung des Vorgangs den Begriff „Kollateralschaden“ vorgeschlagen. Militärgeschichtlich wäre einmal der Frage nachzugehen, inwiefern das Verhalten von nachgeordneten Chargen des in Kronstadt stationierten kaiserlichen Militärs an jenem Apriltag ein Nachspiel gehabt hat. Wenn man berücksichtigt, dass Plündern eine wichtige Einkommensquelle für die Soldaten jener Zeit war, so kann man durchaus verstehen, dass aus ihrer Sicht der 21. April 1689 ein Tag der Gerechtigkeit gewesen ist, an dem das ihnen noch im Vorjahr zustehende Recht der Plünderung endlich zuteil geworden ist.

Beide Ereignisse, Bürgeraufstand wie Stadtbrand, hatten ein juristisches Nachspiel. In beiden Fällen trat die fürstliche Verwaltung als Akteur auf, um den Anschein staatlicher Eigenständigkeit aufrecht zu erhalten. Beim Bürgeraufstand belegen einige überlieferte Zeugenaussagen die umfangreiche Tätigkeit der fürstlichen Kommission – das Verfahren und die Urteilsfällung blieb dem Stadtrat vorbehalten und fiel in Anbetracht von Brand und Volksstimmung mit nur 5 Todesurteilen und einigen Geldstrafen eher zurückhaltend aus. Im Falle des Stadtbrandes reiste die fürstliche Untersuchungskommission bereits nach 4 Tagen aus Kronstadt wieder ab – zu eindeutig war die Beweislage offensichtlich gegen die kaiserliche Armee.

Aufstand und Brand werden gewissermaßen Eins am 19. September 1689, dem Tag der Hinrichtung der 5 Anführer des Aufstandes. Vor der Kulisse der abgebrannten Stadt sterben sie als Helden der Bürgerschaft, der Verlauf der Dinge hatte ihnen recht gegeben, dass nämlich die ständische und bürgerliche Freiheit auch ein hohes Opfer wert war. Der Stadtrat stand öffentlich weiterhin in völligem Misskredit. Für das historische Bewusstsein Kronstadts aber auch für den konfessionellen Beharrungswillen der Kronstädter war dieser Tag mit Sicherheit ein Schlüsselerlebnis.

Damit war das Ende der Res Publica Coronensis als weitgehend eigenständiger Stadtstaat besiegelt. Die militärische Kompetenz als Grundvoraussetzung der politischen Eigenständigkeit war für immer verloren. Die Ereignisse ermöglichten es wohl gerade wegen ihres katastrophalen Verlaufs einen beträchtlichen Teil der überkommenen Denkstrukturen aus Trotz und Überzeugung in ein neues Zeitalter hinüber zu retten, wo es in zunehmendem Maße über Verwaltungswirken neue Gestaltungsmöglichkeiten gab.

 (Schluss)