Die Befreiung der Laute

Jozef van Wissems erstes Konzert in Rumänien

Er sitzt auf einem Piedestal, alle Blicke sind auf ihn gerichtet. Seine mit schwarzem Lidstrich gefärbten Augen versteckt er hinter den gekämmten, glänzenden Haaren. Nur ab und zu macht er seine Augen auf, hebt seinen Kopf, sein Gesichtsausdruck ist völlig neutral. Der niederländische Lautenspieler und Komponist Jozef van Wissem (54) ist zum ersten Mal in Rumänien und gibt ein Konzert im hauptstädtischen Club Control. Van Wissem ist ein Künstler, der sich gerne jenseits des Mainstreams bewegt. Von der amerikanischen Tageszeitung „New York Times“ wird van Wissem als „Avantgarde-Komponist und Barocklautenspieler“ beschrieben. Der Musiker spielt auch auf zwölfsaitiger Gitarre und Schlagzeug und er singt. Der in Maastricht geborene Künstler wohnt im „The Big Apple“. Er hat mit der klassischen Gitarre begonnen, dann elektrische Gitarre in Rock- und experimentellen Bands gespielt. In der ersten Hälfte der 90er Jahren wollte er etwas anderes, so ist er in die USA gefahren, wo er Laute studiert hat.

Jozef van Wissem macht andersartige, faszinierende Musik: Der Erfolg des Musikers hat damit zu tun, dass er sich entschieden hat, Instrumente wie die Laute aus dem Gefängnis der Klischees zu befreien: „Man denkt über ein Instrument nach - es kann verschiedene Sachen sein. Die meisten Leute sind nicht aufgeschlossen und wollen nicht experimentieren und ein Instrument ändern“, erklärte er unlängst in einem Interview für die internationale Presse. Die Laute wollte er aus dem akademischen Kontext herausholen und er hat auf diese Weise einen Stil aufgebaut, der keinem anderen ähnelt.
Jozef van Wissem kuratierte ein Festival namens „Neue Musik für frühe Instrumente“ und forderte, dass Leute etwas Neues mit älteren Instrumenten machen. In den letzten 20 Jahren hat er 10 Alben veröffentlicht, zusammengearbeitet hat er mit Künstlern wie James Blackshaw, Maurizio Bianchi, Jim Jarmusch, Tilda Swinton.

Besonders bekannt aber wurde er für seinen Soundtrack zu Jarmuschs Film „Only Lovers Left Alive“, der beim Filmfestival in Cannes 2013 ausgezeichnet wurde. Im Filmdrama geht es um Vampire in der Gegenwart, die von  Tom Hiddleston und Tilda Swinton gespielt werden. Vor dem Konzert wurde der Vampirfilm projiziert. Auf der Bühne des Bukarester Clubs gelang es Jozef van Wissem makellos, die dekadente Atmosphäre aus „Only Lovers Left Alive“ vor Hunderten Fans wiedererstehen zu lassen, mal kräftig, mal sanft, aber meistens dunkel und voll tiefer Melancholie. Der Musiker scheint der Laute ungehörte Weisen zu entlocken und lässt sie die tiefsten Gefühle ausdrücken. Interpretiert hat er auch Lieder aus seinem vor Kurzem herausgebrachten Album „When Shall This Bright Day Begin“.
Natürlich war dies kein gewöhnliches Konzert: Nach ungefähr einer Stunde verschwand der Musiker diskret, während die Zuschauer beharrlich in Erwartung einer neuen Runde klatschten. Die magischen Klänge der Laute hatte er an das breite Publikum weitergegeben, die Zuschauer sind in die Welt von Jozef van Wissem eingetaucht. Davon bekamen sie allerdings nicht genug.