Die Geschichte einer Berufung in den geistlichen Dienst

Gespräch mit Pfarrer Danielis Mare, Seelsorger für das Repser Diasporagebiet

Pfarrer Danielis Mare | Foto: privat

Bei schönstem Herbstwetter wurde am 14. Oktober 2020 in Deutsch-Weißkirch/Viscri Danielis Mare zum Pfarrer des Repser Gebiets ordiniert. In Nußbach/Măieruș 1968 geboren, studierte er ab 2012 am Hermannstädter Evangelisch-Theologischen Institut der Lucian-Blaga-Universität. Vorher hatte er Elektrotechnik studiert. Konfirmiert wurde er in seinem Heimatort 1982 vom damaligen Dechanten Günter Herberth. Sein Konfirmationsspruch lautet; „Ich aber, HERR, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!“ Über seinen nicht alltäglichen Werdegang und seine bevorstehenden Aufgaben sprach der ADZ-Redakteur Dieter Drotleff mit ihm.

Es ist kein alltäglicher Entschluss, nach einer technischen Ausbildung ein Theologiestudium aufzunehmen. Wie kam es bei Ihnen dazu, hat da auch die Familie eine Rolle gespielt?
Lieber Herr Drotleff, der Entschluss, Theologie zu studieren, hat eine Vorgeschichte, die sehr lang ist. Kurz und knapp kann ich aber sagen,  dass der Wunsch im Jahr 1990 aufgetaucht ist.
Während des Militärdienstes in Reschitza (von Februar 1989 bis Februar 1990), vor allem in den stillen Stunden der Nachtwache, erinnerte ich mich immer wieder an das Neue Testament, das zu Hause in einer Schublade lag.

Dieses Neue Testament mit Psalmen hatte meine Mutter zu ihrer Konfirmation bekommen. Vielleicht ist es interessant zu sagen, dass ich mich zur Nachtwache, die von 12:00 Uhr in der Nacht bis 03:00 Uhr dauerte, immer für den Schweinestall meldete. Dieser Wunsch schien meinen Kameraden ein bisschen skurril zu sein, denn sie wussten nicht, warum ich gerade den ungünstigsten Wachposten wählte. Ich hatte aber die Erfahrung, dass ich an dieser Stelle die einzigen Stunden der Ruhe und des Friedens genießen konnte. Niemand, kein Vorgesetzter kam an diesen Wachposten zur Kontrolle. Der Weg bis dahin und die „Atmosphäre“ des Ortes lockte niemanden an, um eine Kontrolle zu unternehmen. Es waren die Stunden, in denen ich in Ruhe nachdenken konnte; über die Kindheit, die Schulzeit und über mich selbst; wie wohl die Zukunft aussehen mag.

Aber eine wichtige Rolle zur geistlichen Vorbereitung des Entschlusses, Theologie zu studieren, waren auch vier Jahre meiner Adoleszenz, in denen ich an einer schmerzhaften Darmentzündung gelitten habe; Tag und Nacht.
Denn, das möchte ich unterstreichen, dem Entschluss, Theologie zu studieren, ging eine fünfjährige geistliche Vorbereitungszeit voraus. Der Militärdienst, mit allen Schwierigkeiten, war nun die letzte Stufe dieser „Sturm und Drang“ - Periode, wenn ich diesen Begriff verwenden darf. Kurz und gut, das Bild des Neuen Testaments in der Schublade zu Hause hatte sich mir ins Gedächtnis eingeprägt und ich war fest entschlossen, wenn ich einmal zu Hause angekommen bin, es sofort in die Hand zu nehmen und zu lesen. Vielleicht hört sich das ein bisschen schwärmerisch an, aber das entspricht der Wahrheit. Ich wurde aus dem Militärdienst entlassen und fing also an, das Neue Testament zu lesen. In dem Wirrwarr des Jahres 1990 hatte ich eine Insel des Friedens gefunden.. Am Anfang waren es, vor allem, die Evangelien; danach die Briefe. Die ersten Monate des Jahres 1990 waren klar die Monate meiner geistlichen Veränderung. Ich fing in der Zeit auch ein regelmäßiges Gebetsleben an. Ich fühlte mich einfach zum Lesen der Bibel und zum Gebet hingezogen.

Während des Theologiestudiums begegnete ich auch den Begriffen, mit Hilfe derer ich diese Phase meines Lebens theologisch deuten konnte. Erstens habe ich gewisse Ereignisse also erlebt und danach konnte ich sie auch theologisch interpretieren.
Am Ende des Jahre 1990 war mir auch sehr klar, dass ich ein Diener des Wortes Gottes werden will.
Das war nun der Zeitpunkt meines Entschlusses, Theologie zu studieren. Mein Leben entwickelte sich aber dann in eine Richtung, die mit dem Studium der Elektrotechnik und mit der Ausübung des Ingenieurberufes zu tun hat.
Aber der Wunsch und die Entscheidung, Theologe und Pfarrer zu werden, waren eine Konstante, die ich nicht ignorieren konnte, und auch nicht wollte, und so begann ich im Jahre 2012 das Theologiestudium. Natürlich spielte auch meine Familie eine Rolle in dieser Entscheidung, aber auch der Kontakt mit der Schwarzen Kirche und die Gespräche mit dem damaligen Stadtpfarrer Matthias Pelger.

