Die Mundart als vertraute Heimat

BZ-Seite „Pipatsch“ feierte 50-jähriges Jubiläum

Volkstänze aus dem Banat: Am Nachmittag trat unter anderen auch die Dettaer „Edelweiß“-Tanzgruppe im AMG-Haus auf. Fotos: Zoltán Pázmány

Sie ist das Herz der Pipatsch-Seite: Helen Alba ist seit Jahren darin engagiert, dass die achte und somit letzte Seite der BZ auf „Schwowisch“ erscheint.

Lustige Augenblicke hielt ADZ/BZ-Fotoreporter Zoltán Pázmány mit seiner Kamera fest. Die Ausstellung bewunderten zahlreiche Gäste, darunter auch Ignaz Bernhard Fischer, der selbst in Mundart schreibt.

50 Jahre feiert in diesem Jahr die Mundartseite „Pipatsch“ der „Banater Zeitung“ – ein Jubiläum, das dementsprechend markiert werden muss. Dies dachte sich auch Helen Alba, die langjährige Koordinatorin der Mundartseite in der „Banater Zeitung“ (BZ), die dafür am Samstag, dem 5. Oktober, eine Veranstaltung im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus auf die Beine stellte. Bei dem Jubiläumsevent, das im Karl-Singer-Saal über die Bühne ging, kamen Mundartautoren, Leser sowie Freunde der Pipatsch-Seite zusammen. Rohtraut Wittstock, Chefredakteurin der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ (ADZ), in der die BZ und somit auch die Pipatsch-Seite eingebettet ist, reiste dafür aus Bukarest an. Anwesend war auch der Abgeordnete der deutschen Minderheit im Parlament Rumäniens, Ovidiu Ganț, der seine Zeit zwischen zwei Veranstaltungen aufteilen musste. Zeitgleich fand in der sogenannten „großen“ Nikolaus-Lenau-Schule auch der Internationale Banater Lehrertag statt.

Die Jubiläumsveranstaltung moderierten Helen Alba und die Zwölftklässlerin am Lenau-Lyzeum, Astrid Kataro, die aus Keglewitschhausen/Cheglevici stammt und in der banatschwäbischen Tanzgruppe „Buntes Sträußchen“ aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare mittanzt. Gesprochen wurde fast ausschließlich auf Schwäbisch („Schwowisch“), allein die Ehrengäste, die ein Grußwort ausrichteten, taten dies auf Hochdeutsch. In der Einleitung sprach Claudio Alba, der Sohn der Pipatsch-Koordinatorin Helen Alba, der eigens aus Regensburg, Deutschland, angereist war, um bei dem Jubiläum dabei zu sein. Zu Wort kamen außerdem ADZ-Chefredakteurin Rohtraut Wittstock, BZ-Redaktionsleiter Siegfried Thiel, Stafette-Leiterin Henrike Brădiceanu-Persem, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, und der Parlamentarier Ovidiu Ganț.

„Ich bin fest überzeugt, dass unsere ´Pipatsch´ auch eine Zukunft hat, so wie unser Banater Klatschmohn auf der Heide jedes Jahr weiterblühen wird“, sagte Johann Fernbach in seiner Ansprache. ADZ-Chefredakteurin Rohtraut Wittstock wandte sich ebenfalls mit einem Grußwort an die Gäste. Sie bedankte sich bei den Pipatsch-Mitarbeitern, allen voran bei Helen Alba, die die meisten Beiträge schreibt und die Seite zusammenstellt. „Die Sonderseite in banatschwäbischem Dialekt hatte über all die Jahre ihre treuen Leser. Das sind nicht nur die Banater Schwaben. Ich selbst kenne in Bukarest Bukowiner, die nicht einmal Deutsche sind, aber denen das Deutsche als Sprache der Kindheit aus der Czernowitzer Zeit sehr vertraut, durch die deutschen Schulen eine Zweitsprache geworden war. Sie lesen die Pipatsch mit Vergnügen, es erinnert sie an das gesprochene Deutsch in der Heimat ihrer Kindheit“, sagte Rohtraut Wittstock, die in besonderer Weise Helen Albas Engagement bei der Gestaltung der Pipatsch-Seite hervorhob. „Man merkt, da ist eine Mitarbeiterin am Werk, die für ihre Arbeit viel übrig und Respekt für ihren Leserkreis hat“, fügte sie hinzu. Die Mundart sei die vertrauteste Heimat – unabhängig von dem Ort, an dem man lebe. „Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie sich diese vertraute Heimat nicht nehmen“, ergänzte sie.
BZ-Redaktionsleiter Siegfried Thiel erwähnte den Humor, den er stets in der „Pipatsch“ gesucht hat und weiterhin sucht. „Wenn nun nach Vorlagen Trachten genäht werden oder mit viel Übung Tänze eingelernt werden können, so ist das Erlernen der Mundart zumindest ab einem gewissen Alter fast unmöglich. Das Banatschwäbische wird langsam, aber sicher zu einer toten Sprache“, sagte Siegfried Thiel. Deshalb sei die `Pipatsch` für die kommenden Generationen „eine Fundgrube von hohem sprachlichem Wert und gleichzeitig Zeitzeuge für die Geschichte und Sprache der Banater Schwaben“, sagte er. Der Abgeordnete Ovidiu Ganț erwähnte die Freude, mit der die Leser und er selbst sich die „Pipatsch“ ansehen würden.

