„Diakonie statt Krautwickel“

Diskussionsrunde zum Thema: Reformation heute – Reform heute

Hermannstadt – Postiert hat sich der große blaue Truck, das Geschichtenmobil der evangelischen Kirche zum Reformationsjubiläum, direkt vor der römisch-katholischen Stadtpfarrkirche. Rund um den Aufenthalt des Geschichtenmobils hatte die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) ein Programm aus Musik, Literatur, Geschichte und Diskussionen zusammengestellt. Am Samstagvormittag lud Dr. Elfriede Dörr, die Reformationsjubiläumsbeauftragte der EKR, zu einem Rundtischgespräch in den Spiegelsaal des Forumshauses ein. Gekommen waren Emil Hurezeanu, rumänischer Botschafter in Berlin, Dr. Christina Aus der Au, Präsidentin des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ und Bischof Reinhart Guib. Thema der von Elfriede Dörr geleiteten Diskussionsrunde: Reformation heute – Reform heute. Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Wochenendes, ein gut besetztes Podium mit zwei orthodoxen und zwei evangelischen – reformiert und lutherisch – Vertretern, welches viel zu früh durch die Uhr beendet wurde und das erst begonnene Gespräch abschnitt und Fragen aus dem vollbesetzten Publikum nicht möglich machte.

Die Aufgaben der Kirche in der Gesellschaft stellt die Schweizer Theologin Christina Aus der Au zu Beginn heraus. Ihre männlichen Gesprächspartner, mit der rumänischen Gesellschaft und Politik vertraut, spannen den Bogen weiter. Es ist ihre Aufgabe zu erinnern und zu verwirklichen, beginnt Aus der Au, „an die unmittelbare Gottesbeziehung, dass jeder Christ und jede Christin selber die Bibel lesen kann, sich darüber Gedanken machen kann, mit Gott in ein Verhältnis treten kann, im Gebet, im Nachdenken.“ Mit den Worten von Martin Luther: Wir sind befreit und niemanden Untertan, und wir sind aber auch jedermanns Knecht und allen untertan, weil diese Freiheit keine schrankenlose Freiheit ist, keine Beliebigkeit zu machen, was wir wollen, sondern nur an Gott gebunden, ist es wirklich Freiheit. Die Kirche muss sich aber auch für die Würde aller Menschen einsetzen, für das Zusammenleben in Frieden, in Gerechtigkeit, für die Bewahrung der Natur, der Umwelt, weil wir befreit sind von der Sorge um uns selber, sagt die Theologin weiter. „Wir sind befreit für den Anderen.“ Doch das heißt nicht, dass ein Einzelner oder eine Gruppe denken soll, sie wüsste den Weg und könnte Positionen vertreten, ohne die Gemeinschaft mitzunehmen, auch nicht die Kirche, ergänzt Aus der Au.

Die Protestanten stellen in Rumänien nur einen geringen Teil der Bevölkerung. Die evangelische Kirche ist zu klein, um die Gesellschaft mit den reformatorischen Werten zu prägen, sagt Bischof Reinhart Guib. Sie muss in den Dialog treten mit der katholischen und der orthodoxen Kirche, aber auch den Institutionen des Staates. Gerade in diesen Tagen stellt sich eine politische Elite an die Spitze der Gesellschaft, die sich der Gerechtigkeit widersetzt, und die orthodoxe Kirche schweigt. Ein Gegenspieler korrupter Politiker sollte die Orthodoxe Kirche sein, sagt Ovidiu Gan]. Sie könnte viel glaubwürdiger gegen die Missstände aufstehen, als die Politiker. „Die orthodoxe Kirche sollte Individuen ablehnen, die verurteilt sind und trotzdem den Staat führen wollen.“ Eine klare Aussage in Richtung Liviu Dragnea. Ganţ lieferte eine präzise Analyse der politischen Verhältnisse, doch kann die orthodoxe Kirche ein Wortführer gegen korrupte Politiker sein?  „Diakonie statt Krautwickel“ forderte Emil Hurezeanu.