Die Deutschen in der Geschichte der Stadt Sereth

Zu einer rumänischen Neuerscheinung von Franz Pieszczok und Loredana Cuzencu

Ein für den Buchenländer Leserkreis beachtenswertes und für die Serether wichtiges Buch ist kürzlich in rumänischer Sprache erschienen: „Germanii în istoria oraşului Siret“ (Die Deutschen in der Geschichte der Stadt Sereth). Leider fehlen ein Impressum und die Angaben zum Verlag, zum Erscheinungsort und Erscheinungsjahr, was einer wissenschaftlichen Veröffentlichung nicht zum Vorteil gereicht.

Immerhin hat das Buch eine Bestellnummer, ein Umstand, der innerhalb der EU sogar zum Erfolg führen kann: ISBN 978-973-0-11711-0. Autoren und Herausgeber des Buches (270 Seiten) sind – in eigener Regie und auf eigene Kosten – die Serether Lehrkräfte Franz Pieszczok und Loredana Cuzencu, ersterer bekannt durch eine Reihe bisheriger Veröffentlichungen. Dem verhältnismäßig kurzen Textteil (68 Seiten) folgt ein umfangreicher, wertvoller Anhang, unter anderem mit einem Verzeichnis der deutschen Bewohner der Stadt im Jahre 1850 (906 Deutsche) nach einer Seelenzusammenschreibung der katholischen Pfarrei Sereth/Siret und mit Statistiken der zahlreichen Volkszählungen in der Bukowina, die die demografische Entwicklung in der Stadt, oft auch im Kreis, jener der deutschen Gemeinschaft von 1780 bis 2002 gegenüberstellt und sie somit vergleichbar macht.

Danach wird eine vollständige Liste mit Umsiedlern aus Sereth, Bainetz, St. Onufry, Hadikfalva (Dorneşti), Klimautz (heute Ukraine), Vic{ani, Negostina und anderen Orten und mit einer kleinen Anzahl deutscher Bewohner im Kreis Sereth (Plasa Siret), Bezirk Radautz/Rădăuţi, abgedruckt (insgesamt 2934 Namen, meist mit Altersangabe und Beruf).

Diese Liste ist nicht vollständig identisch mit der amtlichen „reichsdeutschen“ Liste, wichtig sind jedoch die Hinweise auf die Familien, welche aus Orten kamen, die sonst bisher nie in Listen auftauchten, darunter Unter-Sinoutz, Calafindeşti, Mihăileni, Muschenitz und Candeschti. Weitere Listen reichen bis in die Jahre nach Rumäniens Wende 1989, so die Namensliste der 60 Gründungsmitglieder des, nach 50 Jahren, ersten deutschen Vereins im Ort (gegründet am 9. Mai 1992) und der 45 Sympathisanten des neuen Vereins sowie die angewachsene Mitgliederliste des Deutschen Demokratischen Forums Sereth (140 Familien beziehungsweise Einzelpersonen) vom 31. Dezember 2005. Ergänzt werden die Angaben über den Verein mit den Angaben zu den beiden Vorsitzenden Bruno Siltzer (Vorsitzender von der Gründung 1991 bis 1995) und Ernest Preiner (derzeitiger Vorsitzender) und es erfolgen auch Ergänzungen zum Lokalforum, welches zum Regionalforum Buchenland gehört, den Vorstand betreffend.

Eine Bibliografie sowie ein reicher Teil mit Reproduktionen und Fotos aus den verschiedensten Lebensbereichen der Gemeinschaft – kulturell, schulisch, kirchlich und wirtschaftlich – beschließen das Buch. Dadurch ist es zu einer sehr informativen Dokumentation geworden, die wir so umfangreich bisher nur für wenige Orte mit ehemals großer buchenlanddeutscher Gemeinschaft besitzen. In rumänischer Sprache nur für Fundul Moldovii (Luisenthal) und Frătăuţi (Fratautz Gesamtgemeinde).

Aus Platzgründen kann hier auf den Inhalt des Buches nicht näher eingegangen werden, doch soll erwähnt werden, dass den herausragenden deutschen Persönlichkeiten aus der Unternehmerfamilie Beill (ab 1786 im Ort, aus Württemberg stammend), dem Gymnasialprofessor, Autor und Friedenskämpfer Peter Tomaschek (Vorfahren aus Böhmen) sowie aus der Reihe der Bürgermeister dem Hauptmann Eduard Ritter von Gutter (geb. in Suczawa) Beachtung geschenkt wird.

