1938: Der Terrornovember der Legionäre (1)

1938 gab es in ganz Rumänien eine Häufung von ideologisch motivierten Hassanschlägen, die vor allem Juden im Visier hatten

Im November 1938 haben die rechtsextremen und nationalistischen Legionäre in ganz Rumänien eine Reihe von Anschlägen, Brandstiftungen und brutaler Angriffe auf friedliche Bürger, Persönlichkeiten, Firmen und Objekte jüdischen Eigentums verübt. Im Kontext dieser Gewaltwelle haben die Autoritäten des damaligen diktatorischen Regimes, das König Carol II. installiert hatte („Dictatura Carlistă”), viele der Legionäre, die mit den Terroranschlägen in Verbindung standen, verhaftet und ohne Gerichtsurteil umgehend erschossen. Dieses Schicksal erlitt auch der Führer der „Legion des Erzengels Michael”, Corneliu Zelea-Codreanu, der, zusammen mit mehreren engeren Mitarbeitern, Ende November 1938 erschossen wurde. 

Eines der blutigsten Attentate, zu dem bislang ziemlich wenige Einzelheiten bekannt wurden, war der Terroranschlag vom 26. November 1938 auf die Zuschauer im Saal des „Gemeindetheaters” von Temeswar – jenem Aufführungssal, den sich heute das Deutsche und das Ungarische Staatstheater Temeswar teilen. In der Folge des Bombenanschlags zu Beginn starben vier Personen und etwa 70 wurden verletzt.

Die Terrornetzwerke der Legionäre waren 1938 in ganz Rumänien aktiv. Sie organisierten blutige Anschläge, Brandstiftungen und gewalttätige Attacken. Hauptziele der Anschlagswelle, die im November 1938 registriert wurde, waren Juden. Diese Tatsache ist ein vielsagendes Beispiel dafür, dass der ideologische Auslöser der Terroranschläge der strukturelle Antisemitismus war, ein Charakteristikum des Rechtsextremismus und der extremen Rechten jener Zeit. Das muss betont werden, weil im Nachhinein (und bis heute) zahlreiche Versuche unternommen wurden und werden, diesen Atisemitismus zu verneinen oder zu bagatellisieren, wofür Memoiren genutzt werden, die Publizistik, auch öffentliche Erklärungen seitens früherer Legionäre oder von heutigen Sympathisanten der Eisernen Garde/Garda de Fier.

Das erste Opfer der Anschlagswelle vom November 1938 war der Gewerkschaftler und lokale Führer der Sozialdemokraten von Großwardein/Oradea Mare, der Rechtsanwalt Dr. Emil Böszörményi (1890-1938), den der Legionär Nicolae Andor erschoss. Die zeitgenössischen Medien aus Rumänien berichteten über diesen Anschlag. Wegen der Zensur hielten sich die Medien aber von Kommentaren zurück. Die Temeswarer Tageszeitung (mit offensichtlichen Nazisympathien) „Banater Deutsche Zeitung” (BDZ) berichtete beispielsweise am 4. November 1938 auf Seite fünf in einem kurzen Beitrag über den Mord von Großwardein, druckte den Beitrag aber mit einem mehr als verwirrenden Titel (man lese den entsprechenden Zeitungsausschnitt, den wir anbei mit Titel und Untertitel widergeben). Immerhin geht aus dem Beitrag hervor, dass Böszörményi in den Räumen der (während der Diktatur Carols II. aufgelösten) Sozialdemokratischen Partei von Nicolae Andor erschossen wurde und dass der Attentäter von zwei Personen begleitet/sekundiert wurde. Dass Andor von der Polizei verhaftet wurde. Dass seinen beiden Gesinnungsgenossen die Flucht gelang. Mit keinem Wort erwähnt die Zeitung aber, dass der Attentäter und seine beiden Gesinnungsgenossen bzw. Schmieresteher Mitglieder der Legion waren.

In den folgenden Tagen schwillt die Terrorwelle, ausgelöst von den Legionären, an. In Beiuș, im siebenbürgischen Erzgebirge, wird ein Holzlager in Brand gesteckt. Im Klausenburg wirft ein Legionär eine Handgranate in eine Studentenkantine, die vor allem von jüdischen Studenten besucht wurde. In Lugosch/Lugoj wird eine Textilfabrik angegriffen, das städtische Gaswerk und die Synagoge. Unweit von Radautz/Rădăuți in der Südbukowina, wird das Sägewerk „Cohn” in Brand gesteckt, während gleichzeitig in der Stadt Radautz mehrere Firmen, die Juden gehörten, verwüstet werden. In Reschitza wird in der damaligen „Elisabeth”-Gasse der Delikatessenladen des Wilhelm Deutsch, eines Juden, mittels langer Zündschnur mit einer Dynamitladung verwüstet. In die Synagoge von Reschitza wird eine Handgranate geworfen. Im damaligen Landeskreis Severin werden mehrere weitere Anschläge auf jüdische Firmen und Objekte in mehreren Ortschaften registriert. Ähnliche Terroraktionen und Anschläge gab es auch in Temeswar. In Alba Iulia/Weißenburg und in Sächsisch-Regen/Reghin wird vor dem Eingang zu den Synagogen Dynamit gezündet. In Karansebesch/Caransebeș wird die Fässer- und Parkettfabrik in der heutigen Balta Sărată in Brand gesteckt. Bei den Werken und Domänen Reschitza (UDR) wird noch rechtzeitig ein Komplott der Legionäre entdeckt, die vorhatten, das Sprengstofflager des Werks (damals auch ein Rüstungshersteller) in die Luft zu jagen. Im Kreis Hunedoara wird eine Apotheke verwüstet, die einem jüdischen Apotheker gehört hat. Am 27. November wird auf das Café „Metropol” im Klausenburger Stadtzentrum ein Sprengstoffanschlag verübt. Tags darauf wird auf den damaligen Rektor der Klausenburger Universität, Florian Ștefănescu-Goangă, ein Mordanschlag verübt, den dieser aber überlebt hat. Die beteiligten Legionäre wurden verhaftet.

Das blutigste Attentat des Monats November 1938 fand aber in Temeswar statt, am Abend des 26. November. Details dazu in unserer nächsten Folge

(Übersetzung und Bearbeitung: Werner Kremm)


Dieser Beitrag ist in dieser Woche in rumänischer Sprache in drei Folgen von Radio France International (RFI) erstveröffentlicht worden. Der im Banat geborene William Totok lebt als Journalist, Wissenschaftler und Schriftsteller in Berlin und forscht u. a. in den Archiven des rumänischen Geheimdienstes, CNSAS, Elena-Irina Macovei lebt als Forscherin in Bukarest. Beide haben zum Thema Rechtsextremismus in Rumänien veröffentlicht.