Wissen Sie, es ging langsam, aber langsam alles in die eine Richtung. Das sage ich jetzt zurückblickend. Im Laufe der Zeit, nämlich der 22 Jahre, war dieser Wunsch Theologie zu studieren, ständig, wenn auch in verschiedener Intensität, präsent. Ich würde sagen, dass diese meine Geschichte die Geschichte einer Berufung in den geistlichen Dienst ist.

Ihre Ordination fand unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie, doch mit Teilnahme des Bischofs, des Dechanten und Kirchenglieder statt. Wie wurden Sie davon geprägt, haben Sie doch als Konfirmationsspruch „Ich aber, HERR, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!“ ?
Ich möchte noch ergänzen, dass bei meiner Ordination, neben dem Herrn Bischof Reinhart Guib und Herrn Dechant Dr. Daniel Zikeli auch mein Vikarslehrer Pfarrer Kurt Boltres als Assistent fungiert hat; Herrn Pfr. Boltres bin ich sehr dankbar, weil er mich in meinem Vikariat reichlich unterstützt hat. Von ihm, kann ich sagen, habe ich das „Handwerk“, was den Bereich Praktische Theologie betrifft, gelernt.
Sehr dankbar bin ich auch der Kirchengemeinde A.B. Rosenau, die mich im Laufe meines Vikariats finanziell unterstützt hat.

Über die Einschränkungen der Pandemie kann ich nicht sagen, dass sie mich geprägt haben, sie haben aber meine Ordination um sieben Monate verschoben,  von März auf Oktober. Aber ganz klar ist, dass die Zeit bis zur Ordination ganz anders gewesen ist als die Zeit vorher. Vor allem musste ich die Art der Verkündigung und der Seelsorge ganz anders gestalten. Es ging aber immer besser, wenn auch nicht so wie gewünscht. 
Dass Sie aber meinen Konfirmationspruch aus dem 31. Psalm, Vers 15, kennen, ist für mich eine große Überraschung, aber auch eine große Ehre.
Wieso Pfarrer Günter Herberth, der mich in Nussbach 1982 konfirmiert hat, diesen Spruch für mich ausgewählt hat, bleibt für mich, um es banal auszudrücken, ein Geheimnis. Denn ich hoffe auf Gott, und führe mein Leben in dieser Hoffnung, und ich weiß Bescheid, dass der HERR mein Gott ist.

Das Repser Diasporagebiet ist geographisch weit ausgebreitet. Dazu gehören 15 Gemeinden, leider auch mit wenigen Kirchenmitgliedern. Wie können Sie sich nun an diese als Seelsorger wenden und diesen Mut zusprechen?
Im Repser Land leben vor Ort 202 Gemeindeglieder und 90 sind im Sonderstatus. Was die Distanzen zwischen den Dörfern betrifft, bereitet es kein Problem für mich. Die Straßen sind im Allgemeinen gut, außer der Weg nach Meeburg. Ansonsten will ich nicht klagen.
In der letzten Zeit, vor allem in der Weihnachtszeit, habe ich ein paar Hausbesuche gemacht und auch einen Hausgottesdienst gehalten, am Heiligen Abend in Draas, wo es noch drei  Gemeindeglieder gibt. Aber wegen der Einschränkungen dieser Pandemie und den Ängsten, die damit verbunden sind, fielen auch manche Gottesdienste aus.
Eine der guten Möglichkeiten, um seelsorgerlich weiter tätig zu sein, ist die des regelmäßigen Telefongespräches. Aber die Hausbesuche bleiben weiter der beste Weg zur Seelsorge, wenn auch mit mehr Vorsicht, denn ein Gespräch unter vier Augen kann nicht durch ein Telefonat ersetzt werden.

