Das rumänische Hochschulwesen und die internationalen Ranglisten

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Der Augenblick, in dem zwei Menschen den gleichen oder einen ähnlichen Gegenstand hergestellt, die Gegenstände einander gegenübergestellt und anhand unterschiedlicher Kriterien verglichen und bewertet haben, war der Moment, in dem die erste Rangliste der Weltgeschichte erstellt wurde. 

Mit dem Aufkommen der Industrialisierung und der Entwicklung der Transportwege, der Medien und der Vereinfachung der Kommunikation, sowie dem Erscheinen der Werbung, war das Renommee verschiedener Produkte nicht mehr nur vom lokalen Ruf abhängig, sondern es erscheinen die ersten weltweit bekannten Produkte. Aus dem Vergleich derselben entstanden die ersten Weltranglisten. Mit der Verwandlung der Welt in ein globales Dorf ab den 1970er Jahren und der damit verbundenen Entstehung globaler Konzerne, wird auch der die gesamte Erde umspannende Wettbewerb eingeleitet. 

Aus dem Wirtschaftsliberalismus und dem eher amerikanisch geprägten Bedürfnis, weltweit der Erste und Beste zu sein, entstehen weltweite Rankings in allen Bereichen des Lebens, die unseren Alltag bestimmen - manchmal mehr als wir zugeben möchten. Beispielhaft für dieses erwähnte amerikanische Bedürfnis, welches vielleicht eine der stärksten kulturellen Wandlungen weltweit zur Folge hatte, kann die amerikanische Baseball-Meisterschaft betrachtet werden: Auch wenn sich daran nur Mannschaften aus den USA und Kanada beteiligen (zugegeben, es ist eine für den nordamerikanischen Kontinent typische Sportart, auch wenn diese inzwischen in vielen anderen Ländern, z.B. Japan, Kuba usw., betrieben wird) trägt sie den Namen „Baseball World Series“ und die gewinnende Mannschaft gilt als Weltmeister. 

Das Bedürfnis nach Anerkennung und der Bestätigung des eigenen Werts hat zu einer ganzen Industrie weltweiter Ranglisten geführt. Die Vielfalt ist so groß, dass es teilweise Rankings gibt, die von den zu Bewertenden selbst ins Leben gerufen werden, nur um in einer Rangliste geführt zu werden. Um es zuzuspitzen, könnte man sagen: traue keinem Ranking, welches du nicht selber aufgestellt hast. 

Inzwischen muss man in fast allen Bereichen bezahlen, um in eine Rangliste aufgenommen zu werden, was wiederum an der Integrität derselben zweifeln lässt. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass sich manche Ranglisten mittels Transparenz und Relevanz der Kriterien sowie durch Professionalismus in der Durchführung der Wertung über Jahre einen derart guten Ruf aufgebaut haben, dass sie nicht ignoriert werden können.  

Ranglisten und Universitäten

Seit Anfang der 2000er Jahre sind nun auch weltweite Ranglisten im universitären Bereich ein nicht mehr zu verachtendes Qualitätsmaß. Es geht wie in allen anderen Fällen um Anerkennung. Diese wiederum öffnet die Türen für Kooperationen, Förderungen, den Zulauf renommierter Forscher und Professoren und nicht zuletzt zu einer Steigerung der Studentenzahl, was wiederum zu mehr Anerkennung, mehr Förder- und Forschungsgeldern, mehr Interesse führt, was erneut zur Steigerung der Studentenzahl und wiederum… Sie verstehen, wie sich der Hund in den Schwanz beißt?

Im August 2023 entflammten in Rumänien heftige Debatten über die Tatsache, dass in dem renommiertesten Ranking der Welt, dem Academic Ranking of World Universities (ARWU), eher bekannt als das Shanghai-Ranking, keine einzige rumänische Universität mehr geführt wird. 2022 wurde in dieser Top-1000-Liste noch die Babe{-Bolyai-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca gelistet. Typisch für die auf den Karpaten-Donau-Raum reduzierte Sichtweise, für die eher auf Effekthascherei und apokalyptische Schlagzeilen bedachte Medienwelt, war die rumänische Berichterstattung sich in einem einig: der schon lange prophezeite Untergang des rumänischen Bildungswesens war nun da. Schuld daran: die Politik, das Bildungswesen selber, die uninteressierten Professoren, die noch weniger interessierten und ungebildeten Studenten, das korrupte System und nicht letztendlich das tragische Schicksal der rumänischen Nation. Ein Blick aber auf die angewandten Evaluierungskriterien und auf andere ähnliche Ranglisten hätten ein vielleicht anderes Bild gezeichnet. Drei dieser Ranglisten seien hier kurz vorgestellt. 

