Alle wünschen sich die Schule, wie sie vor Corona war“

Gespräch mit Radu Chivărean, Direktor des Johannes-Honterus-Kollegs, Kronstadt

Erdkundelehrer Radu Chivărean leitet das Honterus-Kolleg seit vier Jahren als Direktor. Foto: Ralf Sudrigian

Das B-Gebäude des Honterus-Kollegs in Kronstadt. Die Schule wurde 1541 von dem Reformator und Humanisten Johannes Honterus als „Studium Coronense“ gegründet, als erstes humanistischen Gymnasium ganz Südosteuropas. Foto: Wikimedia

Es ist ungewöhnlich still im B-Gebäude des Kronstädter Honterus-Kollegs. Leere Klassenräume, keine Stunden, kein Pausenlärm. Schüler und Lehrer sind online, sehen und hören sich nur am Bildschirm. Ausnahme machen die Grundschulklassen, die alle im D-Gebäude Präsenzunterricht erhalten. Direktor Radu Chivărean kann, trotz Pandemie, gute Nachrichten melden: Neue Spenden sind eingetroffen, vermittelt vom Siebenbürgenforum (Arbeitshefte als Unterrichtshilfsmaterial vom österreichischen Veritas-Verlags, Unterstützung betreffend Lehrbücher von der Michael-Schmidt-Stiftung, Schulmöbel usw.) In Aussicht steht, in Zusammenarbeit mit dem Kronstädter Pädagogischen Lyzeum „Andrei Mureșanu“, die Gründung einer zusätzlichen Klasse für Grundschullehrkräfte, wobei die Hälfte davon Deutsch-Unterricht erhält.

Im Gespräch, das Ralf Sudrigian im Honterus-Kolleg führte, stand aber die aktuelle von den Corona-Einschränkungen geprägte Lage im Vordergrund.


Wie stellt sich das Honterus-Kolleg den Herausforderungen, die die Pandemie für den Schulunterricht mit sich gebracht hat?

Vor rund einem Jahr hatten wir bis im Herbst unter unseren Schülerinnen und Schülern sehr wenige Corona-Fälle. Genauer gesagt zwei bis drei pro Woche, und das bei einer Gesamtzahl von fast 1400 Schülern. Leider ist die Zahl der infizierten Schüler in den letzten zwei Monaten angestiegen: Pro Woche kam es zu rund zehn infizierten Schülern aus verschiedenen Klassen. Unter den Lehrkräften gab es insgesamt vier bis fünf Neuinfektionen. Aber mit einer einzigen Ausnahme erkrankten die Lehrkräfte zu einem Zeitpunkt, als der Unterricht bereits im Online-Modus ablief.

Zurzeit gibt es Präsenzunterricht nur für die Grundschulklassen. Bis Kronstadt einen Inzidenzwert von unter drei Neuinfektionen je 1000 Personen binnen 14 Tagen verzeichnete, besuchten auch die achten und zwölften Klassen die Schule. Nun sind wir aber im roten Szenario und diese Klassen bleiben folglich ebenfalls zu Hause. Falls in einer Grundschulklasse ein Corona-Fall gemeldet wird, tritt die ganze Klasse für zwei Wochen in den Online-Unterricht. Das ist zurzeit (3. März – Anm. d. Red.) bei vier von 22 Klassen der Fall.

Welche Schutzmaßnahmen sind für den Präsenzunterricht getroffen worden?

Alle Schutzmaßnahmen, die von uns verlangt wurden: Maskenpflicht; getrennte, gekennzeichnete Wege in den Fluren; Spender für Flüssigseife und Desinfektionsmittel fürs Händewaschen; Papierhandtücher und regelmäßiges Lüften der Klassenräume. Unterstützung für die Einhaltung der Hygienemaßnahmen gab es auch seitens des Bürgermeisteramtes, nicht aber in dem Umfang, der notwendig wäre. Ein Schüler oder Lehrer bräuchte eigentlich mehrere Masken pro Tag, sie kommen mit ihren eigenen Masken von zu Hause. Aber eine Reserve von Schutzmasken haben wir trotzdem immer bereit, falls eine Maske vergessen wurde oder unbrauchbar geworden ist. Aufs Aufstellen von Trennwänden aus Plexiglas haben wir verzichtet, weil es eine teure Investition ist, deren Effizienz auch in Frage gestellt wird. Der Sicherheitsabstand ist in den recht kleinen Klassenräumen allerdings schwer einzuhalten. Was wir machen konnten, ist das Einrichten von zusätzlichen Klassenzimmern in den beiden Turnsälen. Die Turnstunden in der Grundschule werden bei guten Wetterbedingungen im Freien abgehalten. Während dieser Stunden, aber nur in diesem Sonderfall, wird auch die Maske abgelegt.

