Der Spionage verdächtigt und angeklagt (II)

Zum 70. Todestag des rumäniendeutschen Politikers der Zwischenkriegszeit Rudolf Brandsch

Rudolf Brandsch Foto: Wikimedia Commons

Die Konstruktion von Gruppen

Auf Grund der in den Verhören preisgegebenen Informationen sowie der Verhaftung weiterer Personen konstruierte die Securitate zunächst um Rudolf Brandsch eine „Österreichische Gruppe“, d.h. die Spionage für Österreich betreibe. Der „Gruppe“ gehörten einem Bericht vom 27. September 1952 zufolge 19 Personen an, die Mehrzahl wohnte in Siebenbürgen, weshalb Brandsch in das Gefängnis von Kronstadt/Brașov (damals Stalinstadt) verlegt wurde. Die Untersuchungen wurden von der dortigen Securitate unter Anleitung der Generaldirektion in Bukarest geführt. Einige der „Gruppen“-Mitglieder hatten tatsächlich ebenfalls Kontakt zu Vertretern der österreichischen Gesandtschaft gehabt, die meisten jedoch gerieten allein infolge ihrer Erwähnung durch Brandsch als Personen, die Kontakte zu Ausreisewilligen herstellen sollten, in Haft und Zwangsarbeitslager. Es waren dies u.a. der Hermannstädter Anwalt Richard Zintz, Pfarrer Friedrich Mökesch (Liebling), Pfarrer Alfred Menning (Bistritz) und sein Bruder Konrad Brandsch (Kronstadt). Der „Gruppe“ gehörten ferner Personen an, die Brandsch als Teilnehmer an vermeintlich „geheimen Zusammenkünften“ erwähnt hatte. Dazu gehörte der ehemalige Brigadegeneral Carol Schmidt, dessen Sohn Friedrich, Dr. Ioan Alexie (Kronstadt) und Dr. Samuel Tabora (Bankangestellter in Bistritz). Zeitweilig in dieser Gruppe miteinbezogen war der Unternehmer Wilhelm Czell. 

Laut Verhörprotokoll hatte Brandsch sowohl Personen geholfen, die ins Land zurückkehren, als auch jenen, die ausreisen wollten, die Anträge auszustellen und Visa zu erhalten. Die Leute seien zu ihm gekommen, weil sie ihn als einstigen Abgeordneten kannten, zu dem sie in früheren Jahren mit ihren Anliegen herangetreten waren. Verbindung zur österreichischen Vertretung habe er aufgenommen, als diese ihre Tätigkeit 1947 in Bukarest wieder begann und dabei den Beamten Karl Schanda angetroffen, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einige Zeit in Rumänien gewesen war. Ihn habe er über die allgemeine Wirtschaftslage und jene der Sachsen in Siebenbürgen informiert. Durch Vermittlung von Schanda habe er Herbert Schmidt, zwischen 1947-1951 politischer Vertreter Österreichs, kennengelernt, der sich als aus einer alten sächsischen Familie in Bistritz stammend vorgestellt, nach der Lage in jener Gegend, aber auch nach anderen Informationen gefragt habe. Brandsch gibt zu, Schmidt eine genaue Dokumentation mit den vergleichenden Daten über die deutsche Bevölkerung überreicht und Informationen auch aus anderen Bereichen gegeben zu haben. 

Fast zeitgleich mit Rudolf Brandsch waren im April 1952 in Bukarest mehrere Personen verhaftet worden, die dem Mittelstand und Unternehmermilieu angehört und in irgendeiner Weise Kontakte zu Vertretern der österreichischen Gesandtschaft hatten. In der Liste der von Brandsch geleiteten „Österreichischen Gruppe“ wird auch Franz Josef Popper, Handelsrat an der österreichischen Gesandtschaft, geführt. Er wurde am 15. Oktober 1952 verhaftet. Popper, 1896 in Wien geboren, war, seinen im Verhör gemachten Aussagen zufolge, 1924 als Vertreter einer Wiener Bank nach Bukarest zur Rumänischen Handelsbank entsandt worden und seit 1932 Mitglied im Leitungsrat der Allgemeinen Gesellschaft für Handel und Import („Societatea Generală pentru Comerț și Import“) sowie der im Erdölbereich tätigen „Norris“- Gesellschaft. Nach Wiederaufnahme der diplomatischen Kontakte zwischen Österreich und Rumänien wurde er 1948 von österreichischer Seite mit Genehmigung des Außenministeriums Rumäniens offiziell zum Leiter der Handelsvertretung Österreichs ernannt. Er verfügte über keine diplomatische Immunität und offenbar war auch seine österreichische Staatsangehörigkeit nicht erneuert worden, so dass die Bemühungen, ihn vor Haft und Verurteilung zu bewahren, erfolglos blieben. Brandsch hatte keinen direkten Kontakt zu Popper gehabt. Popper berichtete über die Bemühungen von Legationsrat Herbert Schmidt, Ausreisen in Zusammenarbeit mit Brandsch zu ermöglichen, andererseits fiel der Name von Brandsch, als die Daktylographin mitteilte, wer den Vertretern Informationen mitgeteilt habe. Es genügte, um ihn in die Gruppe im „österreichischen Problem“ einzugliedern.

