Das Land und seine Könige

Zum 90. Geburtstag von Mihai I. soll im Parlament eine Festsitzung stattfinden

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Am 25. Oktober 2011 wird Mihai I. von Rumänien 90 Jahre alt. Das rumänische Parlament hat vergangene Woche mit 203 Stimmen dafür, drei dagegen und 46 Enthaltungen für die von den Nationalliberalen vorgeschlagene Einberufung einer Festsitzung gestimmt. Der ehemalige König Rumäniens soll die Möglichkeit haben, anlässlich seines Geburtstags eine Rede zu halten vor den beiden vereinten Parlamentskammern. Journalistisch betrachtet, ist das eine einfache Nachricht über ein bevorstehendes Ereignis, aus gesellschaftlicher Perspektive ein Zeichen von Normalität und Respekt, der Jubilar empfindet die Entscheidung als „Beweis der Demokratie und der Freiheit, des Weitblicks und Geschichtsbewusstseins“.

Wieso dann die ganze (von Medien aller Art natürlich breitgetretene) Aufregung, die zahlreichen Erklärungen, Kommentare, und die (eventuell von Entschuldigungen gefolgten, oder auch nicht) geschmacklosen und unwürdigen Attacken, die erst in zwölfter Stunde (nichts Neues für unseren Alltag hierzulande, nicht wahr?) zu dieser Entscheidung führten?

„Höflichkeiten“ tauschen der  Präsident und das Königshaus bekanntlich schon länger aus. Traian Băsescu wurde, beispielsweise, nicht zur Diamanthochzeit des Monarchenpaars eingeladen. Schwiegersohn Radu Duda spielt oft eine Rolle, die gar nicht so einfach zu verstehen ist (denken wir an dieser Stelle allein an seine zuletzt doch aufgegebene Absicht, sich als Präsidentschaftskandidat zu engagieren). Hingegen agierte der Präsident als Taufpate des jungen Carol Ferdinand von Rumänien, eine „historische Geste“, so der ehrgeizige Vater Paul Lambrino, der Mihai die rechtmäßige Thronfolge streitig macht. Zudem äußerte Băsescu öffentlich seine „eigene Meinung“, dass die Abdankung Königs Mihai I. 1947 ein Verrat gewesen sei und er den Russen gegenüber eine „untertänige“ Haltung gehabt hätte.

Es ist bedauerlich, dass persönliche Sympathien und vor allem in älteren FSN-Zeiten wurzelnde Antipathien, nicht minder der Wunsch, dem einen und dem anderen einen Gefallen zu tun oder auch einfach jede oppositionelle Initiative prinzipiell zu widerlegen, eine solche geschmacklose, politisch keinesfalls vertretbare Show auslösten. Haarsträubend waren vor allem die Argumente der Liberaldemokraten, die sich in einer ersten Phase fast einstimmig (einsame Ausnahme Theodor Paleologu), gegen die Festsitzung im Parlamentsplenum (laut Hausordnung ein Privileg amtierender Staatschefs) sträubten. Dabei sorgte die unglaubliche Aussage des PDL-Generalsekretärs Ioan Oltean für die meisten Schlagzeilen. Eine Rede des ehemaligen Königs vor dem Plenum des Parlaments könnte, so der „inspirierte“ Politiker, einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, denn: Was, wenn das – Gott behüte – auch König Cioabă vorhätte? Dan Diaconescu, Gründer der unlängst eingeschriebenen Volkspartei, strafte den Fauxpas prompt. „Den König angreifen, ist genau so schlimm wie König Hagi angreifen“, erklärte er wichtig. Welch ein Glück, dass er, zu unser aller Beruhigung, auch gleich hinzufügte, dass ihm, als zukünftiger Präsident der Nation, ein „solcher Fehler mit Sicherheit nie unterlaufen könnte“...

Inzwischen entschuldigte sich Ioan Oltean für seine beleidigende Äußerung und versicherte, dass er und die PDL-Abgeordneten und  -Senatoren am 25. Oktober im Parlament sein werden, um Mihai I. zu begrüßen. Welches sollte der Zweck einer solchen Veranstaltung sein, die Theodor Paleologu seinen Parteikollegen, nicht zu Unrecht, als verpflichtende „Begegnung mit der Geschichte“ empfohlen hat? Die Würdigung einer historischen Persönlichkeit, die 90 Jahre alt wird, des einzigen Staatsoberhaupts, das aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs noch am Leben ist (egal ob mit oder ohne „ex“ im Titel), die Achtung vor der rumänischen Geschichte und all der Menschen, die sie mittels ihres Tuns schrieben.

In seinem öffentlichen Diskurs fordert Traian Băsescu zu Recht immer wieder vollen Respekt für die nationalen Symbole des Staates, seien es Menschen oder Institutionen, die Hymne oder die Flagge. Desto unverständlicher wirken seine wiederholten antimonarchistischen Äußerungen, seine Entscheidung, nicht dabei zu sein im Parlament anlässlich der festlichen Rede des Königs. Die meisten Rumänen sind heute keine Monarchisten  (die Meinungsumfragen der letzten 21 Jahre belegen es), die Liberalen sind inzwischen auch eher Republikaner, die Orientierung der Sozialisten ist sowieso eindeutig. Mihai I. stellt keine Gefahr dar für die Republik und ihre Verfassung, in Rumänien gibt es seit Jahrzehnten keine Monarchie mehr. Aus geschichtlicher Perspektive ist und bleibt er aber ein wesentliches  Wahrzeichen des Landes. Das wissen die Nationalliberalen, das erklären die Sozialdemokraten durch ihren Leader Victor Ponta, auch wenn ihr plötzliches Interesse für den König stark nach Wahlkampf anmutet. Dieses Spiel mit der Medienöffentlichkeit haben der Präsident und die Liberaldemokraten verloren.