Gibt es einen Schularzt?

Ja, wir verfügen über eine ärztliche Praxis, Schularzt und Krankenpflegerin. Sie sind beim ehemaligen Sportlyzeum (D-Gebäude), überprüfen die Schüler bei deren Ankunft in der Schule, sprechen mit Eltern oder Großeltern, die sie begleiten, und beraten sich mit den Lehrern. Für den Fall, dass eine Schülerin, ein Schüler gesundheitliche Probleme hat, wartet das Kind unter Beaufsichtigung in einem dafür vorgesehenen Raum, dass es von seinen Eltern abgeholt wird. Eltern und Großeltern können die Kleinen bis in den Schulhof begleiten oder von dort abholen. Der Hof beim D-Gebäude ist groß genug, so dass kein Andrang entsteht. Ins Schulgebäude haben aber nur die Schüler und ihre Lehrer Zutritt. Ich glaube, wir halten die Gesundheitsschutzmaßnahmen entsprechend ein, obwohl wir eine große Schule sind. So sind wir auch in der Lage, nicht in mehreren Schichten unterrichten zu müssen – eine Variante, die nicht notwendig ist und gegen die sich sowohl Schüler und Eltern als auch Lehrer oder selbst Schulbehörden aussprechen.

Lassen sich die Lehrer nun auch impfen?

Wir haben insgesamt 94 Lehrkräfte, die in Vollzeit arbeiten, 54 von ihnen sind bereits geimpft. Mehr als die Hälfte war von Anfang an für eine Impfung, die anderen wollen noch abwarten. Es gibt einen einzigen Fall einer Lehrerin, die nur online unterrichtet, weil der Präsenzunterricht, nicht so sehr für sie, als für ihre Mutter, mit der sie zusammenlebt, eine zu hohe Gefahr der Übertragung des neuartigen Coronavirus darstellt.

Wie stehen die Eltern zum Schulbesuch ihrer Kinder?

Sie haben die Freiheit, zu entscheiden, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken oder nicht. In 25 Fällen haben die Eltern darauf bestanden, dass ihre Kinder ausschließlich online unterrichtet werden. Das tun sie, um ihre Kinder zu schützen oder deren Großeltern, die in demselben Haushalt wohnen. Die Schüler sind zu den Unterrichtsstunden zugeschaltet und erhalten alle notwendigen Infos nach Hause.

Sind am Honterus-Kolleg Nachhilfestunden notwendig, so wie sie Unterrichtsminister Câmpeanu in Aussicht gestellt hat?

Nein, das ist nicht der Fall, weil in unserer Schule der Online-Unterricht nie ausgefallen ist, und da unsere Schüler, mit sehr wenigen, krankheitsbedingten Ausnahmen, ohne Ausfälle daran teilgenommen haben. Unser Kolleg hat mit dem zur Verfügung stehenden Geld im vorigen Jahr vorrangig Tablets und Laptops gekauft, so dass wir auch technisch gut vorbereitet waren. Die Lehrkräfte können ihren Online-Unterricht auch von der Schule aus bestreiten. Das haben bereits jene getan, die in den VIII. und XII. Klassen ihre Stunden abhielten und die nicht mehr rechtzeitig nach Hause für die nächste online-Unterrichtsstunde kommen konnten. Dank einer Spende gibt es in unserem Kolleg kostenlosen WiFi-Zugang für alle.

Wie steht es mit den außerschulischen Tätigkeiten?

Da ist nun allerdings viel weniger los als vor der Pandemie. Unser Kolleg ist in fünf Erasmus-Projekte eingebunden, aber das geschieht jetzt ausschließlich via Internet; Reisen sind bekanntlich zurzeit nicht möglich. Wir hoffen aber, dass im Juni die Tätigkeit wieder normal abläuft. Schüler unseres Kollegs sollen zum Beispiel in die Türkei reisen im Rahmen eines Projekts, das bereits um ein Jahr verschoben werden musste. Ab Herbst hoffen wir, wieder ausländische Schüler von unseren Partnerschulen zu empfangen und selber wieder ins Ausland reisen zu können, so wie es diese Projekte vorsehen.

Unterrichtet der deutsche Gastlehrer Carol Szabolcs ein weiteres Jahr an der Honterusschule?