Das Protokoll, in dem der Abschluss der Untersuchungen im Fall der zweiten „Österreichischen Gruppe“ – nun um Franz Popper – mitgeteilt wird, trägt das Datum 23. Mai 1953. Der Gruppe gehörten nunmehr 21 Personen an (ursprünglich waren in dieser „Gruppe“ 26), die sich „der Spionage gegen die R(umänische) V(olks)R(epublik) und Taten der Unterminierung der Wirtschaft der RVR schuldig gemacht haben“, so die Konstruktion der Securitate. In dem am 2. November 1953 verkündeten Urteil lag das Strafmaß zwischen lebenslänglicher Zwangsarbeit für Popper sowie 25 Jahren Zwangsarbeit bis zehn Jahren Haft für andere Verurteilte. 

Schlussbemerkungen

Der Prozessakte nicht zu entnehmen ist, wann und infolge welcher beziehungsweise wessen Anordnungen Rudolf Brandsch als „Hauptdarsteller“ fallengelassen und die Gruppe um Franz Josef Popper konstruiert wurde. Eine Rolle gespielt haben sicher außen- und innenpolitische Ereignisse. Das Verfahren gegen Brandsch und Popper fand zeitgleich mit der Entfernung des Trios Ana Pauker – Vasile Luca – Teohari Georgescu aus allen Partei- und Regierungsämtern ab März 1952 statt, im Zuge eines von Stalin befürworteten Machtkampfes an der Spitze der Rumänischen Kommunistischen Partei. Unter dem Vorwand, er habe sich der zweiten Währungsreform widersetzt, wurde Finanzminister Luca zum Hauptprotagonisten der „Rechtsabweichler-Gruppe“ hochstilisiert. Nachdem zunächst zahlreiche Mitarbeiter aus dem Finanz- und Wirtschaftswesen aber auch der Nationalbank verhaftet worden waren, wurde er am 14. August 1952 selbst festgenommen, er starb 1963 im Gefängnis Aiud. Ihm und seinen Mitarbeitern wurden unter anderem die Unterminierung der Wirtschaft und Devisenschmuggel angekreidet – Vergehen, die auch gegen die Gruppe um Franz Josef Popper ins Feld geführt wurden. Zeitgleich erfolgten die letzten Inszenierungen im Fall der Gruppe um den ehemaligen Justizminister Lucrețiu Pătrășcanu. Er wurde der Spionage für die „Anglo-Amerikaner“ angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. 

Zu den Aufgaben der diplomatischen Vertreter gehörte und gehört es, Informationen aus den Staaten, in die sie entsandt werden, an das sie entsendende Amt mitzuteilen, zu allen Zeiten und besonders während Konfliktsituationen wurden und werden jedoch auch nachrichtendienstlich geschulte Personen an Auslandsvertretungen als „Diplomaten“ entsandt. Ob einer der österreichischen Vertreter dazu gehört hat? Vermutlich nicht. Da aus den von der kommunistischen Propaganda ausgerichteten Publikationen keine wahrheitsgetreuen Informationen zu erhalten waren, erfragten sie diese von Privatpersonen. Diese machten die Mitteilungen bereitwillig, zumal sie der Ansicht waren, dass die tatsächliche Situation in ihrem Lande jenseits der Grenzen bekannt sein sollte. Gerade das aber wollte die kommunistische Staatsmacht verhindern, weshalb sämtliche Gesandtschaften und diplomatischen Kommunikationswege von den Sicherheitsdiensten überwacht wurden. 

Rudolf Brandsch ist es nicht zu verdenken, dass er aufgrund seiner Kontakte – sowohl zu Mitarbeitern diplomatischer Vertretungen als auch im Innenministerium, wo Ende der 1940er-Jahre noch nicht alle Beamte ausgetauscht worden waren, die er seit seiner Amtszeit als Generaldirektor kannte – Ausreisewilligen, oft infolge des Krieges getrennten Familienmitgliedern, zu den notwendigen Unterlagen verhalf. Er tat es für ein Honorar, auch weil er sonst kein Einkommen hatte. Dabei unterschätzte er die Gefahr, in die er sich damit begab, zumal Festnahmen wegen viel geringerer „Vergehen“ gegen das neue Regime auf der Tagesordnung standen. Selbstverständlich war Brandsch – und nicht nur er – bemüht, Informationen über die Lage der deutschen Minderheit im deutschsprachigen Ausland bekannt zu machen. In der Politik nicht mehr gefragt, versuchte der aufs Abstellgleis Geratene zu zeigen, dass er nützlich sein kann und lieferte den österreichischen Diplomaten Informationen. In den Augen der Securitate war dies Spionage.
 

Die Mehrzahl der Informationen im obigen Text entstammen der Strafverfolgungsakte P 1191 sowie aus weiteren Akten im Informativfond des CNSAS. Der Text ist eine Kurzfassung eines Beitrages, der in der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 45(2022) erscheint.