Eine wichtige Rolle haben die Kuratoren im Gebiet. Kürzlich wurde als neuer Kirchenkurator in Reps Dipl.-Ing. Karl Hellwig gewählt. Welche Stütze finden Sie in diesen?
Die Kuratoren bzw. die Ansprechpersonen sollten eine wichtige Rolle im Leben der Gemeinde spielen. Nun ist es so, dass Herr Karl Hellwig schon seit vielen Jahren sich für die verschiedenen Anliegen der Repser Diasporagemeinden eingesetzt hat, und am allerbesten die Probleme  kennt, die in den meisten der fünfzehn Ortschaften sind, außer Deutsch-weißkirch, wo ein sehr aktiver Kurator, Herr Walter Fernolend, und ein sehr gut funktionierender Kirchenrat ist, unter dessen Mitgliedern Herr Dietmar Gross ist, tätig auch als Mitglied des Bezirkskonsistoriums. In Schweischer möchte ich auch unbedingt an das Ehepaar Andreas und Ortrun Morgen erinnern, die vor Ort sehr vieles leisten. Tatsache ist, dass ich die Unterstützung der Kuratoren und Ansprechpersonen brauche.
Es ist sehr vieles zu tun; nicht nur im geistlichen Bereich, sondern auch in dem der Diakonie und der Verwaltung der Kirchengüter und Friedhöfe. Ich glaube, dass eine sehr wichtige Aufgabe unserer Kirche im Repser Land der Aufbau eines evangelischen Gemeinschaftsgefühls ist; und dafür brauche ich nicht nur die Unterstützung der Kuratoren, sondern auch die des Bezirkskonsistoriums Kronstadt.

Wie steht es um die Restaurierung der Kirche von Reps, die seit Jahren für die Feier der Gottesdienste geschlossen ist?
Die Restaurierung der Kirche ist ein heikles Problem; nicht nur für mich, sondern auch für den Herrn Kurator Hellwig und für die anderen Mitglieder des Kirchenrates in Reps. Tatsache ist, dass die Arbeiten nicht plangemäß abgelaufen sind. Die Gründe der Verzögerung sind mir noch nicht bekannt. Aber in den kommenden Monaten will ich mich mehr da-rum kümmern. Nicht nur die Kirche ist jetzt eine Baustelle, sondern auch der Gemeinderaum, der von einem gefährlichen Wandpilz angegriffen ist. Deswegen muss der ganze Gemeinderaum gründlich einer Sanierung unterzogen werden. Der monatliche Gottesdienst findet also, seit dem Heiligen Abend 2020, im größten Raum des Pfarrhauses statt.
Die Sanierungsarbeiten haben inzwischen begonnen und werden finanziell auch durch die Neujahrskollekte unterstützt. Dafür sind wir, die Kirchengemeinde Reps, dem Landeskonsistorium sehr dankbar, und auch allen Gemeinden unserer Landeskirche, die sich an der Kollekte beteiligt haben.

Wie ist allgemein  der bauliche Zustand der Kirchen, Kirchenburgen und Pfarrhäuser im Gebiet? Fallen Ihnen auch diesbezüglich konkrete Zuständigkeiten zu?
Laut meiner Konvention Punkt I.19, heißt es, dass ich „verantwortlich für die Verwaltung des Eigentums der Kirchengemeinden und für die Aufbewahrung ihrer Güter“ sorgen muss. Der Zustand vieler Kirchen, Kirchenburgen, Pfarrhäuser und Friedhöfe ist problematisch. Es gibt Fälle, wo man dringend etwas unternehmen muss. Ich würde ein Beispiel geben, nämlich Meeburg, wo man schon mit einer Lösung rechnen kann. Ich muss mich aber über den konkreten Ablauf eines Renovierungsprojektes noch aufklären lassen. Dafür muss ich Unterstützung suchen und um Hilfe bitten.

Wie sehen Sie die Zukunft für die Kirchenglieder dieses Diasporagebietes?
Das Problem der Zukunft der Kirchengemeinden im Repser Land hat mich schon seit drei Jahren, die Zeit meines Vikariats, beschäftigt. Tatsache ist, dass eine Kirchengemeinde existiert, solange es noch Seelen gibt. Das ist ein Truismus. Um mir ein Bild über die Zukunft machen zu können, habe ich eine Altersverteilung der Gemeindeglieder des Repser Landes erstellt, und kann nur sagen, dass, wenn in Rumänien die Lebenserwartung 75,31 Jahre ist, wird in zwanzig Jahren die Anzahl der Gemeindeglieder weniger als die Hälfte der jetzigen sein. Was die fernere Zukunft betrifft, muss ich sagen, dass die Gründung eines Kirchenverbandes, zu dem alle 15 Kirchengemeinden gehören sollen, eine realistische Lösung für den Fortbestand der evangelischen Kirche im Repser Gebiet ist. Das wäre auch die, die in der Kirchenordnung, Art. 26, schon vorgesehen ist.
Die Gründung des Kirchenverbandes hat nur eine Chance, wenn die Kuratoren und die einzelnen Gemeindeglieder sich ihrer evangelischen Identität wirklich bewusst sind und wenn die Verantwortung für unser geistliches und kulturelles Erbe ein persönliches Herzens- und Glaubensanliegen ist. 

Vielen Dank für Ihre Ausführungen, auch im Namen unserer Leser!
Ich bedanke mich auch herzlichst für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und allen Lesern unseres HERRN reichen Segen!