Einen geschichtlichen Umriss der Pipatsch-Gründung und -Entwicklung, von Helmut Ritter verfasst, las die aus Bogarosch/Bulgăruș stammende und zurzeit in Tschanad/Cenad lebende Pipatsch-Mitarbeiterin Monika Ernst vor. „Als am 9. November 1969 in der Früh um 3 Uhr und 25 Minuten die NBZ-Mundartbeilage Pipatsch zum ersten Mal „blühte“, konnte keiner auch nur ahnen, geschweige denn wissen, wie langlebig sie sein und welcher Beliebtheit sie sich bei ihren Lesern erfreuen sollte. Seit dem Druck ihrer ersten Ausgabe sind inzwischen 50 Jahre vergangen und die Pipatsch erscheint noch immer, auch wenn sie ihre beste Zeit bereits längst hinter sich hat“, hieß es zu Beginn des Vortrags. Darin schilderte Helmut Ritter, wie die „Pipatsch“ als Nachfolgerin der „Pollerpeitsch“ von dem NBZ-Chefredakteur Nikolaus Berwanger ins Leben gerufen wurde. Die Bezeichnung „Pipatsch“ habe Berwanger vom Bogaroscher Mundartdichter Johann Szimits übernommen, der 1908 seine Volksliedersammlung „Pipatsche un Feldblume vun dr Heed“ betitelt hatte. 

Seit fast 30 Jahren ist es eine Bogaroscherin, die sich um die Gestaltung der Pipatsch-Seite kümmert: Helen Alba, 1990 als Korrektorin in die Redaktion der NBZ gekommen. Zusammen mit ihrer Tochter Simona schaffte es Helen Alba, eine Reihe von Mitarbeitern heranzuziehen, die regelmäßig für die „Pipatsch“ schrieben, darunter Ignaz Bernhard Fischer, Eva Mayer, Hans Parison, Hans Werthan, u. v. m. „Wir sind viel ausgefahren. Damals gab es noch deutlich mehr Banater Schwaben in den Ortschaften und sie hatten das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen“, erinnerte sich Helen Alba. „Ich bin oft mit dem BZ-Fotoreporter Karl Windberger ausgefahren, dann kam Zoltán Pázmány hinzu – wir waren das Banater Trio. Es gibt wenige Ortschaften, die ich nicht kenne“, erzählte Helen Alba. „Es hat Spaß gemacht und ich habe anderen eine Freude bereitet. Ich bin kein Berwanger oder Kehrer, aber ich habe das mit derselben Hingabe weitergemacht“, fügte sie hinzu. Anlässlich des Pipatsch-Jubiläums konnten die Anwesenden einige Fotos von Zoltán Pázmány bewundern – sie waren allesamt im Laufe der Jahre auf der Pipatsch-Seite erschienen und schafften es auch diesmal, dem einen oder anderen Betrachter ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Dass die banatschwäbische Mundart irgendwann mal aussterben würde, daran sei nicht zu zweifeln, so Helen Alba. „Es dauert aber noch“, fügte sie hinzu. Unter den jungen Menschen gäbe es nur noch sehr wenige, die die Mundart mit in die Wiege gelegt bekommen haben. Eine davon ist Astrid Kataro, die ab und zu für die BZ schreibt. „Das Schwäbische ist ein Teil von mir. Mein Großvater hat mir die Mundart und die Traditionen beigebracht und ich möchte sie pflegen und weitergeben“, sagte sie.
Das Jubiläumsprogramm umfasste die Vorstellung des Buchs „1000 Banatschwowische Sinnsprich“ von Stefan Michael Müller. Das Buch stellten der Schriftsteller und BZ-Mitarbeiter Balthasar Waitz und der Vorsitzende des Vereins der Ehemaligen Russlanddeportierten und Mundartautor Ignaz Bernhard Fischer vor. Der 88-jährige Stefan Michael Müller, gebürtig aus Perjamosch/Periam, lebt seit 1992 in Deutschland und schreibt Gedichte sowohl in Mundart, als auch auf Hochdeutsch. Sein Debüt machte er mit über 70, als er im Sammelband „Stafette“ erstmals veröffentlichte.

Das Pipatsch-Jubiläum ging am Nachmittag mit einem bunten Kulturprogramm weiter. In der Moderation der Zehntklässlerin an der Nikolaus-Lenau-Schule, Martina Nenadov, die ebenfalls noch das „Schwowische“ beherrscht, traten die Tanzgruppe „Edelweiß“ aus Detta/Deta, der Chor „Temeswarer Liederkranz“, die Seniorentanzgruppe „Bunter Herbstreigen“, der Jugendtrachtenverein „Banater Rosmarein“ und die „Banater Musikanten“ auf der Bühne im Karl-Singer-Saal auf, während Astrid Kataro auf „Schwowisch“ vortrug. Das Pipatsch-Jubiläum wird am morgigen Samstag, dem 12. Oktober, ab 11 Uhr, im Náko-Schloss in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare weitergeführt.