Die Großstadt mit dem Höhlenbad

Miskolc und seine beiden einmaligen Ortsteile

Einzigartiges Erlebnis: Eine Schwimmhalle, die sich in der Höhle fortsetzt

Das Schlosshotel in Lillafüred | Fotos: Ralf Sudrigian

Die Fahrt mit der Schmalspurbahn sollte nicht verpasst werden.

Sechzehn Meter hoch ist die Ikonostase in der Heiligen Dreifaltigkeitskirche. | Foto: Wikipedia

Es gibt wenige Städte, die vor allem wegen ihrer Ortsteile und nicht wegen des Stadtzen-trums von Touristen besichtigt werden. Eine von ihnen dürfte die viertgrößte Stadt Ungarns, Miskolc (knapp über 150.000 Einwohner), sein. Die bis vor einigen Jahrzehnten als Industriestandort bekannte Stadt im Nordosten des Landes hat zwar viel Sehenswertes auch in der Innenstadt zu bieten, aber ein Höhlenbad und die Märchenkulisse eines  Sees samt idyllischem Schlosshotel drängen sich in den touristischen Vordergrund.

Miskolctapolca – In Badehose unter der Erde

Ungarn ist für seine Heilbäder berühmt. Aber ein Höhlenbad (auf Ungarisch Barlangfürdö) ist  nicht mehr zu überbieten. In Miskolctapolca, heute ein Vorort von Miskolc, gibt es eine zum Teil unterirdische Wellness-Oase, die einzigartig in Europa ist. Dementsprechend groß ist der Zustrom in- und ausländischer Besucher, die so ein Bad wahrnehmen möchten. Denn es bietet gleich mehreres: Es ist ein besonderes Erlebnis, in den Höhlengängen zu waten oder zu schwimmen. Abenteuer wäre zu viel gesagt, weil das Wasser warm (Thermalquellen, rund 30 Grad Celsius) und auch nicht tief ist. Die Gänge ins Berginnere sind im Dämmerlicht beleuchtet und der Boden gekachelt; zudem gibt es auch Treppen und kleine Stege. Also kein Grund, sich Sorgen zu machen, man könnte sich verirren. Hinzu kommt, dass der Aufenthalt im Wasser gesundheitsfördernd ist, vor allem für die Behandlung von Gelenkserkrankungen und -entzündungen. Da der Salzgehalt des Wassers gering ist, gibt es auch keine wie sonst üblich empfohlene zeitliche Beschränkung für einen Aufenthalt im Wasser. Es gibt mehrere Außenbecken, eines mit einem Dach in der Form einer Muschel, sowie einen Saunapark und Kinderschwimmbecken. 

Bereits im 18. Jahrhundert nutzten die Benediktinermönche, die dort ein Kloster gebaut hatten, die Vorzüge der Thermalquellen – allerdings nur im Außenbereich. Als Erholungszentrum anerkannt ist dieses Höhlenbad seit knapp 90 Jahren. Aber erst 2005 entstand das heutige Höhlensystem mit Grotten wie die Römische Halle und die Sternengrotte.

Nach Miskolctapolca kann man mit dem Linienbus Nr. 20 aus dem Stadtzentrum gelangen. Geöffnet ist der Badekomplex von 9 bis 20 Uhr, wobei eine Eintrittskarte für den ganzen Tag für eine erwachsene Person bei 6850 Forint liegt (Stand: Sommer 2023). In der Umgebung gibt es an Attraktionen noch ein großes Schwimmbad namens „Ellipsum“, einen schönen Park mit See, eine Bobbahn und die ausgegrabenen Grundmauern eines frühmittelalterlichen Kirchenbaus.

Lillafüred – Ein Schlosshotel brachte den Aufschwung

Was die Schulerau/Poiana Brașov für Kronstadt/Brașov bedeutet, das könnte im Fall von Miskolc für Lillafüred gelten. Dieser kleine, rund 15 Kilometer oberhalb von Miskolc im Tal des Szinva-Baches gelegene Ort hat eine Vielfalt an touristischen Angeboten vorzuweisen. Dort gibt es den romantischen Hamori-See, auf dem man Boot fahren kann. Es ist ein künstlicher See, entstanden 1811 durch das Aufstauen des Baches Garadna, um für Miskolc das Trinkwasser zu sichern. Zwei Schauhöhlen, die Tropfsteinhöhle Szent Istvan und die Tuffsteinhöhle Anna, sollten bei einem Rundgang nicht ausgelassen werden. Zu jeder vollen Stunde werden Gruppenführungen angeboten. Eine Karte kostet 1700 Forint. 