Das vom „Center for World-Class Universities“ der Shangai Jing Tao-Universität aufgestellte Ranking (ARWU) ist das renommierteste der Welt. Was wird aber bewertet? Die Rangliste wird anhand von sechs Indikatoren aufgestellt: die Qualität der Ausbildung (dabei zählt zu 10 Prozent die Anzahl der Nobelpreisträger in den Bereichen Medizin, Chemie, Physik oder Wirtschaftswissenschaften aus den Reihen der Absolventen sowie die Anzahl der Absolventen, die die Fields-Medaille im Bereich Mathematik tragen), die Qualität des Personals (die Anzahl der Mitarbeiter, die Nobelpreisträger oder Fields-Medaille-Träger sind, entsprechen 20 Prozent in der Gesamtevaluierungsskala und die Anzahl viel zitierter Forscher in 21 Fächern weiteren 20 Prozent), die Forschungsleistung (die in den Fachblättern „Nature“ and „Science“ veröffentlichten Artikel zählen zu 20 Prozent und die Anzahl der verzeichneten Artikel im „Science Citation Index-Expanded“ und im „Social Science Citation Index“ weitere 20 Prozent) und schlussendlich die Leistung pro Kopf (akademische Leistung im Verhältnis zur Größe der Institution: weitere 10 Prozent).

Betrachtet man diese Kriterien nun genauer, fällt auf den ersten Blick auf, dass die Geisteswissenschaften komplett ignoriert werden. Konkret: auch wenn der Katheder für Germanistik der West-Universität Temeswar Herta Müller als Professorin gewinnen würde, würde dieses auf das Shanghai-Ranking gar keine Auswirkung haben, weil der Nobelpreis für Literatur nicht zu den Indikatoren gehört. Das Feedback seitens der Studierenden und des Arbeitsmarktes fehlt ebenfalls im Shanghai-Ranking. Außerdem wird eine Universität wie die Akademie für Wirtschaftsstudien Bukarest (ASE) allein wegen ihrer geringen Größe so gut wie keine Chancen haben, sich in einem derartigen Wettbewerb zu behaupten. Die Klausenburger Universität wurde zwischen 2017 und 2022 in dieser Liste in den Bereichen Mathematik und Maschinenbau geführt.  

Das „Times Higher Education Ranking“ (THE) setzt zwar auch den Akzent auf die Forschung, doch erweitert die Anzahl der Indikatoren auf 13. Der Bekanntheitsgrad wird anhand des Renommees etablierter Wissenschaftler bestimmt, doch es fehlt auch hier das Feedback der Studierenden. Zugleich ist einer der Indikatoren die Höhe der Fördergelder, die aus der Wirtschaft akquiriert werden, was den Wissenstransfer widerspiegeln soll. Zum Unterschied von ARWU gelten im Rahmen dieser Rangliste auch die Erfolge im Bereich der Geisteswissenschaften. Die oben genannte ASE belegt hier den höchsten Platz unter den rumänischen Universitäten der Gruppe 501-600, gefolgt von der Universität für Pharmazeutik in Klausenburg (Gruppe 801-1000), der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg und der Ștefan-cel-Mare-Universität in Suceava (1001-1200), sowie der Bukarester Universität (1201-1500). 

Ein letztes Ranking, das vorgestellt werden sollte, ist das „QS World University Ranking“, welches jährlich online von Quacquarelli Symonds veröffentlicht wird. Das QS-Ranking setzt in der Erstellung der Rangliste auf 6 Indikatoren: den Ruf der Forschung, basierend auf einer weltweiten Befragung erfahrener Wissenschaftler (40 Prozent), den Ruf der Absolventen bei den Arbeitgebern, basierend auf einer weltweiten Befragung von Arbeitgebern (10 Prozent), das Zahlenverhältnis zwischen akademischen Mitarbeitern und Studierenden (20 Prozent), Zitierungen pro akademischem Mitarbeiter im Zeitraum der letzten fünf Jahre (20 Prozent), den Anteil internationaler Studierender (5 Prozent), den Anteil internationaler akademischer Mitarbeiter (5 Prozent). Als Besonderheit innerhalb der Indikatoren erschient die Rückmeldung seitens der Arbeitgeber. In diesem Ranking werden die meisten rumänischen Universitäten geführt. Die beiden bestplatzierten sind die Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg (801-850) und die Universität Bukarest (851-900), wobei auf den Plätzen 1201-1400 weitere fünf rumänische Universitäten geführt werden. 

Bemerkenswert bei all diesen Wertungen ist, dass die ersten zehn Plätze hauptsächlich von britischen Universitäten oder von Universitäten in den USA eingenommen werden (bei QS gehören noch die Universität Zürich und die Universität in Singapore als Ausnahmen dazu, wobei bei THE und ARWU auf den ersten zehn Plätzen nur Universitäten in Großbritannien und den USA erscheinen). 

Aufholbedarf: Forschung 

Das so entstandene Bild der rumänischen Universitäten im weltweiten Vergleich ist längst nicht rosig, aber auch nicht so desperat, wie man es den Schlagzeilen entnehmen könnte. 

