„Brennpunkt des gesamten Schul- und Standeslebens“ (II)

Der siebenbürgisch-sächsische Lehrertag

Teilnehmer des elften siebenbürgisch-sächsischen Lehrertags, 19.-21. August 1908 in Schäßburg.

Im zweiten Hauptteil standen aktuelle pädagogische Fragen auf dem Programm, wobei immer auch Referenten aus Deutschland eingeladen waren, um „die Verbindung zur Lehrerschaft und Lehrerfortbildung in Deutschland zu pflegen“. Prof. Spranger sprach in zwei Vorträgen über „Neue Strömungen in Psychologie und Pädagogik“, Rektor Hahn aus Stuttgart stellte die Stuttgarter Waldorfschule vor und führte in das Wesen der Eurythmie ein, um die am Abend stattfindenden Darbietungen der Lehrerinnen vom Goetheanum in Dornach vorzubereiten.

Ein dritter Block betraf Themen zur Kulturaufgabe des Lehrers, die in Fortbildungsveranstaltungen weiter verfolgt werden konnten: Pfarrer Dr. Konrad Möckel sprach über „Religion und Volkstum“, Dr. Misch Orend über die Erforschung der Ried- und Flurnamen und Dr. Heinrich Siegmund über Volksgesundheit.

Zum festlichen Teil gehörte die Obertfeier in der Schwarzen Kirche und die Enthüllung einer Gedenktafel am Sterbehaus Oberts, ein Festessen im Festsaal St. Bartholomä und zum Abschluss ein Kirchenkonzert/Lehrerkonzert in der Schwarzen Kirche unter Musikdirektor Bickerich. An den zwei darauffolgenden Tagen konnte man an Ausflügen in die Umgebung teilnehmen.

Der letzte Schulrat der Evangelischen Landeskirche, Gustav Rösler, schreibt in seinen Erinnerungen rückblickend: „Die Lehrertage … waren eine Heerschau unserer besten Lehrer. Sie boten vorzügliche Vorträge und Referate. Sie waren dazu berufen, der Lehrerschaft Zielgebung zu vermitteln, sie zu fortbildender Tätigkeit anzuregen. Diese Lehrertage gestalteten sich zu Kundgebungen des starken Willens, das Beste für Schule, Kirche und Volk einzusetzen“.

Lehrerfortbildung in eigener Regie

Der Lehrertag gliederte sich in Zweiglehrervereine und die Zweige eines Bezirks bildeten zusammen den Bezirkslehrerverein – mit jeweils gewählten Vorständen und Ausschüssen. Die Impulse und Anregungen der Lehrertage wurden in den Lehrerversammlungen weiter verfolgt und konkretisiert, die durch die Schulordnung von 1870 verpflichtend eingeführt worden waren.

Die Bezirkslehrerversammlung trat unter dem Vorsitz des Dechanten oder eines von ihm betrauten Stellvertreters einmal im Herbst und einmal im Frühjahr jeden Jahres zu einer eintägigen Beratung zusammen. Zur Zweiglehrerversammlung lud der gewählte Vorsitzende die Lehrer eines engeren Kreises jährlich viermal zur eintägigen Fortbildung ein.

Zwei eintägige konnten im Bedarfsfall zu einer zweitägigen Veranstaltung zusammengefasst werden („wenn es die Verhandlungsgegenstände angezeigt erscheinen lassen“). Auch bei den Zweiglehrerversammlungen bildete sich eine bestimmte Struktur heraus: Im Mittelpunkt stand ein Fachgebiet, zu dem es einen grundlegenden Vortrag gab, der durch Buchreferate „und mindestens eine Lehrprobe mit anschließender Besprechung“ ergänzt wurde und abends „so oft es sich unter günstigen Bedingungen tun lässt“ eine kulturelle Veranstaltung, zu der die Mitglieder der jeweiligen Kirchengemeinde eingeladen wurden. An den Lehrversammlungen nahmen auch die Kindergärtnerinnen und „Bewahrerinnen“ verpflichtend teil.

Die Verantwortlichen waren überzeugt, dass es „ohne einige Fachblätter“ nicht möglich sei, „mit den pädagogischen Strömungen Schritt zu halten“. Deshalb wurde in der Zwischenkriegszeit empfohlen, „dass sich Lehrer von 5-6 Gemeinden zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen, jede der Gemeinden eine andere Zeitschrift bezieht und die Zeitungen dann gegenseitig ausgetauscht werden …“. Das ist sicher nicht überall geschehen, aber Angehörige waren immer wieder überrascht, wie viele Bücher und Zeitschriften bei der Auflösung von Lehrer-Haushalten gefunden wurden.

Die Planung und Organisation der Fortbildungsveranstaltungen und des zentralen Lehrertags geschah in eigener Regie und entsprang der Initiative der Lehrer selbst – das war das Neue in der Entwicklung. „Selbstorganisation“ war das neue Schlagwort.