Ja, und wir sind sehr zufrieden mit dieser Zusammenarbeit. Auch zwei junge Damen aus Deutschland sind als Freiwillige unter seiner Koordinierung bei uns tätig. Im März erwarten wir einen weiteren Freiwilligen, der bis August im Einsatz sein wird.

Sie hatten kürzlich auch eine Begegnung mit dem deutschen Konsul in Hermannstadt, Herr Hans Erich Tischler. Worum ging es bei diesem Treffen?

Konsul Tischler besucht uns regelmäßig, in letzter Zeit war das allerdings nur seltener möglich. Ich habe ihm die Umstände geschildert, unter denen gegenwärtig die Schultätigkeit fortgeführt wird. Wir haben auch von dem Aufsatzwettbewerb gesprochen, den das Konsulat zusammen mit der „Hermannstädter Zeitung“ organisiert und an dem sich auch unsere Schüler recht erfolgreich beteiligen. Ich habe dem Herrn Konsul vorgeschlagen, im April mit unseren Schülern über die Flüchtlingsproblematik zu sprechen, was auch Thema eines unserer internationalen Schulprojekte ist. Das soll online ablaufen, wobei auch unsere Partner aus dem Ausland zugeschaltet werden. Es geht dabei um das Schicksal von Flüchtlingen (unter ihnen auch Kinder), die nun in einem fremden Land sich anpassen, den Schulunterricht wieder aufnehmen, eine fremde Sprache möglichst schnell und gut erlernen sollen. Dasselbe Angebot werde ich auch an den polnischen Honorarkonsul in Kronstadt richten. Konsul Tischler erwarten wir anlässlich des Europa-Tages im Mai in Kronstadt und dann wird die Europa-Thematik wahrscheinlich auch bei diesen Veranstaltungen zusammen mit Schülern besprochen.

Wie wirkt sich der Online-Unterricht auf Schüler und Lehrer aus?

Meiner Meinung nach ist der Online-Unterricht keine echte Schule. Es ist eine Notlösung, ein Ersatz. Die Schüler fühlen sich wohl, wenn sie zusammen sind. Schule ist von ihrer Bestimmung her von sozialer Prägung. Die Schüler lernen lieber gemeinsam, lernen auch miteinander umzugehen. Die Lehrer sind froh, wenn sie Schüler unmittelbar um sich haben. Ich glaube auch, dass der Online-Unterricht sie zusätzliche Arbeit, Mühe und Zeit kostet.

Die Prüfungen für die achten und zwölften Klassen werden wie bisher in den Schulen abgelegt. Am 22. März beginnen wir mit den landesweiten Tests für diese Prüfungen. Die Schüler dieser Klassen werden alle zur Schule kommen und die Prüfungen so proben, wie sie auch ablaufen werden.

Ich hoffe, dass nach dieser dritten Corona-Welle die Schule endlich so läuft, wie wir es uns alle wünschen. Schüler, Lehrer, Eltern wollen den normalen Schulunterricht, den sie so sehr vermissen. Eigentlich hatten wir in diesem Schuljahr noch keinen Tag, an dem alle gleichzeitig in der Schule sein konnten.

Wenn es die gesundheitlichen Bedingungen erlauben, wollen wir am 1. Juni unser Honterusfest feiern. Auf den Honterus-Skipokal mussten wir in diesem Winter verzichten – der Andrang auf den Skipisten der Schulerau war einfach zu groß und wir wollten unsere Schüler der drohenden Ansteckungsgefahr nicht aussetzen. Was im nächsten Schuljahr noch ansteht, ist die Michael-Weiss-Feier in Marienburg. Es wäre angebracht, durch eine Gedenktafel aus Marmor oder Granit hier an unserer Schule an die 39 Honterusschüler zu erinnern, die in Marienburg für die Freiheit Kronstadts ihr Leben ließen – ein Opfertod, der nicht in Vergessenheit geraten darf. Auch in der Michael-Weiss-Gasse sollten Kronstädter und Besucher der Stadt an diese Honterusschüler erinnert werden.

Einige Tage vor der Feier, am 3. Oktober, wollen wir außerdem unser 480. Gründungsjubiläum gebührend begehen. Vom Unterrichtsministerium könnte dafür eine Exzellenz-Urkunde ausgestellt werden. Wir sind unlängst der „Allianz der Jahrhundert-Kollegs Rumäniens“ beigetreten und gelten als ältestes Gymnasium des Landes.

Vielen Dank für das Gespräch!