Anders verpackt, aber unverändert

Bachs Musik als Multimedia-Event / Die erste Solo-Tournee des Cellisten Răzvan Suma

Răzvan Suma wurde von Lichtspielen des Künstlers Tom Brânduş „begleitet“.

Mit welcher magischen Formel lässt sich der Bukarester Radio-Saal so prall füllen wie am 21. März? Wie bringt man so viele junge Menschen in ein Klassik-Konzert? Wohl nicht mit einem Cello- Abend? Wohl nicht mit zweieinhalb Stunden Solo-Suiten von Bach? Oder doch?

Diese Fragen beantworteten der Cellist Răzvan Suma und der Multimedia-Künstler Tom Brându{ nicht mit Worten, sondern mit Musik und Licht. Warmen Beifall schenkten ihnen dafür Tausende von Zuhörern und Zuschauern rumänienweit.

Die Tournee „Lieben Sie Bach?“ präsentierte hierzulande drei Premieren:die erste Aufführung der sämtlichen Cellosuiten von Bach im Rahmen eines einzigen Konzerts durch einen rumänischen Interpreten, die erste Solo-Konzertreise von Răzvan Suma und dazu eine multimediale Show mit Projektionen auf lichtdurchlässigen Schildern. Die Reise begann am 1. März und führte durch die Stationen Kronstadt/Braşov, Arcuş, Bistritz/Bistriţa, Neustadt/Baia Mare, Piteşti, Bacău und Elisabethstadt/Dumbrăveni, bevor die Krönung, das Abschlusskonzert, im Radio-Saal in Bukarest stattfand. Die sehr unterschiedlichen Aufführungsorte – seien es Konzertsäle, Kulturzentren oder die Bistritzer Synagoge –, waren für den Star-Cellisten Teil einer bereichernden Erfahrung: „Mit jedem Auftritt konnte ich Bach neu entdecken“, sagt Răzvan Suma. „Es ist faszinierend, wie einzigartig jede Note in unterschiedlicher akustischer Umgebung klingt. Die Konzerte haben mich mit Freude erfüllt.“

Dabei ist die Aufgabe, die sich Răzvan Suma mit dieser Tournee vorgenommen hat, keineswegs einfach. Die sechs Suiten für Violoncello Solo (BWV 1007–1012) von Bach gehören zu den meistgespielten und zugleich schwierigsten Solowerken für Streichinstrumente – „Ein Traum und Prüfstein für jeden Cellisten“. Nach dem Abschlussabend in Bukarest schrieben viele Konzertkritiken von „einer virtuosen Aufführung“.

Das können Fachleute entscheiden, die diese Werke gut kennen; im Saal bekam man jedoch keine technischen Schwierigkeiten zu spüren, die der Cellist „überwunden“ hätte, auch keine absichtliche Bravour und Brillanz, sondern von der ersten bis zur letzten Note eine einheitliche, schlichte, in allen Details durchdachte Interpretation, voller Ausdruckskraft, jedoch dem musikalischen Text und nicht dem eigenen Willen dienend.

Leicht und entspannt die erste Suite, vielleicht etwas müde am Ende des Marathons die sechste, temperamentvoll und intensiv die zweite, mit vollkommener innerer Ruhe und fließender Energie die vierte, von der Răzvan Suma meint, sie sei für ihn die schwierigste. Eine Lieblings-Suite hat er nicht, das gibt er selbst zu. Man merkt es Satz für Satz an der kompromisslosen Aufmerksamkeit, die er allen Tänzen schenkt. Nun auch auf CD: Die Bach-Suiten sind in den Buchhandlungen Cărtureşti und Humanitas erhältlich. Suma hat als erster rumänischer Cellist alle sechs aufgenommen.

Welches ist aber der Zusammenhang zwischen Trillern, Bariolagen und Pianissimi am Cello und Bildern von fliegenden Noten, Farbbällen, Spiralen, Wolken, Unterwasserwelten und Kirchenfenstern? „Von Anfang an wollten wir dem Zuschauer die Freiheit in der Wahrnehmung des audiovisuellen Materials lassen, deshalb sind unsere Ideen nicht deklariert, sondern angedeutet“, sagt Tom Brânduş, der für den visuellen Teil der Tournee verantwortlich zeichnet.

Für jeden Suiten-Tanz realisierte er eine Bild- und Videoprojektion mit eigener Geschichte. Auf den vier Schildern, die hinter dem Cellisten aufgestellt waren, erschienen mal geometrische Strukturen, mal Kirchenmalereien, eine Tropfsteinhöhle, Bilder von Bach und seiner Familie, Porträts berühmter Cellisten, abstrakte Grafiken, Naturelemente... als ob die  ganze Welt Bachs Musik zur Grundlage hätte.

Dabei blieben die Bilder nur ein Begleiter der Musik; sie waren kein Kommentator, kein Konkurrent – vielleicht auch weil Tom Brânduş selbst ausgebildeter und erfahrener Musiker ist. Er hat in Boston studiert und unterrichtet zurzeit elektronische Musik an der Musikuniversität Bukarest.

Außerdem entwirft er regelmäßig Musik und Videomaterial für Theaterproduktionen, Events und Konzerte und tritt als Interpret an elektronischen Musikinstrumenten auf.

Dass eine so inspirierte und modern gestaltete Tournee viele Großstädte gemieden hat, war eine bewusste Entscheidung von Suma und Brânduş. Der Publikumsandrang war umso mehr eine Überraschung. Die Künstler wollen die Konzertreise im kommenden Jahr wieder aufnehmen. Für den 35-jährigen Suma ist das schon zur Gewohnheit geworden, denn er hat bereits mehr als 500 Auftritte in Europa, Amerika, Afrika und Asien hinter sich, von denen viele mit „modernen“ Elementen dem breiten Publikum schmackhaft gemacht wurden. „Modern“ ist Răzvan Suma auch privat: Er ist mit der argentinischen Latino-Sängerin Analia Selis verheiratet, gibt ab und zu Interviews für Lifestyle-Magazine und schreibt ins Facebook über Musik und die Welt. Nach dem Abschluss der Bach-Tournee kommentierte er: „Hoffentlich ist mein Ziel erreicht und mein Publikum glücklich. Die harte Arbeit rückt in den Hintergrund, ein Traum ist in Erfüllung gegangen.“