Franz Obert hatte nach kurzer Zeit unter den Lehrern viele engagierte „Mitstreiter“ in der Zentrale und in den Gremien der Zweig- und Bezirkslehrervereine. Er selbst leitete den Lehrertag von 1870-1908. Ihm folgte im Vorsitz der Kronstädter Mädchenschulrektor Karl Thomas (1906-1910), darauf der besonders rührige Friedrich Reimesch (1910-1928), zuletzt Rektor in Kronstadt, darauf der Hermannstädter Lehrer Simon Schwarz (1926-1935) und schließlich Michael Fredel (1935-1940), Rektor in Schäßburg.

Standesprobleme in Kürze

Auf die diskutierten Standesprobleme kann hier nicht näher eingegangen werden. Bei der Vertretung der Standesinteressen konnte, ja musste es gelegentlich zu Spannungen und Konflikten mit den Schulbehörden und dem Landeskonsistorium als oberster Schulbehörde kommen und einmal, vom 21. Dezember 1919 bis zum 6. Januar (!) 1920, kam es sogar zu einem Lehrerstreik.

Die wichtigsten diskutierten Probleme waren: die Schulaufsicht durch fachlich und pädagogisch qualifiziertes Personal, möglichst aus den eigenen Reihen, vor allem aber die angemessene Besoldung und die soziale Stellung des Lehrers. Es ist bezeichnend und vielsagend: Bischof Friedrich Teutsch hat in seinen Veröffentlichungen Franz Obert immer sehr gelobt, aber nie ohne einen kritischen Nebensatz.

Von den verschiedenen Projekten des Lehrertags seien hier nur drei genannt.
1898 wurde auf dem Lehrertag in Kronstadt die Gründung einer „Stephan-Ludwig-Roth-Stiftung“ beschlossen mit dem Zweck, durch Stipendien „den Besuch von in- und ausländischen Lehranstalten und Kursen zu fördern“. Die Mittel sollten durch freiwillige regelmäßige Beiträge und Sammlung von Spenden bereitgestellt werden.

Ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts entstand der Plan, ein „Lehrerheim“ für kranke und erholungsbedürftige Mitglieder des Lehrertags zu schaffen und zugleich ein Zentrum für Fortbildungsmöglichkeiten und Tagungen. Durch Herausgabe von Aktien wurde in Rohrbach bei Großschenk das Bad erworben, aber nach dem 1. Weltkrieg enteignet, und dasselbe Schicksal erlitt der schöne große Neubau in Baaßen nach dem 2. Weltkrieg.

Mit der „Lehrerhilfe“, die zum Ziel hatte, „den Mitgliedern des Lehrertags bei Todesfällen eine Geldunterstützung zu sichern“, schuf der Lehrertag eine bescheidene Sterbegeldversicherung.

Die Bedeutung des Lehrertags

Die Bedeutung und Wirkung des Lehrertags kann kaum überschätzt werden. Er hat wesentlich zur beruflichen Förderung der Lehrerschaft beigetragen und damit zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts und zugleich zur Vereinheitlichung der Volksschule. Durch seine Arbeit entstand eine einheitliche Berufsgruppe, ein einheitlicher, selbstbewusster Lehrerstand.

Der Lehrertag hat zur Entlastung der Lehrer von alten, überlebten und zum Teil erniedrigenden Nebenverpflichtungen in Gemeinde und Kirchengemeinde beigetragen und damit zur stärkeren Konzentration auf die eigentliche Berufsaufgabe: die Schule und den Unterricht. Und er hat wesentlich zum sozialen Aufstieg des Lehrerstandes beigetragen und zur Verbesserung seines Ansehens.

Heute würde man formulieren: Der Lehrertag hat einen wichtigen Beitrag zur „Professionalisierung“ der Lehrerinnen und Lehrer geleistet und zur „Emanzipation“ des Lehrerstandes.

Franz Obert erfuhr am Ende seines Lebens viele Ehrungen. Die philosophische Fakultät an der Universität Berlin verlieh ihm als „dem Vater der heutigen Volksschule der Siebenbürger Sachsen, der durch Rede und Schriften die Erziehung der Jugend und Bildung der Lehrer auf das wirksamste gefördert hat, der auch über die Grenzen der Schule hinaus für den sächsischen Stamm als erleuchteter und humaner Mann tätig war ...“, die Würde eines Doktors der Philosophie und des Magisters der freien Künste honoris causa.


Eine differenzierte Analyse der letzten sieben Lehrertage unter dem Titel „Der Einfluss des Nationalsozialismus auf die siebenbürgisch-sächsische Lehrerschaft“ findet sich in: Walter König: Schola seminarium rei publicae. Aufsätze zu Geschichte und Gegenwart des Schulwesens in Siebenbürgen und Rumänien, Köln, Weimar, Wien, 2005, S. 118-153.