Das Buch ist ein Abgesang auf die deutsche Gemeinschaft, deren Leistungen die Autoren gerafft skizziert haben, und es wird eine Parallele gezogen zum Entstehen der deutschen Gemeinschaft in Sereth im Mittelalter. Von der Stadt und ihrer Zukunft zeichnen die Verfasser kein rosiges Bild. Im Gegenteil. Sie sehen die ehemalige Fürstenresidenz und den Bischofssitz weiterhin im „großen Schatten“ ihrer Geschichte.

„Die Stadt im großen Schatten“

Aus der Fülle von interessanten und aufschlussreichen Daten sei im Folgenden eine subjektive Auswahl geboten. Die Stadt hatte in den Jahren um den österreichischen Zensus von 1880 den absoluten Höchststand des deutschen Einwohneranteils mit 31,07 Prozent (2249 Einwohner) erreicht; bei der rumänischen Zählung des Jahres 1930 waren es 15,44 Prozent (2047 von insgesamt 13.252 Einwohnern). Die erste Volkszählung in Rumänien nach der Umsiedlung von 1940 und dem Beginn des „Ostfeldzuges“ ergab für Sereth 132 bekennende Deutsche, mitten in der kommunistischen Periode waren es 72 (Zensus von 1977), bei der jüngsten Zählung vor Erscheinen des Buches wieder mehr: 132 (2002).

Diesen Zahlen können interessante Angaben des Buches aus der Anfangszeit gegenübergestellt werden. Die erste Bilanz der Habsburger in der neu erworbenen Bukowina nach 13 Jahren (Österreich besetzte die Bukowina 1774), bezüglich der Bevölkerungs- und Besitzverhältnisse, ergab für Sereth 25 deutsche, 173 rumänische, 36 jüdische, 27 ruthenische, 7 griechische und 5 armenische Wirtschaften. Die Zahlen sagen jedoch wenig aus über die Wirtschaftsstärke der Höfe. Im gesamten Serether Distrikt bewohnten in dem Jahr rund 590 deutsche Siedler 118 Wirtschaftshöfe (Anwesen).

Zur jüngeren Geschichte der Stadt eröffnen die Autoren neue Aspekte, die Verschleppungen innerhalb dieses Grenzgebietes in die Sowjetunion betreffend. Schon Ende 1944 wurden aus Sereth 20 junge Leute zu Zwangsarbeiten deportiert, Männer und Frauen verschiedener ethnischer Zugehörigkeit, darunter sechs Deutsche. Bei der zweiten, landesweiten Deportation in die Sowjetunion im Januar 1945 wurden aus dem Serether Kreis (Plasa Siret) 25 Personen als „Deutsche“ verschleppt. Laut Autoren lebten 1993 in der Stadt noch sieben ehemalige Deportierte (S. 61), die namentlich angeführt werden.

Eine Serether Einmaligkeit wird ergänzt und konkretisiert: Zwischen 1950 und 1953 waren in einem Heim unweit der Stadtmitte angeblich 1800 Kinder aus Nordkorea untergebracht. Grund war der dortige Krieg. 1954 wurde dieses Heim aufgelöst, nur zwei Kindergräber erinnern noch an diese traurige Episode.

Bedauerlich ist, dass der deutsche Verein, wenn auch nur klein und ohne eigene Finanzmittel, nicht mehr die Herausgabe des Buches unterstützt, beziehungsweise Wege zur Förderung der Veröffentlichung sucht. Für das Regionalforum Bukowina könnte die Übersetzung ins Deutsche und eine anschließende Veröffentlichung ein empfehlenswertes und dankbares Projekt sein, zumal die Tabellen und der Bildanhang direkt übernommen werden könnten. Als Argument dafür spricht weiterhin, dass dieses Buch zugleich eine Chronik der 20 Jahre des Deutschen Lokalforums Siret liefert. Der Autor Franz Pieszczoch hat sich in der Region durch eine Reihe von Veröffentlichungen einen Namen gemacht, darunter einem Band über die Polen in Sereth (Suceava, 2008) oder die Ortschroniken von St. Onufry und Waschkautz am Sereth (Văşcăuţi pe Siret, 2009).