Amerikanischer November?

Erinnern Sie sich noch, wie lange es dauerte, bis im Jahr 2000 die Wahl George W. Bushs zum Präsidenten der USA bestätigt wurde? Landesweit hatten über eine halbe Million mehr Menschen für Al Gore gestimmt, aber mit einem Vorsprung von 537 Stimmen in Florida erhielt Bush die Mehrheit der Wahlmänner und gewann, obwohl ihm – genau wie heute Donald Trump – die Legitimität durch die Wählerstimmen fehlte. Das Zünglein an der Waage spielte in Florida ein gewisser Ralph Nader, ein Grüner. Der hatte dort knapp 100.000 Stimmen erhalten – die letztlich dem engagierten Umweltschützer Al Gore fehlten.

Ähnlich, so heute die politischen Kommentatoren, dürfte es im November in Rumänien zugehen. Einerseits seien die 14 Kandidaten, die sich stellen, in zwei Gruppen einzuteilen, die Aussichtsreichen und die Aussichtslosen. Erstere bilden Johannis, Dăncilă und Barna. Die anderen dürfen ausnahmslos als Diversionskandidaten gelten. „Stimmenwegschnapper“ der ersten drei.

Vieles hängt von der Wahlbeteiligung ab. Sicher scheint, dass es zwei Wahlrunden geben wird. Auf die zweite Wahlrunde – wie gewohnt eine Negativwahl (man stimmt gegen einen der Kandidaten, Beispiele: Iliescu und Tudor 2000, oder Johannis und Ponta 2014) – bereiten sich die Hauptkandidaten vor.
Die beste „Wahlmaschine“ hat traditionell die PSD, also Vasilica Dăncilă. Wichtigster Zweitkandidat ist Dan Barna. Allerdings: Wenn es stimmt, dass seine USR den Präsidentschaftswahlkampf nutzt, um ihre Infrastruktur zu stärken und hinsichtlich der Kommunalwahlen 2020 zu testen, dann bliebe Dăncilă aussichtsreichste Zweitrunden-Gegenkandidatin von Johannis – und die Besiegte. Die Stimmung landesweit ist gegen die PSD, auch wenn sie den Rentnern und den Staatsangestellten Angst macht vor Renten- und Lohnverlusten, die im Falle eines Machtwechsels drohen würden.

In der zweiten Wahlrunde kann man die momentan 20 Prozent Vorsprung von Johannis in der Sonntagsfrage gegenüber Barna oder Dăncilă vergessen. 2014 profitierte Johannis von der Negativwahl („Nur nicht Ponta!“) und widerlegte so alle Umfragen. Sicher ist: Er ist der einzige, der das Blatt im fast verlorenen Kampf für den Rechtsstaat noch wenden kann – sofern er wiedergewählt wird und beweist, dass er aus seiner ersten Präsidentschaft etwas gelernt hat.

Auch diesmal wird die zweite Wahlrunde eine Negativwahl, zugunsten von Johannis. Barna ist zu unerfahren, zu wenig vernetzt (auch wenn er versucht, daraus eine Tugend zu schmieden!) und zu wenig vertraut mit der vertrackten Lage des politischen Augenblicks.Dăncilă ist von ihrer Partei und deren Baronen her auf Rechtsbruch und Untergrabung des Rechtsstaats programmiert. Johannis allein könnte einen Wiederaufbau der Demokratie initiieren – wenn er sich denn intensiver dranhält als an sein Projekt der Erneuerung des Bildungswesens (das er einschlafen ließ). Immerhin scheint Johannis im zweiten Teil seines Mandats den Bukarester politischen Filz durchschaut und mit ihm umgehen gelernt zu haben. Denn auch drei Jahrzehnte nach der „Beseitigung“ des kommunistischen Machtgefüges ist die Opposition hierzulande zerbrechlich und ihre Repräsentanten sind mit Posten und Pfründen käuflich. Es geht immer noch zu wie in einer ottomanischen Provinz. Was auch (in jeder Hinsicht) ausnutzbar ist…
Verpasst Dăncilă die zweite Wahlrunde, wird die PSD ihre treuen Stammwähler auffordern, für den Gegenkandidaten von Johannis zu stimmen. Ab hier haben die Aussichtslosen eine durchkalkulierte Rolle: Alexandru Cumpănașu, der „Gerechtigkeitsritter“, Mircea Diaconu, der verkrampft den „Parallelstaat“ bekämpft, oder Ramona Ioana Bruynseels, die auf die Unentschlossenen zugeht und einen populären Fernsehsender hinter sich hat.
Unter diesen Umständen könnten sie den Unterschied ausmachen.