2022 – ein dreifaches Jubiläumsjahr

Deutsch-rumänische Freundschaft: Geschichte, Gedenken, Events

Im Mai organisierte das Bukarester Goethe-Institut mit dem Germanistik-Departement der Fremdsprachenfakultät ein Rockkonzert mit deutschen und rumänischen Rockbands.

Ausstellung der Fotokünstlerin Barbara Klemm auf „Art Safari“ | Fotos: George Dumitriu

Dieses Jahr wird die deutsch-rumänische Freundschaft und Partnerschaft gefeiert. Begangen wird nicht nur das 30-jährige Jubiläum der Unterzeichnung des Vertrags über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien, sondern auch eineinhalb Jahrhunderte seit der Eröffnung der ersten diplomatischen Vertretung Rumäniens in Berlin und 55 Jahre  seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland. Wie hat das alles begonnen – und wie erinnern wir uns heute an diese Meilensteine unser gemeinsamen Geschichte?

Das Verhältnis der Deutschen zu den Rumänen reicht eigentlich viel weiter in die Vergangenheit zurück. Den ersten Kontakt zum rumänischen Gebiet hatten die deutschen Siedler Mitte der 12. Jahrhunderts, als sie Geisa II., König von Ungarn, Kroatien, Dalmatien und Rama, einlud, das heutige Siebenbürgen zu besiedeln. Die Einwanderer,  größtenteils aus dem mittelrheinischen und moselfränkischen Gebiet sowie Bayern , entflohen damit den Hungersnöten und Seuchen in ihrem Land. Als freie Bürger mit zugesicherten Sonderrechten, Steuer- und Wirtschaftsvorteilen ließen sie sich in der neuen Heimat nieder. Die deutsche Minderheit in Siebenbürgen gilt als älteste deutsche Siedlergruppe in Osteuropa. Ihr Zusammenleben mit Rumänen, Ungarn, Szeklern und anderen Volksgruppen ist heute, ungeachtet ihrer Höhen und Tiefen im Laufe der Zeit, ein Vorbild interkultureller Verständigung und harmonischer Kohabitation. 

Rumänien sucht Fürsten

Im 19. Jahrhundert erreichten die deutsch-rumänischen Beziehungen ihren Höhepunkt: Die Vereinigten Rumänischen Fürstentümer, seit 1862 Rumänien genannt, suchten einen ausländischen Fürsten für ihren Thron. Sie entsandten den liberalen Politiker und späteren Premierminister Ion C. Brătianu nach Deutschland, um die Besteigung des rumänischen Throns durch Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen – ein Vorschlag des französischen Kaisers Napoleons III. – mit der gleichnamigen Fürstenfamilie zu verhandeln. Die Übernahme der Herrschaft Rumäniens durch den deutschen Fürsten wurde 1866 sowohl von der vorläufigen rumänischen Regierung beschlossen, als auch durch Volkswahlen, sogar mit 99,9 Prozent der Stimmen, gefordert und im rumänischen Parlament einstimmig gewählt. 

Beginn der diplomatischen Beziehungen

1872 wird unter der Leitung von Theodor Rosetti, des späteren rumänischen Premierministers, die erste diplomatische Vertretung Rumäniens in Berlin eröffnet. Doch erst im Februar 1880 werden die diplomatischen Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland nach der öffentlichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Rumäniens auf dem Berliner Kongress aufgenommen.

Ein gerade von osmanischer Oberherrschaft befreites Rumänien krönte 1881 die frisch verheirateten Fürsten Karl und seine Ehefrau, Prinzessin Elisabeth zu Wied, zum Königspaar. Mit ihnen zogen ein vielköpfiges Gefolge aus Deutschland sowie zahlreiche Fachleute aus allen Bereichen an den Hof König Karls I. 

Rumänien freute sich über die enge Verbindung zur deutschen Dynastie der Hohenzollern, deren fränkischem Zweig seit dem 18. Jahrhundert die Könige von Preußen sowie später, von 1871 bis zum Ende des Deutschen Kaiserreiches 1918, die deutschen Kaiser entstammten. 

