Die Entscheidung, das Konsulat umzuwandeln, wird nicht zurückgenommen

ADZ-Gespräch mit Andreas von Mettenheim, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest

Das Auswärtige Amt hat vor Kurzem entschieden, das Deutsche Konsulat in Temeswar zu schließen. Im Zuge der Haushaltssparmaßnahmen soll hier ein Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland ernannt werden. Das hat vor allem im Banat zu heftigen Reaktionen geführt, bei denen mit Nachdruck zahlreiche Argumente für die Erhaltung des Konsulats vorgebracht wurden. Einzelheiten zu dem Thema erfuhr die ADZ aus berufenem Munde in einem Gespräch mit Deutschlands Botschafter, Andreas von Mettenheim. Die Fragen stellten Ionuţ Budaşcu und Nina May.


Kann die Entscheidung, dass das deutsche Konsulat in Temeswar geschlossen wird, noch gekippt werden?

Ich freue mich, dass die ADZ jetzt die Gelegenheit wahrnimmt, mit einem Vertreter der Bundesregierung den Dialog aufzunehmen. Um es gleich zu Anfang zu sagen: Eine Revision der Entscheidung, das Konsulat umzuwandeln, wird es nicht geben.
Dies betrifft nicht nur Temeswar, sondern auch andere Länder, denen wir eng verbunden sind. Wir müssen zwischen dem Wünschbaren und dem Notwendigen unterscheiden. Natürlich wäre es auch für den deutschen Botschafter einfacher gewesen, wenn wir das Konsulat in Temeswar in seiner jetzigen Form erhalten könnten. Natürlich steckt darin ein Mehrwert. Die fiskalischen Zwänge können aber nicht wegdiskutiert werden. Staaten müssen, wie Unternehmen, wenn sie erfolgreich und wettbewerbsfähig bleiben wollen, ihre Strukturen ständig prüfen und anpassen. Auch andere Auswärtige Dienste tun das. Es ist ja gerade die Wirtschaft, die von uns immer einen „schlanken Staat“ fordert. Die Umorganisation ist deshalb eine Herausforderung, der wir uns unabhängig von lokalem oder regionalem Interesse stellen müssen.
Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass dies – gerade vor dem Hintergrund des erfolgreichen Wirkens des jetzigen Konsuls und seiner Vorgänger – im Banat als schmerzhaft empfunden wird. Auch bei uns würden die Menschen nicht anders reagieren.
Aber alle mit der Vertretung deutscher Interessen betrauten Organisationen in Rumänien werden nun alles daran setzen, den Bürgern im Banat die vielfach geäußerten Sorgen zu nehmen und in der täglichen Praxis deutlich machen, dass das Zusammenwachsen Europas, aber auch neue Kommunikationstechnologien und kürzere Reisezeiten schlankere Strukturen unserer konsularischen Präsenz ermöglichen.


Ist es möglich, dass in naher oder ferner Zukunft dasselbe Schicksal auch das Hermannstädter Generalkonsulat trifft?

Wir bleiben nördlich der Karpaten präsent. Das Generalkonsulat in Hermannstadt wird seine Aktivitäten – ebenso wie auch die Botschaft - sogar ausweiten, um die Qualität unserer Dienstleistungen in Rumänien aufrecht zu erhalten und auszubauen.


Werden mit der Aufgabe des Konsulats in Temeswar die Banater- und Sathmarschwaben im Stich gelassen, wie viele befürchten?

Ich verstehe die Sorge der Banater- und Sathmarschwaben gut. Von „im Stich lassen“ kann aber keine Rede sein, zumal das Konsulat ja nicht aufgegeben, sondern in eine honorarkonsularische Vertretung umgewandelt wird. Wir stehen zu unserer Verantwortung der deutschen Minderheit gegenüber. Ich werde alles tun, um die bewährte Qualität unserer Zusammenarbeit auch in Zukunft zu sichern. Ich verstehe ja, dass viele nicht zuletzt über den Verlust eines Symbols klagen. Aber das ändert doch nichts daran, dass unsere Hände ausgestreckt bleiben.
An der Tatsache, dass die Konsularstatistik, die eine Kernaufgabe eines Konsulats abbildet, in Temeswar im europäischen Vergleich geringe Zahlen ausweist, führt jedoch kein Weg vorbei. Im übrigen ist unsere Verwaltung ja viel besser geworden: Die neuen E-Pässe gelten 10 Jahre, eine erhebliche Erleichterung für diejenigen, die zukünftig wegen einer Passverlängerung zu einer Auslandsvertretung anreisen müssen.


Temeswar ist nach Bukarest der stärkste Wirtschaftspol Rumäniens. Dank der Unterstützung des dortigen Konsulats konnte sich eine Vielzahl von deutschen Investoren in der Region niederlassen. Könnte die Schließung des Konsulats schwerwiegende Folgen auf die Wirtschaft nach sich ziehen, die unter Umständen erst Jahre später in vollem Ausmaß erkannt werden? Wie will man diesen Herausforderungen begegnen?

