1700 Jahre jüdisches Leben im heutigen Deutschland

Der rumänische Diplomat Constantin Karadja rettete Tausende vor dem „deutschen Tod“

Neben der jüdischen Geschichte widmete sich die erste Webinar-Veranstaltung auch der jüdischen Literatur und dem Theater. Maia Morgenstern (Bild) und das jüdische Theater in Bukarest gaben den kulturellen Beitrag.
Foto: Magna Cum Laude-Reut-Stiftung

Im Jahr 321 erließ der römische Kaiser Konstantin ein weitreichendes Dekret: Künftig konnten auch (männliche) Juden in Ämter der Kurie und der Stadtverwaltung von Colonia Claudia Ara Agrippinensium berufen werden – dem heutigen Köln. Dem vorangegangen war eine Anfrage aus der Hauptstadt der römischen Provinz Germania secunda. Es ist die aktuell früheste erhaltene Urkunde zur Existenz einer jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen.

Das Dekret von Kaiser Konstantin bildet damit auch die Grundlage für das diesjährige Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ – besser: auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Den Auftakt der Feierlichkeiten bildete am 21. Februar ein Festakt in der Kölner Synagoge. In seiner Ansprache würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Verdienste des Judentums, welches „entscheidend zum Aufbruch Deutschlands in die Moderne beigetragen“ habe.

Dass es nach der Shoah wieder jüdisches Leben in Deutschland gebe, es „sogar neu aufblüht“, sei ein „unermessliches Glück für unser Land“, betonte Steinmeier. Für das Festjahr wünsche er sich ein klares Bekenntnis, dass „Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Teil von uns sind“ – sowie ein entschiedenes Entgegentreten denen gegenüber, „die das noch oder wieder infrage stellen“. Die Bundesrepublik sei „nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen“. Das sei der Auftrag aus 1700 Jahre Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland.

Mit vier Webinar-Veranstaltungen im Mai, Juni, Oktober und November beteiligt sich auch die Botschaft der Bundesrepublik in Bukarest an dem Jubiläum. Dabei sollen insbesondere junge Menschen einen umfangreichen Einblick in das jüdische Kulturerbe in den deutschen Landen im Laufe der Jahrhunderte erhalten und mit Persönlichkeiten aus Diplomatie, Kultur und Bildung ins Gespräch kommen. „Das Ziel ist bewundernswert, da dieses Projekt darauf abzielt, Schüler aus Rumänien, Deutschland und Israel im Geiste der Toleranz und der Multikulturalität auszubilden. Über solche Projekte hinaus ist auch in Schulen mehr Bildung erforderlich, da der Mangel an Informationen zu Vorurteilen führt“, erklärte Kulturminister Bogdan Gheorghiu. Partner der Veranstaltungsreihe sind die Rumänische Botschaft in Berlin, die Israelische Botschaft in Bukarest sowie die Magna Cum Laude-Reut-Stiftung und der Laude-Reut-Bildungskomplex.

„Wir feiern dieses Jubiläum auch hier in Rumänien, weil uns das jüdische Leben verbindet. Wir haben eine sehr lange gemeinsame Tradition der jüdischen Kultur in unseren Ländern. In Deutschland gibt es schriftliche Beweise aus dem Mittelalter. Und in Rumänien finden wir wunderbare architektonische Zeugnisse: den Choral-Tempel in Bukarest, die Synagogen in Jassy, Großwardein und vielen anderen Ecken des Landes. Gleichzeitig sind 1700 Jahre jüdisches Leben ein starkes Symbol für den Sieg von Kultur und Zivilisation über Barbarei und Tod. Mit diesem Projekt möchten wir eine Botschaft der Multikulturalität und des Verständnisses zwischen den Völkern senden“, erklärte Botschafter Cord Meier-Klodt in einer Video-Botschaft.

Moderiert wurde die Eröffnungsveranstaltung von Tova Ben Nun-Cherbis, der Gründerin und Präsidentin der Laude-Reut-Stiftung sowie des Laude-Reut-Bildungskomplexes. Einen Einblick in die jüdische Geschichte in deutschen Landen gab der Historiker und Professor Adrian Cioroianu.

Eine der von Meier-Klodt erwähnten historischen Verbindungen zwischen Juden und dem deutschen sowie dem rumänischen Staat zeigte Botschafter Emil Hurezanu in einem Video-Beitrag zu seinem Amtsvorgänger Constantin Karadja. Der Diplomat aus einer griechisch-phanariotischen Adelsfamilie erhielt nach dem Ersten Weltkrieg die rumänische Staatsbürgerschaft und diente dem Land unter anderem als Generalkonsul in Berlin (1932–1941) und als Leiter der Konsularabteilung im Außenministerium (1941–1944). In beiden Positionen bemühte sich Karadja kontinuierlich um die Rettung von Juden rumänischer Staatsangehörigkeit. Dabei gelang es ihm unter anderem im Jahre 1944, rund 4000 rumänische Juden aus Vichy-Frankreich und mehr als 51.000 Juden aus Ungarn vor der drohenden Deportation nach Auschwitz zu retten. Für seinen persönlichen Einsatz zur Rettung jüdischer Leben wurde der Diplomat, der bereits 1950 in Bukarest verstorben war, im Jahr 2005 vom israelischen Staat als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Constantin Jean Lars Anthony Démetre Karadja – geboren in Den Haag – steht damit in einer langen Liste von nichtjüdischen Einzelpersonen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft während des Zweiten Weltkrieges ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten.

Die weiteren Webinar-Veranstaltungen finden am 15. Juni, 20. Oktober und 16. November jeweils zwischen 16 und 18 Uhr statt. Diese können über die Seite laude-reut.ro verfolgt werden. Auch die Auftaktveranstaltung kann bei dort nachgesehen werden. Das Thema im Juni ist „Musik“.