Seinen deutschstämmigen Königen verdankt Rumänien seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich, seine Verfassung und Modernisierung, die Erfolge im Ersten Weltkrieg, die Große Wiedervereinigung 1918 und vorteilhafte strategische Entscheidungen im Zweiten Weltkrieg, welche allerdings große Opfer und zweimal den Treuebruch an Deutschland zugunsten Rumäniens forderte. Infolgedessen verstieß die Fürstenfamilie Hohenzollern-Sigmaringen ihren rumänischen Zweig ab König Ferdinand und entzog ihm und den Nachfolgern das Recht auf die Nutzung des deutschen dynastischen Familiennamens. So wurde der spätere König Michael I. 1921 als erster Fürst allein von Rumänien und nicht mehr von Hohenzollern-Sigmaringen geboren. 

Beziehungen während des Kalten Kriegs

Das moderne Rumänien war schon immer, vor allem in der Politik und im akademischen Bereich, zwischen Frankophilie und Germanophilie zerrissen, weil Frankreich und Deutschland als prestigetragende Kulturen hochgeachtet wurden. Dies spielte aber mit der vollständigen Machtübernahme der Kommunisten ab 1947, als König Mihai I. zur Abdankung genötigt wurde, keine Rolle mehr. Nach und nach wurden die Verhältnisse zu den westlichen Staaten immer prekärer, wegen der Verbrechen und Verstöße des kommunistischen Regimes gegen den Rechtsstaat und die Menschenrechte. 

Unter dem totalitären sozialistischen Regimeging ging es der deutschen Minderheit in Rumänien besonders schlecht. Vom Januar 1945 bis Dezember 1949 wurden zwischen 70.000 und 80.000 Rumäniendeutsche aufgrund ethnischer Kriterien zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion als Reparation für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg verschleppt. Männer im Alter von 16 bis 45 Jahren wie Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren. Von den deportierten Sathmarer Schwaben verloren fast eintausend Menschen ihr Leben in den sowjetischen Arbeitslagern, von den Siebenbürger Sachsen knapp 12 Prozent und von den Banater Schwaben 15 Prozent. Die Überlebenden kehrten in zerrüttete Familien und Gemeinschaften zurück, wurden in den 50er Jahren enteignet und oft durch die Geheimpolizei Securitate verfolgt und schikaniert.

Wie stand es aber mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Sozialistischen Republik Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland? 1963 unterzeichnete Rumänien – drei Jahre vor allen anderen Staaten des Ostblocks – einen Vertrag mit der Bundesrepublik zur Eröffnung von Handelsvertretungen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland wurden am 31. Januar 1967 auf Botschaftsebene aufgenommen. Seither zahlte die BRD bis zur Wende 1989 zwischen 1,5 und drei Milliarden Deutsche Mark, um über 230.000 Angehörige der deutschen Minderheit aus dem kommunistischen Rumänien freizukaufen. 

1989 zählte man noch etwa 115.000 Siebenbürger Sachsen in Rumänien. Von diesen verließen binnen zwei Jahren mehr als 90.000 das Land. 

Nach der Wende

Die bilateralen Beziehungen normalisierten sich erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als der Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien am 21. April 1992 unterzeichnet wurde. 

Bei der Volkszählung 2011 lebten hier noch 36.042 Rumäniendeutsche, die sich auf gemeinschaftlicher und institutioneller Ebene durch das deutsche Schulwesen, mittels der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Vereinen, deutschsprachigen Publikationen wie der ADZ und der Hermannstädter Zeitung usw. bemühen, das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut zu bewahren und ihr Brauchtum zusammen mit der Sprache zu erhalten. Zudem investiert die deutsche Regierung viel Geld in Projekte u. a. des Goethe-Instituts, des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD, in die Förderung von Lehrkräften im deutschsprachigen Schulwesen, wofür der deutsche Botschafter Dr. Peer Gebauer letzte Woche einen Vertrag in Höhe von über 750.000 Euro unterzeichnet hat.

