ADZ-Reihe: Wertvolle Jugendbücher

Willkommen in Opferland!

„Opferland. Wenn die anderen dich kaputt machen“ Bettina Obrecht, cbj Verlag ausgeliehen in der Bibliothek des Goethe-Instituts Bukarest, Calea Dorobanți 32/Pavilion, www.goethe.de/bukarest

Niemand mehr weiß, wie es passiert ist. Selbst Cedric nicht. Der Schulwechsel wegen des Familienumzugs schien bloß eine Koinzidenz. Doch von dem Tag an, als Cedric in die neue Klasse kam, legte sich ein Schalter um in seinem Leben. Von Bunt oder wenigstens allen Schattierungen von Grau war Cedric in eine Einbahnstraße gerutscht. Schwarz oder Weiß, sonst nichts. Gewinner oder Verlierer. Wer was war, bestimmten stets die anderen.

Es war nicht die falsche Jeans, die er trug. Nicht die falsche Musik, die er hörte. Nicht sein ausgefallener Name, der einem Kinderbuchhelden glich, oder die langen Haare. Auch nicht Schüchternheit oder ein peinlicher Tick. Hätte es eine Ursache gegeben, hätte man sich der Masse anpassen können. Nur nicht auffallen, das hatte Cedric damals  gelernt. Vergeblich. Es passierte immer wieder. 

Es trifft dich ganz ohne dein Zutun. Und es trifft dich im tiefsten Inneren. Es beutelt dich durch, stempelt dich zum Außenseiter, tagtäglich: an der Bushaltestelle, im Schulhof, in der Klasse, im Klo. Überall bist du der Störenfried, obwohl du gar nichts tust. Und wenn du dich wehrst, dann erst recht! Bevor Cedric kam, war die Klasse doch ganz problemlos, stellen die Lehrer fest. 

Es geht um Mobbing. Willkommen in Opferland!

Cedric wechselt mehr-mals die Schule. Doch immer wieder ist da einer, der ihn von früher kennt. „Das ist doch…“ Flüster. Tuschel. Tratsch. Und schon geht es wieder los. Die Achterbahnfahrt durch Opferland. 

Die Eltern sind die einzigen, die fest zu Cedric halten. Doch immer öfter hat Mama verweinte Augen und Papa flucht ausfallend über die Lehrer. Gottseidank ist seine Schwester Kaya ein beliebtes, problemloses Kind. Zwei wie ihn würden seine Eltern nicht verkraften, denkt Cedric. Und ist einverstanden mit einem neuen Schulwechel, diesmal weit weg, wo ihn wirklich keiner kennt. Dem letzen. Der letzten Chance. Dafür muss er die ganze Woche in einer fernen Stadt verbringen, weg vom vertrauten Familienalltag, dem warmen Nest, der Schwester, dem Kater. 

Endlich scheint alles gut zu gehen, die Flucht aus Opferland gelungen. Inkognito und zutiefst bedacht, als „Flüchtling“ nur ja nicht aufzufallen, lebt sich Cedric langsam ein. Was nicht leicht ist, wenn man mitten im Schuljahr wechselt und nicht zuhause wohnt. Ein Schatten ohne Vergangenheit, der nichts von sich erzählt und gerade deshalb bei so manchem Neugierde weckt und Phantasien beflügelt. Und schon postet Lars ein Bild von ihm auf Facebook: Wer ist dieser Cedric, wer kennt ihn?

Es passiert ausgerechnet im Filmclub. Cedric soll im neuen Film die Hauptrolle spielen! Doch als er das Thema erfährt, ist die Freude schnell dahin: Mobbing. Nein, einen Loser kann und will Cedric nicht spielen! Und als Lars ihn dann auch noch scherzhaft „Opfer“ nennt, brennen auf einmal alle Sicherungen durch... Da ist es wieder, das wilde, dunkle Tier aus früheren Panikträumen! Nur dass sich Cedric – diesmal wehrt. Vergeblich, schon bald ist er wieder der Außenseiter. Nur die stille Sinja hält noch zu ihm. Auch sie hat, wie er, ein wohlgehütetes dunkles Geheimnis... Werden es die beiden schaffen, Opferland endgültig hinter sich zu lassen?

Ein erschütternder Roman, der die Tragweite von Ausgrenzung und Mobbing unter Kindern – keinesfalls „harmlose Hänseleien“, wie manche Erwachsene meinen - hautnah vor Augen führt.