Mit solch schwerwiegenden Folgen ist nicht zu rechnen. Die Kritik kommt ja auch nicht aus dem Kreis der Neuinvestoren, sondern eher aus den Kreisen der im Banat bereits etablierten deutschen Wirtschaft.
Unsere Beziehungen zu Rumänien sind im letzten Jahrzehnt gereift. Neuinvestoren in Rumänien können auf ein weites Netz kompetenter Ansprechpartner zurückgreifen: Dies sind vor Ort –  neben den lokalen Behörden – der Deutschsprachige Wirtschaftsclub Banat sowie in Zukunft der deutsche Honorarkonsul. Aber auch die Deutsch-Rumänische Handelskammer ist in ihrem Service- und Beratungsangebot keineswegs auf Bukarest beschränkt. Und wenn es Probleme im politischen Bereich gibt, gibt es die Deutsche Botschaft, die sich auch für die Belange der deutschen Wirtschaft im Banat und in Nordsiebenbürgen einsetzt. Ich konnte mich vor Ort vom Engagement der deutschen Minderheit und den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit überzeugen. Ich weiß, auf wie vielfältige Art die Minderheit aktiv ist und was sie bewirkt. Im Übrigen sollte die Entscheidung der Bundesregierung für die rumänischen Behörden vor Ort ein Ansporn sein, im ureigenen rumänischen Interesse von sich aus noch stärker auf Investoren zuzugehen und ihnen den Weg zu ebnen.


Als Ersatz für das Konsulat wird ein Honorarkonsul ernannt. Welche Aufgaben können in Zukunft über den Honorarkonsul vor Ort erledigt werden, und für welche Anliegen muss der Antragsteller nach Bukarest oder Hermannstadt reisen?

Ich bin mir sicher, dass das Amt des zukünftigen deutschen Honorarkonsuls in Temeswar ein ganz eigenes, spezifisches Gewicht entwickeln wird. Ich wende mich daher gegen Versuche, ein solches Amt schon jetzt kleinzureden. Das Auswärtige Amt hat bislang sehr gute Erfahrungen mit seinen mehr als 160 Honorarkonsuln allein in Europa gemacht.
Der künftige Honorarkonsul wird ein kompetenter Ansprechpartner sein. Honorarkonsuln können die Botschaft in allen Pass- und Personenstandsangelegenheiten unterstützen, Beglaubigungen vornehmen und Hilfe für Deutsche im Ausland nach dem Konsulargesetz leisten. Für umfassendere konsularische Anliegen, etwa Beurkundungen, ist es notwendig, auf die Dienste der Botschaft oder des Generalkonsulats in Hermannstadt zurückzugreifen. Das war allerdings bisher auch so.


Bisher wurden vom Konsulat in Temeswar vielfältige kulturelle Aktivitäten gefördert. In welcher Form kann die kulturelle Kooperation ohne das Konsulat auf gleichbleibendem Niveau erhalten werden?

Die amtlichen deutschen Vertreter in Rumänien werden – in enger Zusammenarbeit mit den Kulturzentren und dem Goethe-Institut, auf denen ja bisher schon ein Großteil dieser Arbeit gelegen hat –  die Kulturarbeit sicherstellen. Ich baue hierbei auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit. Veranstaltungen wie  die Vorstellungen des Deutschen Staatstheaters in Temeswar oder die Kulturdekade im Banater Bergland wären ohne das Wirken und das Netzwerk der Minderheit vor Ort undenkbar. Ich möchte noch ein Beispiel nennen: Im Oktober werde ich unsere seit einigen Monaten durch Rumänien tourende Kampagne „Deutsch – Sprache der Ideen“ in Reschitza eröffnen. Bei der Organisation und Durchführung unterstützt uns das Demokratische Forum der Banater Berglanddeutschen. Wenn alle genannten Akteure – Auslandsvertretungen, Kulturmittler, Minderheit – an einem Strang ziehen, werden wir das Niveau unserer kulturellen Kooperation nicht nur halten, sondern sogar noch ausbauen können. Dieser Appell richtet sich an alle, die ein echtes Interesse an der Zusammenarbeit mit Deutschland haben. Lassen Sie uns alle gemeinsam nach vorn blicken.


Welche kulturellen Projekte liegen der Botschaft besonders am Herzen?

Neben Kulturprojekten der deutschen Minderheit sind dies die Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes, Förderung der Deutschen Sprache als Mutter- und Fremdsprache, der Studenten-Austausch und die Hochschulzusammenarbeit, Bereiche, in denen wir quantitativ und qualitativ mit den Großen in Europa konkurrieren können. Ab Dezember wird die Botschaft eine Ausstellung zur Kunstrichtung „Fluxus“ u. a. mit Werken von Joseph Beuys im Museum für Zeitgenössische Kunst in Bukarest zeigen. Auf unsere sehr erfolgreiche Sprachkampagne, die von Prominenten von Andrei Pleşu bis Dan Bittman unterstützt wurde und die in den rumänischen Medien sehr gut angekommen ist, habe ich ja bereits hingewiesen.