Wer wandern will, findet hier in einem Ausläufer des Bükk-Gebirges genügend markierte Wanderpfade und auch einen Sessellift. Ganz nah am Palasthotel befindet sich der Lillafüred-Wasserfall. Das Wasser des Szinva stürzt von einem Felsen 20 Meter herab – es ist der höchste Wasserfall Ungarns. Mehrere Aussichtsplattformen wurden angelegt, um die diese Naturschönheit inmitten eines Buchenwaldes bewundern zu können. 

Die beste Alternative, von Miskolc in dieses malerische Tal zu kommen, ist die Schmalspurbahn. Diese Waldbahn wurde 1920 gebaut und war eigentlich nur für den Gütertransport (Kohle, Dolomitstein, Holz) gedacht. Mit der Eröffnung des Palasthotels (Hotel Palota), ein Prunkbau im Stil der Neorenaissance, 1929 eröffnet, und seiner terrassenförmigen „Hängenden Gärten“ stieg der Bekanntheitsgrad von Lillafüred. Dazu beigetragen haben auch die Dreharbeiten einer romantischen Komödie („Das Märchenauto“, 1934) vor Ort, ein Klasiker der ungarischen Filmgeschichte. Heute nutzen rund 200.000 Fahrgäste diese romantische Waldeisenbahn, angetrieben von einer dieselelektrischen kleinen Hybridlokomotive. In den 1930er Jahren waren es um 100.000 mehr – damals gab es aber noch sehr wenige Pkw oder Busse. Die Schmalspurbahn fährt aus Miskolc von der Station Dorottya utca ab, zu der man leicht mit der Straßenbahn aus dem Stadtzentrum gelangt. Von Lillafüred führt sie 25 Kilometer weiter, mit schöner Aussicht auf den See Garadna. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern kann man die Schönheit der Wälder, Viadukte, eines Tunnels und der Vorgärten von Miskolc genießen. Wandern, Bootfahren, die Höhle besuchen, mit dem Sessellift über den Bäumen schweben, eine Lillafüreder Forelle verspeisen – da vergeht die Zeit im Flug. Einziger Nachteil – das alles ist seit Langem kein Geheimtipp mehr: In der Hauptsaison ist dieser romantische Ort von Touristen überlaufen.

Miskolc – Zwei besondere Kirchen 

Von der Vielfalt der Kirchen, die in Miskolc im Stadtzentrum besucht werden können, sollen hier nur zwei hervorgehoben werden. Die eine ist die griechisch-orthodoxe Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Sie befindet sich am Deak-Platz Nr. 7 und wurde zwischen 1785 und 1805 gebaut. Von außen scheint sie nichts Besonderes auszuweisen, aber im Inneren kann man die größte Ikonostase (Ikonenwand) Mitteleuropas bewundern. Sie ist ganze 16 Meter hoch und enthält 87 Szenen aus dem Leben Jesu. Dieser Kirche schenkte die russische Zarin Katharina die Große anlässlich eines Besuches in Miskolc das Gnadenbild der Kasaner schwarzen Madonna. Fälschlicherweise erwähnen manche Reiseführer diese Kirche als griechisch-katholisch. Nahe der Kirche kann man (auf Anfrage) auch das ungarisch-orthodoxe Kirchenmuseum, das bekannteste dieser Art in Ungarn, besichtigen. Für die rumänische orthodoxe Kirche könnte Miskolc auch interessant sein. Dort wurde nämlich 1809 Andrei [aguna als Sohn eines aromunischen Kaufmanns geboren und in dieser Kirche getauft. Später sollte er orthodoxer Metropolit von Siebenbürgen werden. 1850 gründete [aguna das rumänische Gymnasium in Kronstadt, das heute seinen Namen trägt.

Einen weiterer Bezug zu Siebenbürgen stellt die reformierte Holzkirche in Miskolc dar. Sie wurde nach Plänen des 1889 in Großwardein/Oradea geborenen Architekten Balint Szeghalmy erbaut und 1938 eingeweiht. 1997 fiel sie einem Brand zum Opfer. Eine landesweite Spendenkampa-gne brachte die Geldmittel für einen originalen Wiederaufbau zusammen. Der Kirchturm mit seinen Fialen und der Galerie, das steile Dachwerk mit Schindeln und das traditionsreiche Kirchenportal erinnern an die ungarischen Kirchen in Siebenbürgen. Angeblich soll das Bauholz auch aus Siebenbürgen stammen. Szeghalmy, der auch Aufträge für Miklos Horthy übernommen hatte, musste nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deggendorf in Niederbayern flüchten, wo er 1963 verstarb. Die Urnen mit seiner Asche und der Asche seiner Frau wurden vor 23 Jahren nach Miskolc gebracht und am Friedhof neben der Holzkirche beigesetzt.