Die Strafstrafe

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In Deutschland gibt es irgendwo ein Gesetz, das garantiert, dass man für ein und dieselbe Tat nur einmal bestraft werden kann. Auch Wikipedia definiert: „Für den Bereich des Strafrechtes ist ‚ne bis in idem‘ als Verbot der Doppelbestrafung ein fundamentaler Grundsatz eines jeden fairen Strafprozesses. Er findet sich in unterschiedlichen Gestaltungen in allen modernen (Straf-)Rechtsordnung wieder.“ Im rechtlichen Wilden Westen hingegen – im Volksmund auch Rumänien genannt – konnte man bislang dreimal, dreihundertmal oder gar dreitausendmal für dasselbe Vergehen betraft werden! Und anstatt den „Täter“ auf sein Fehlverhalten hinzuweisen, lachte sich die Polizei heimlich ins Fäustchen und sagte erst mal monatelang gar nichts, wenn mal wieder einer ohne Rovignette in die Kontrollkamera sauste. Denn, wer einmal reintappt – ätsch – den erwischt es vielleicht noch ein paarmal. Dann löhnt er jedesmal kräftig auf Neue!

So erging es jedenfalls vielen, bis endlich am Dienstag die Abgeordnetenkammer ein neues Gesetz verabschiedet hat – ob dies auch rückwirkend gilt, steht noch in den Sternen. Etwa der die Nonne, die auf ihren Fahrten kreuz und quer durchs Land (keine Ahnung, warum Nonnen so viel herumfahren) bereits über 250 Strafmandate einheimste. Oder meinem – äh, nein, hier wollen wir doch lieber Datenschutz walten lassen...

Also, einer mir sehr nahestehenden Person ist jedenfalls Folgendes passiert: Ungefähr Mitte Juni flatterte ihm ein saftiges Strafmandat ins Haus, wegen Nichtvorhandensein der Rovigniette, festgestellt im Januar 2012 durch Vorbeifahrt an einer Kontrollkamera an der DN1 in Romăneşti. Zu löhnen: 500 Lei. Boah! Wutentbrannt raste der Gute mit dem Zettel in der Hand zum Auto. „Da klebt sie doch, die blöde Rovignette“ entrüstete er sich lautstark und deutete auf das Wapperl an der Windschutzscheibe. „Die kaufe ich jeden Januar zusammen mit der Versich...“ Dann packte ihn der kalte Schock. Denn das, was da klebte, WAR die Versicherung! 

Rovignetten – so sollte man wissen – kleben schon lange nicht mehr! Sie werden nur noch elektronisch erteilt, wobei man beim Kauf einen winzigen Fresszettel in die Hand gedrückt bekommt, den man akribisch aufbewahren muss, unter all den Zettelchen für wasweißichnochmal, die sowieso alle wie Benzinquittungen aussehen und daher gerne dasselbe Schicksal erleiden: Ablage Rundordner – knüll, zack – weg. 

Der Arme hatte also tatsächlich keine Rovignette. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, sagt ein anderes Gesetz, und so wurde er für den dummen Fehler kräftig zur Kasse gebeten. Natürlich kaufte er an der ersten Tankstelle die Rovignette, erhielt besagten, winzigen Fresszettel in blaßgrauer, druckerpatronesparender Schrift, und zahlte zähneknirschend die Strafe. Beim nächsten Vorbeifahren an der Stelle mit der Kamera streckte er ihr hämisch die Zunge raus. „Ätsch, mich kriegt ihr nicht mehr!“ Denn man sollte doch meinen, das Problem sei nun erledigt.

Irrtum sprach der Igel und stieg von der Bürste... Denn kurz danach schlug das Schicksal gleich doppelt zu. Es flatterten zwei Briefe auf einmal ins Haus. Der eine beinhaltete eine Mahnung, die Strafe vom Januar sei angeblich nicht bezahlt worden. Der andere – das ist doch zum Junge kriegen – eine zweite Strafe wegen Herumfahrens ohne Rovignette, diesmal aus dem März. In den Folgemonaten bis zum Juni kamen sage und schreibe fünf weitere Strafmandate hinzu, alle wegen ein und demselben Fehler! Kein Polizist hatte ihn je auf sein Vergehen aufmerksam gemacht, kein Brief und keine SMS ermahnt, die abgelaufene Rovignette zu erneuern – und mit dem Zusenden der Strafmandate hatte man sich fast ein halbes Jahr Zeit gelassen – logisch, für die Polizei lohnt sich das. Je später, umso mehr.

Unser Musterautofahrer zahlte also insgesamt Strafen in Höhe eines Halbjahresgehalts. Nur gut, dass er nicht täglich auf der Strecke pendelte – er hätte einen fünfstelligen Kredit aufnehmen müssen.

Rechtlich ist das, als hätte einer ein Fahrrad geklaut – und jedesmal, wenn dessen Besitzer in den Schuppen geht und sieht, das es fehlt, ruft er die Polizei und nun brummt man dem Dieb nochmal die Haftsrafe auf, die er schon beim ersten Gerichtsurteil erhielt. Und zwar auch dann, wenn er das Fahrrad längst zurückgebracht hat.

Ärgerlich genug – doch weshalb in Dreiteufelsnamen nun die Mahnung? Das Mysterium sollte sich bald klären. Als der mittlerweile gründlich frustrierte Autofahrer die mit dem Bezahlen der ersten Strafe eingeschickte Kopie der Rovignettenquittung ansah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: statt eines D im Kennzeichen stand da ein B! In mikroskopischer Schrift – so klein wie die Vermerke der „E-uri“ auf Konservendosen –, aber eben juristisch unanfechtbar ein B! Schreikrampf. Fahrt zur Tankstelle. Klarstellung des Irrtums. Achselzucken des Kassiers, der den Fehler immerhin begangen hatte und sich sogar an den Kunden erinnern konnte: „Jetzt haben Sie für einen anderen die Rovignette bezahlt. Nein, ändern kann man das nicht, dafür gibts keine Funktion im Computer.“ So lautete auch die lakonische Anwort der zuständigen Behörde. Die Konsequenz? Die erste Strafe umsonst bezahlt, und zwar auf das Kennzeichen des Typen, dem er schon die Rovignette spendiert hatte, der aber vielleicht gar kein Strafmandat hatte – egal. Und die freudige Aussicht auf mindestens drei weitere Strafen, denn so oft fuhr der Arme nach dem vermeintlichen Bezahlen SEINER Rovignette noch an der Kamera vorbei. Die flattern wahrscheinlich im Dezember ins Haus, wir haben schon angefangen zu sparen.

Die Moral aus der Geschicht? Wenn demnächst der Justizminister oder der Polizeipräsident um die Ecke gebracht wird – denn die geschilderte Geschichte ist weder Witz noch kurioser Einzelfall, mich würds nicht wundern. Vielleicht gibts dann auch fünfmal lebenslänglich für den Täter, und wenn er das Glück hat, dass der Gerichtsschreiber die falsche Revolvernummer notiert, landet sowieso ein anderer im Knast. Der Polizeicomputer, das wissen wir ja nun, hat ja leider keine Änderungsfunktion.