Es sind zwei Jahre her, dass Sie Ihr Amt als deutscher Botschafter in Bukarest angetreten haben. Zwei Jahre sind etwa die Halbzeit eines Botschaftermandats. Welche Bilanz können Sie ziehen?

Wir können auf zwei sehr ereignisreiche und intensive Jahre zurückblicken, in denen sich die deutsch-rumänischen Beziehungen politisch, wirtschaftlich und kulturell ausgezeichnet entwickelt haben. Trotzdem muss der hohe Stand unserer bilateralen Beziehungen immer wieder verteidigt, bzw. neu erkämpft werden.
Politisch ist es uns gelungen, den Besucheraustausch auf höchster Ebene zu intensivieren: Im letzten Jahr waren bekannt-lich die Bundeskanzlerin, der Bundesminister des Auswärtigen und der bayerische Ministerpräsident in Rumänien, die ja auch mit Vertretern der Minderheit zusammengetroffen sind. In diesem Jahr stehen noch hochrangige rumänische Besuche in Deutschland auf dem Programm. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann wird im Oktober mit uns den Tag der Deutschen Einheit feiern. Er repräsentiert ein Bundesland, das aus naheliegenden Gründen seinen Blick besonders auf Rumänien richtet. Wir sind nach wie vor Rumäniens wichtigster Wirtschaftspartner und stellen uns gemeinsam der Wirtschafts- und Finanzkrise – während der die rumänische Regierung übrigens einen beeindruckend konsequenten Sparkurs durchgehalten hat, dessen Früchte man hoffentlich bald ernten kann. Unsere Bemühungen, konkrete Gravamina deutscher Unternehmen auf der politischen Ebene anzubringen, sind in einigen Fällen erfolgreich gewesen. Erfolgreich waren wir vor allem bei der Rückführung von Außenständen deutscher Gläubiger und in Einzelfällen konnten wir dazu beitragen, dass über Investitionen entschieden werden konnte.
Gerne erinnere ich mich an die deutsche Kulturwoche anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums zum Herbst 1989, eine Kraftanstrengung, die wir nicht jedes Jahr wiederholen können.
Ich habe in diesen zwei Jahren, soweit es möglich war auch auf Reisen und im persönlichen Kontakt, viel über die deutsche Minderheit, aber auch viel von ihr gelernt. Es war auch für mich persönlich eine Zeit mit bereichernden Begegnungen und Erfahrungen in diesem wunderbaren Land, mit dem uns viel mehr eint als uns trennt. Zu guter Letzt: Es ist uns gelungen, trotz der erwähnten angespannten Haushaltslage, die Beiträge für die deutsche Minderheit stabil zu halten.


Was für Schwerpunkte sehen Sie in Ihrer zukünftigen Arbeit?

Europapolitische Themen, aber auch die Verbesserung der Investitionsbedingungen für deutsche Unternehmen werden weiterhin zu unseren Schwerpunkten zählen. Im Bereich „erneuerbare Energien“ hat unsere Partnerschaft noch viel Potenzial. Im kommenden Jahr wollen wir den 20. Jahrestag des Deutsch-Rumänischen Freundschaftsvertrags angemessen begehen. Außerdem wollen wir Deutschland in einer kulinarischen Veranstaltungsreihe als Herkunftsland guten Essens und Trinkens präsentieren.
Natürlich können wir noch intensiver zusammenarbeiten, etwa in Form gemeinsamer Projekte im multilateralen Bereich oder in Fragen der Energie, der Sicherheit oder der Migration. Auch die zweite Halbzeit meines Mandats hoffe ich daher mit meinem ausgezeichneten Team zum Erfolg führen zu können. Wir bauen dabei auf die Solidarität der deutschen Minderheit.


Ende vergangenen Jahres kündigten Deutschland und Frankreich an, sich dem geplanten Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum in Frühjahr 2011 zu widersetzen. Staatspräsident Băsescu beklagte sich über die „Diskriminierung“, die nicht akzeptabel sei. Inzwischen schreiben wir August, Rumänien und Bulgarien wurden immer noch nicht in den grenzfreien Raum aufgenommen. Sehen Sie einen realistischen Termin für den Beitritt der beiden Länder?

Zunächst einmal möchte ich klarstellen: Deutschland befürwortet die Vollmitgliedschaft Rumäniens im Schengenraum. Eine immer weiter gehende Ausdehnung der Außengrenzen des Schengenraums kann der Bevölkerung in den „alten“ Mitgliedstaaten aber nur dann mit Erfolg vermittelt werden, wenn der Nachweis geführt ist, dass alles Erforderliche getan wird, um Missbrauch zu unterbinden. Der kürzlich veröffentlichte Bericht der EU-Kommission im Rahmen des Zusammenarbeits- und Überprüfungsmechanismus ist dabei ein wichtiger Indikator auch für die Beurteilung Schengen-relevanter Sicherheitsfragen.
Es gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Mitgliedstaaten der EU auf dem Rat für Justiz und Inneres im September eine Entscheidung treffen und den Weg in die Vollmitgliedschaft öffnen.