Bleiche für die Besudelten

Rumänien erlebte seinen zweiten „Schwarzen Dienstag“

„Sag mir, Alter, wann stiehlt man Pferde?” – „Nachts, wenn´s donnert und blitzt!” Die alte Volksballade aus dem südlichen Banater Bergland ist Dienstagnacht von der Grindeanu-Regierung in die Tat umgesetzt worden: Sie hat die beiden umstrittenen Eilverordnungen der Regierung bezüglich der Änderungen im Strafgesetzbuch heimlich angenommen und binnen einer Stunde auch zum Gesetz werden lassen, indem sie sofort im Amtsblatt gedruckt wurden. Damit hat Rumänien seinen zweiten „Schwarzen Dienstag” erlebt und einen riesigen Rückschritt als Rechtsstaat gemacht. Das Vorgehen der Grindeanu-Regierung bezeugt einerseits Organisationsgeist (es gibt kaum einen Regierungsbeschluss, der so schnell im Amtsblatt erschienen ist – und damit rechtskräftig wurde; wenn er nicht schon fertig gedruckt war, als die Regierung zu seiner Verabschiedung zusammentrat...), andrerseits Hinterlistigkeit (laut Tagesordnung war die Regierung zusammengetreten, um das Haushaltsgesetz zu verabschieden) und drittens Unrechtsbewusstsein (sonst hätte die Regierung Debatten der Bürger und des Parlaments zugelassen und abgewartet). Ein paar Tage zuvor hatte Premier Sorin Grindeanu noch blauäugig erklärt: „Ich bin nicht dafür, Fragen der Amnestie auf die Tagesordnung zu setzen, aber ich schließe nicht aus, Begnadigungen zur Diskussion zu stellen, doch nicht für schwere Vergehen wie Korruption, Steuerhinterziehung, andere Schwerverbrechen.” Wie viel solche Erklärungen aus dem Mund dieses Hampelmannpremiers wert sind, hat er nun faktisch nachgewiesen: nichts!

Justizminister Florin Iordache war es, der bekanntgab, dass die Regierung in ihrer Abendsitzung vom Dienstag die beiden ominösen Eilverordnungen angenommen hat – trotz Straßenprotesten von Hunderttausenden, trotz Debatten im Justizministerium, trotz Warnungen ausländischer Kanzleien, trotz des ausstehenden Bescheids des Magistraturrats zu der veränderten Fassung der Verordnungen. Dass das klammheimlich geschah, bei Nacht und Nebel, verneint der Justizminister: „Zu dieser Stunde war eben die Regierungssitzung anberaumt!” Nochmal: offiziell um den Staatshaushalt zu verabschieden. Die beiden Eilverordnungen sind im Nachhinein auf die Tagesordnung geschmuggelt worden. Zugegeben: Die PSD/ALDE-Regierung hat wieder mal in der Manipulation der öffentlichen Meinung durch Täuschung und Einschläferung des öffentlichen Rechtsbewusstseins ganze Arbeit geleistet. Der Hintergrund ist klar: Den eigenen Parteibonzen mussten dringend die juristisch bekleckerten Westen gebleicht werden. So hat es vermutlich der zusehends diktatorische Züge annehmende PSD-Chef und Regierungsdrahtzieher Liviu Dragnea vorgegeben, der meisterhaft die Rolle des Unschuldslämmchens spielt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Novellierung und brachiale Durchsetzung der Verordnungen, etwa zum Amtsmissbrauch, auch mit dem Aufschub der Verhandlungen von Dragneas Prozess zu diesem Thema vor dem Obersten Gerichtshof zu tun hat, der für Anfang dieser Woche angesetzt war. Der neu angesetzte Termin Mitte Februar wird durch die Annahme der beiden Eilerlässe obsolet: Der Schaden, der Dragnea durch seinen Amtsmissbrauch vorgeworfen wird, liegt unter 200.000 Lei, also gibt es aufgrund dieser Eilverordnungen keinen Prozess mehr. Ein Schelm, wer Böses denkt!

Ab dem 1. Februar, um 1.30 Uhr herum, als das Amtsblatt erschien, haben wir eine Menge juristisch frisch gebleichter Parlamentarier im „Haus des Volkes” sitzen, denen nun Tür und Tor für weiteren Amtsmissbrauch und Schwindel offenstehen...
Der einzige Lichtblick der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch war, dass aus den Reihen der PNL verlautete, dass man es sich überlege, als Fraktion den Rücktritt einzureichen, um so vorgezogene Wahlen zu erzwingen. Die traditionsreichste Partei Rumäniens, die in den letzten Jahren von Fettnapf zu Fettnapf tappte, hat die Chance, sich vor der Nation zu rehabilitieren. Adriana S²ftoiu, einer der klügsten Köpfe dieser Partei, sagte: „Ich glaube, nur neue Wahlen können die Situation noch stabilisieren. Alle Parteien, die nicht einverstanden sind mit dieser unqualifizierbaren Geste der PSD, die das Parlament beherrscht, müssen zurücktreten und Neuwahlen erzwingen.“ Bei der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA) der Laura Codruţa Kövesi sind 2151 Akten zum Amtsmissbrauch in Arbeit. Landesweit laufen gegen 1960 Personen Prozesse wegen Amtsmissbrauch (geschätzter Schaden: 196.002.878 Lei). Zwischen 2014 und 2016 sind 1174 natürliche und 34 Rechtspersonen wegen Amtsmissbrauch verurteilt worden. Der Schaden, der diesen Personen vorgeworfen wurde, betrug 1.048.341.902 Lei. Man sieht: Man kann im Fall von Amtsmissbrauch allein schon von einer massiven Schädigung der Volkswirtschaft sprechen. Weitere 200 Personen stehen vor Gericht (Schaden: rund eine Million Euro) wegen Nachlässigkeit im Dienst, gegen 215 Personen laufen Prozesse wegen Interessenskonflikten. All das wird nun durch die Nacht-und-Nebel-Aktion der PSD-Regierung unter den Tisch gekehrt. Schwamm drüber?