Wirtschaft und Politik heute

Auch im Bereich Wirtschaft ist Deutschland einer der stärksten Partner Rumäniens mit über 13 Milliarden Euro Direktinvestitionen, einer der größten privaten Arbeitgeber auf dem lokalen Markt mit über 7500 Unternehmen und ca. 250.000 Angestellten und darüber hinaus Rumäniens größter Handelspartner.

Was die Politik anbelangt, verfügt die deutsche Minderheit erstmals seit der Vorkriegszeit wieder über eine politische Interessenvertretung in Rumänien, das DFDR.

Bei den Kommunalwahlen 2000, besonders aber 2004, konnte man feststellen, dass es den Rumäniendeutschen trotz Abwanderung gelungen ist, auf politisch-administrativer Ebene wieder an Bedeutung zu gewinnen und zu einem nicht unwesentlichen Faktor des öffentlichen Lebens zu werden. Lebender Beweis dafür ist Präsident Rumäniens Klaus Werner Johannis, derzeit in seiner zweiten Amtszeit, aber auch die jüngsten Kommunalwahlen 2020, infolge deren das DFDR fünf Bürgermeistermandate, fünf Mandate im Hermannstädter Kreisrat, 23 Mandate in den Stadträten von fünf Landeskreisen und 46 Mandate in den Gemeinderäten dreier Kreise erlangte. 

Dreifaches Jubiläumsjahr – und wie man es begeht

2022 gilt als dreifaches Jubiläumsjahr der bilateralen Beziehungen, ihm wurden schon wichtige Veranstaltungen gewidmet: Den Startschuss gab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Mai auf Einladung seines Amtskollegen Klaus Johannis, Rumänien zu besuchen. 
Am vorletzten Wochenende desselben Monats organisierte das Bukarester Goethe-Institut zusammen mit Studierenden des Germanistik-Abteilung der Fremdsprachenfakultät ein Rockmusikkonzert mit deutschen und rumänischen Rockbands.

Ende Mai feierte die Politehnica-Universität in Bukarest das 20-jährige Jubiläum der Gründung der Fakultät für Ingenieurwesen in Fremdsprachen und zugleich den 30. Gründungstag ihres deutschen Studienganges durch einen Festakt in ihrer frisch eingeweihten Aula.  

Anlässlich des 30. Jahrestages der Unterzeichnung des deutsch-rumänischen Partnerschaftsvertrags wurde im Rahmen der 9. Auflage des  Kunstfestivals „Art Safari“ die Ausstellung „Helldunkel. Fotografien aus Deutschland“ mit 150 Fotografien der deutschen Fotokünstlerin und Fotoreporterin Barbara Klemm eröffnet.

Das Bukarester Goethe-Institut organisierte im Juni bis Ende Juli die Fotoausstellung „Noi2/Wir2“, welche mithilfe von Fotografien, journalistischer Erzähltexte und eines Dokumentarfilms 30 Paare aus Deutschland und Rumänien, die diese bilaterale Freundschaft beleben, porträtierte. Die Ausstellung soll im September auch im  Rumänischen Kulturinstitut Berlin gastieren. 

Ende Juli fand die 10. Auflage des alljährlichen Festivals zur Förderung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur, die „Haferlandwoche“, im Zeichen des deutsch-rumänischen Jubiläums statt. Dabei tagte u. a. die Deutsch-Rumänische Industrie- und Handelskammer (AHK), deren Gründungsmitglied Michael Schmidt, Mitbegründer der „Haferlandwoche“, Vorsitzender der M&V Schmidt Stiftung und des Betriebs „Automobile Bavaria“  ist. Es folgen weitere Veranstaltungen.

„Dreißig Jahre deutsch-rumänische Freundschaft sind Erfolg und Ansporn zugleich“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem rumänischen Amtskollegen Bogdan Aurescu. „Gemeinsam wollen wir unsere bilaterale Partnerschaft weiter ausbauen und an einer geeinten, widerstandsfähigen, sicheren und zukunftsfähigen Europäischen Union arbeiten. Gemeinschaftlich werden wir uns weiterhin für Europa, für unsere europäischen Partner, für unsere Freundschaft und für zunehmend engere Beziehungen zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern einsetzen.“