Autofahrer

Unlängst überholte mich ein Kleinbus mit einem großen Schild hintendran: „Achtung, Kinder!“ Auch die beliebten Sticker „Baby an Bord” kennt jeder. Aber – worauf soll man hier eigentlich aufpassen? Sitzen denn die Kinder am Steuer? Oder sind Busfahrer und Eltern im Beisein der Kleinen als Verkehrsteilnehmer so eingeschränkt, dass man auf sie extra Obacht geben muss?

Wenn das so ist, dann müsste man das Stickerangebot gerechterweise erweitern, um auch anderweitig überforderten Verkehrsteilnehmern das Privileg der allgemeinen Rücksicht zu verschaffen! Zum Beispiel in folgenden Situationen, die – ich schwöre – alle wirklich passiert sind.

Etwa der Transport meiner Katzen zum Impfen: Die ganze Strecke dreistimmiges Geschrei, als ginge es zum Schlachter. Spätestens nach der dritten Serpentine drang ein unverkennbarer Duft aus den Transportboxen. In der Stadt suchte ich – bei geschlossenem Fenster, damit sich die Tierchen nicht auch noch erkälten – der Hitze, dem Geschrei und dem Gestank ausgeliefert, mit der Karte auf dem Schoß nach der Adresse des Tierarztes.

Aber auch Anhalterinnen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, die einem innerhalb von Minuten ihre Lebensgeschichte aufquasseln, oder schreckhafte Omas, die bei jedem Überholmanöver einen Beinahe-Herzinfarkt simulieren, können einem am Steuer den letzten Nerv rauben. Doch selbst ein harmloser Sack Gemüse kann beim Autofahren zum Stressor werden. Wenn der nämlich im Fußraum hinter dem Fahrersitz umkippt, eine vorwitzige Zwiebel unter dem Sitz durchgleitet und zielsicher den Platz zwischen Gas- und Bremspedal einnimmt.

Das Beste allerdings passierte, als ich meine Nachbarin zwecks Hühnerkauf zum Markt fuhr. Bei der Rückfahrt entwischte eine der Hennen, die in einer Kiste im Fond zu zwölft zusammengepfercht waren, und flatterte aufgeregt im Auto herum. Verzweifelt haschte die dicke Bäuerin nach dem Vieh, dass die Federn in alle Richtungen stoben. Schließlich bekam sie es zu fassen und nahm es erleichtert auf den Schoß, wo sich das Huhn seinerseits erleichterte...
Gegen so was sind Kinder doch eine Kleinigkeit! Wie also wollen wir die neuen Sticker nennen? „Katzengefahrtransport”, „Vorsicht, Gemüse fährt mit” „Legehenne an Deck” oder „Tattergreis an Bord”?

Auch die Idee der Anfänger-Sticker bedarf einer dringenden Erweiterung. Wie wär's mit „Sonntagsfahrer”, „Ortsunkundiger”, „Frau am Steuer” oder „Cool Boy”? Letzteres für den grünschnäbeligen Möchtegern, der der holden Schönen auf dem Beifahrersitz seine Schneidigkeit durch ungeduldiges Wippen des Fahrzeugs an der roten Ampel und einen reifenquietschenden Blitzstart beweisen muss...

Die stickerlos gebliebenen Fahrzeuge sind nun eindeutig zuzuordnen: Das sind diejenigen, die ohne jegliches Stressgefühl alle anderen „Verkehrshindernisse” mit der Lichthupe von der Straße fegen. Vielleicht lassen wir daher der Einfachheit halber die vorigen Sticker weg und verpassen letzteren ein weithin sichtbares, blinkendes Neonleuchtschild: „Achtung, Straßenrüpel”!