Ein eher objektiver Blick zeigt, wo das rumänische Hochschulwesen Aufholbedarf hat: die Forschung. Zwar sollte jeder Universitätsprofessor neben seinen Vorlesungen und Seminaren auch Forschung betreiben, im Idealfall also auch Forscher sein – klar eine utopische Vorstellung. Diese Forschungsleistung wird im rumänischen universitären System auch „akribisch“ untersucht. Jede Universität hat für ihre Professoren mittels eines Punktesystems ein enges Korsett gestrickt, anhand dessen ihre wissenschaftliche Tätigkeit evaluiert wird. Diese Punkte erhält man hauptsächlich auf drei Wegen: Teilnahme an oder Durchführung von Fachtagungen (wobei das Vorstellen eines Referats mehr Punkte bringt), Veröffentlichungen im entsprechenden Fachbereich und das Mitwirken in internationalen Projekten. 

Die Teilnahme an Fachtagungen und der damit verbundene Austausch bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Vielleicht könnte man sich wünschen, dass die Kultur der Teilnahme an Tagungen auch an die Studierenden weitergegeben wird und man die Teilnahme an einer Tagung oder die Durchführung einer solchen auch anders als durch das Spektrum der dafür erhaltenen Punkte wahrnimmt. 

Ganz anders verhält es sich mit dem Veröffentlichen. Es braucht Zeit, Geduld und Nerven, um das System zu durchblicken. In erster Linie gibt es einen nationalen Index der Verlage. Dieser wird vom Nationalen Rat der wissenschaftlichen Forschung im Hochschulwesen (CNCSIS) erstellt. Zurzeit werden auf der Liste 260 von der CNCSIS anerkannte rumänische Verlage geführt, denen für unterschiedliche Bereiche (z.B. Architektur, Geschichte, Theologie usw.) eine Kategorie von A bis C zugeschrieben wird (A entspricht der höchsten Anerkennung). Viele der rumänischen Universitäten vergeben keine Punkte für Publikationen, die in Verlagen der Kategorie B und C für den entsprechenden Forschungsbereich erschienen sind. Noch komplizierter wird es im Bereich der Fachzeitschriften, wo man sich in einem Dschungel von Indikatoren, Zitierungen und Kürzeln wie ISI, ESCI, JCR oder AIS zurechtfinden muss. Eine Wissenschaft für sich, die den Namen Szientometrie der Publikationen trägt.            

Noch komplizierter wird es, wenn man es auf die Höchstpunktzahl abgesehen hat und man international veröffentlichen möchte (wozu die meisten Universitären ihre Professoren anhalten, weil sich das positiv auf die entsprechenden Ranglisten auswirkt). Die Veröffentlichung eines Beitrags in einer internationalen Publikation mit entsprechendem Rating (Anerkennung) kann bis zu zwei Jahre dauern. Das Peer-Review-System verlangt Geduld, ist aber auch notwendig. Normalerweise muss die Veröffentlichung bezahlt werden, was in den seltensten Fällen von der entsprechenden Universität übernommen wird. Also wenn man veröffentlichen will, was man eigentlich muss, wird man auch entsprechend zur Kasse gebeten. Dass sich die wissenschaftlichen Datenbanken so längst zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt haben, steht auf einem anderen Blatt. 

Der Ansatz einer Lösung

Zurück aber zu den Ranglisten und den rumänischen Universitäten. Das Fehlen von oder die niedrigen Platzierungen zeigen ein systemisches Problem auf: Universitäten dürfen und sollen nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch Forschungszentren sein. Dieses würde mit Sicherheit eine tiefere Verankerung in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit mit sich bringen. Die rumänische universitäre Intelligenzia müsste sich erneut auf die eigenen Kompetenzen besinnen und diese in den Dienst der Wissenschaft, nicht nur der Bildung, stellen. Natürlich kann Rumänien in diesem Bereich nicht den Kampf mit Ländern wie Großbritannien, den USA usw. aufnehmen. Dafür fehlt nicht nur die universitäre Tradition, sondern auch die notwendige vergleichbare Finanzierung, Infrastruktur und Ausstattung. Doch die besseren Platzierungen von Universitäten in mittel- und osteuropäischen Ländern (Polen, Ungarn, Serbien usw.) sollten doch die eine oder andere Alarmglocke läuten lassen.  

Zugleich aber dürfen diese Weltranglisten nicht zum Selbstzweck werden. Die Jagd nach einer besseren Platzierung, die auf die Lehrkräfte abgeschoben wird, wird nicht zu einer Steigerung der Forschung beitragen, sondern immer nur eine Hetzjagd nach Punkten bleiben und darf nicht mit realem Erfolg verwechselt werden. Besser wäre: seine Möglichkeiten realistisch einzuschätzen und Schritt für Schritt eine ehrliche akademische Forschung aufzubauen, was dann mit Sicherheit auch zu einer Anerkennung mittels besserer Platzierungen in den Ranglisten führen wird.