Apfelkuchen im „Haus des Barons“

Besuch im sächsischen Minimuseum von Aurelia Rusu in Baaßen

Aurelia Rusu posiert mit Hut und Tasche der ehemaligen „Baronin“. In diesem Museum darf man die Objekte auch anfassen.

Spielsachen von anno dazumal. Aurelia Rusu nimmt sächsische Antiquitäten auch gerne leihweise entgegen.

Sieb, Rübenreibe und ein rätselhafter Gegenstand, der wohl zum Wolle aufwickeln verwendet wurde, wie eine Besucherin mutmaßt.

Es sieht aus, als wäre der „Baron“ nur eben mal hinten in den Garten gegangen – vielleicht, um das üppige Obst zu ernten. In den drei Wohnräumen und der gemauerten Scheune ist es blitzsauber und adrett: auf dem Tischtuch aus fein gewebtem Hanf stehen irdene Teller und Töpfe, selbst die obligaten „Stamperl“ fehlen nicht.  Aurelia Rusu zeigt kichernd auf die Ţuica Flasche. 

Der Schnaps ist natürlich nicht historisch. Auch nicht die Zwiebeln, die dekorativ von der alten Weinpresse hängen. Dafür aber der Hut und die bestickte Tasche, beides aus zusammengenähten, geflochtenen Strohbändern, die die rührige Gastgeberin vom Haken nimmt: „Hermann Katharina“ liest sie die eingestickte Inschrift vor. Dann posiert sie mit beidem geschmückt lachend vor der Kamera. In diesem Museum, das streng genommen gar keines ist, darf man die Exponate auch anfassen. Der „Baron“ hat bestimmt nichts dagegen, denn aus diesem großzügigen sächsischen Haus in Baaßen/Bazna ist er schon lange ausgezogen.

Ein vereinnahmendes Hobby

Wie kommt eine Lehrerin für rumänische Sprache und Literatur zu einem Hobbymuseum – ausgerechnet über die Sachsen von Baaßen? Deutsche Wurzeln hat sie nicht, nur einen sächsischen Schwiegersohn, lacht die rührige Mediascherin, die das „Haus des Barons“ in der Strada Principală nr. 244 kurz nach der Wende gekauft hat.

Zuerst sollte es nur ein Sommersitz sein, doch als sie mit ihrer Familie nach Frankreich reiste und dort ein entzückendes Dorfmuseum zu Gesicht bekam, war schnell die Idee einer eigenen Kollektion in ihrem historischen Sachsenhaus aus dem Jahre 1709 geboren. Akribisch recherchierte sie die Geschichte von Baaßen, sammelte Erzählungen und kaufte Objekte von den noch wenigen verbliebenen alten Sachsen auf.

Die bepflanzte Vase im Eingangsbereich hatte sie vor zwei Jahren gerettet, als der Müll-Pferdewagen vorbeifuhr, mit dem Gefäß hoch oben auf dem Juchhu. Sie entwarf einen Flyer und gestaltete eigens einen Blog im Internet. Das nötige Wissen erwarb sie in einem Kurs von „Buninet“, einer Aktion der IREX Stiftung, die älteren Menschen den Zugang zum Kommunikationsmittel Internet vermitteln soll.

„Geld mache ich nicht mit dem Museum“, meint Aurelia Rusu, obwohl ein lustiges Schildchen im Eingang auffordert: „Donaţi und Leu pentru Muzeu“, in Anlehnung an die einstige Kampagne zur Finanzierung des Bukarester Athenäums („Donaţi und Leu pentru Ateneu“). Streng genommen darf sie es auch nicht Museum nennen, denn bislang ließ die rumänische Bürokratie eine offizielle Anerkennung dieser Privatsammlung nicht zu. Deswegen gibt es auch kein Schild am Haus nr. 244.

Faschingsumzug, Restaurationsworkshop und Sommerbibliothek

Dennoch hat sich die Kunde vom Minimuseum in Baaßen längst verbreitet. Ob gemeinsames Eiermalen in sächsischer Tracht mit dem lokalen Kindergarten, ob Faschingsprojekt mit den Leuten aus Wurmloch/Valea Viilor, Restaurationsworkshop für alte Gegenstände mit Fachleuten und Gymnasiasten aus Bistritz/Bistriţa oder einfach nur Kirschenpflücken mit den Mitgliedern von „Buninet“, Aurelia Rusu sucht ständig neue Aktivitäten – und wird gesucht. Den ganzen Sommer lang steht ihr Haus an Wochenenden offen, für Gruppen auch auf telefonische Voranmeldung (Tel. 0758926924, Mail: aureliabuni-net@gmail.com). Neben Führungen und Bibliothekspflege, denn das „Haus des Barons“ ist Teil der Aktion „Summer Books“, die leichte Literatur an Sommergäste verleiht, findet sie auch noch Zeit, an einem Kochbuch mit sächsischen Rezepten zu arbeiten, das zweisprachig erscheinen soll.

Auch über sächsische Bräuche kann man von ihr allerlei erfahren: die Legende der „Urzeln“ etwa, wie die hässlichen Weiblein genannt wurden, die den Frühlingsbeginn auf Faschingsumzügen einläuten sollten. Einst soll sich ein Mädchen namens Ursula so verkleidet und die angreifenden Osmanen erfolgreich erschreckt haben. Oder den Brauch des Zwiebelkalenders, der das Wetter des nächsten Jahres voraussagen soll. Hierfür wird eine Zwiebel geschält und 12 Schichten, die für die 12 Monate stehen, getrennt mit Salz bestreut.

In dem Maße, wie die Schichten über Nacht Wasser lassen, solle es in den betreffenden Monaten regnen. Aurelia Rusu pflegt auch um ihrer Recherchen willen enge Kontakte zu den wenigen verbliebenen Baaßener Sachsen. Vieles erfährt man nebenbei – etwa, dass das soziale Leben in Baaßen sich einst in streng getrennten Gesellschaftsschichten abspielte. Als sie einmal einen sächsischen Dorfbewohner ins Haus bat, blieb dieser ehrfürchtig an der Schwelle stehen. Dann bekannte er: „Wissen Sie, das ist das erste Mal, dass ich diesen Hof betrete.“  Das Haus gehörte zwar keinem echten Adligen, doch genoss der frühere Besitzer eine hohe soziale Stellung, die sich in dem seit Generationen bestehenden Spitznamen „Baron“ widerspiegelte.

Zeitreise in die bäuerliche Vergangenheit

An den Wänden hängen Fotos von den Familienmitgliedern und Ahnen von Michael Hermann, wie der letzte „Baron“ hieß, der heute in Deutschland lebt. Aurelia führt uns in ein original sächsisch eingerichtetes Wohnzimmer. Hier, auf den Deckenbalken, ist die Geschichte des Hauses gleich zweimal in altdeutscher Schrift eingeschnitzt: „Dieses Haus ist von Grund auf erbaut worden von Michael Schuster  1709, Monat Mai 31“ und einen Balken weiter: „Dieses Haus ist von Grund auf erneuert worden von Daniel Hermann 1857, Monat Mai 29“. 

In der Scheune kann man alte Gebrauchsgegenstände bewundern und deren Zweck erfahren. In bestickten Leinensäckchen hängen säuberlich die handgemachten Bürsten aus genähtem Leder und Naturborsten an der Wand. Aurelia Rusu demonstriert eine hölzerne Elle an ihrem eigenen Arm. In diesem Museum darf man die Exponate auch anfassen.

In dem zu befeuernden Seifenofen in der Ecke hat sie sogar selbst schon Kernseife aus Fett und Soda gesotten. An den Wänden hängen ein seidenes Mehlsieb, eine grobe Reibe zum Raspeln von Futterrüben für die Tiere, ein hölzerner Teigtrog, den Besucher oft für eine Babybadewanne halten, eine durchlöcherte Blechschachtel zum Popcorn rösten und ein bislang unidentifizierbares Gebilde, das wie das Gerippe eines Regenschirms aussieht.

Eine Besucherin identifiziert es spontan als Utensil zum Aufwickeln von Wolle, ein vergleichbares Teil sei in Heltau/Cisnădie ausgestellt. Alle Gegenstände wurden damals im Hause selbst gefertigt. Mit Ausnahme des Weckers mit der Aufschrift „H. Binder, Baassen“, der sogar immer noch funktioniert.

Historische Reize von Baaßen erschnuppern

Auch über den Badekurort Baaßen erfahren wir einiges. Zum Namen gibt es mehrere Legenden. Einer zufolge sollen die ursprünglich auf dem Kirchberg ansässigen Leute wegen ausgetrockneter Brunnen ein Stück weiter gezogen sein und ausgerufen haben: „Hier ist es basser (besser)!“ Eine andere Theorie führt den Namen auf eine aus dem Rheingebiet eingewanderte Familie Baassen zurück.

Berühmt war der Kurort nicht nur für seine Salzvorkommen, wobei täglich hunderte Kilo medizinisches Salz für Apotheken produziert wurden, sondern auch für das Bazna-Schwein, eine besondere Kreuzung aus dem Jahre 1872, als englische Ingenieure hier an der transilvanischen Eisenbahn arbeiteten.

Zum eigenen Verzehr hatten sie sich Schweine der Rasse Berk mitgebracht, wobei sie dem Bahnhofsverwalter Ehrlich ein Paar als Geschenk hinterließen. Da die Sau kurz danach verstarb, kreuzte dieser den Eber mit der lokalen Rasse Mangali]a. Das Bazna Schwein avancierte zu einer eigenen, hochgeschätzten Rasse und breitete sich in kurzer Zeit in ganz Siebenbürgen, Muntenien und in der Moldau aus.  Nach 1900 wurden zur Auffrischung weitere Berk Eber aus England importiert.

Im schattigen Obstgarten serviert Aurelia Rusu saftigen Apfelkuchen, lässt ihr Gästebuch kreisen und legt uns den Besuch der 1402 erbauten Wehrkirche wärmstens ans Herz, deren Kurator vor interessanten Geschichten und Legenden nur so strotzt. Oder die Privatausstellung von Ladislav Wolgesy, der Modelle der Baaßener Häuser aus Ton angefertigt hat. Oder einen Besuch im Februar, wenn der sächsische Fasching gefeiert wird, den die Bürgermeisterei weiter-hin jedes Jahr organisiert, obwohl es kaum noch Sachsen gibt. Es ist viel zu entdecken in Baaßen – auch wenn man es oft erst auf den zweiten Blick findet. Wie das Museum im „Haus des Barons“, das offiziell keines ist.